Z Geburtshilfe Neonatol 2016; 220(03): 91-92
DOI: 10.1055/s-0042-108015
Journal Club
Geburtshilfe
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Niedriger sFlt-1/PlGF-Quotient – Geringes kurzfristiges Präeklampsierisiko

Further Information

Publication History

Publication Date:
21 June 2016 (online)

Preview

Hintergrund: Es wird angenommen, dass die Pathogenese der Präeklampsie im Wesentlichen auf einer plazentaren Malperfusion in Folge eines Ungleichgewichts pro- und antiangiogener Faktoren beruht. Anhand des Verhältnisses des maternalen Serumspiegels von sFlt-1 (soluble fsm-like tyrosine kinase 1) zu PlGF (placental growth factor) kann bereits vor dem Auftreten einer Symptomatik das individuelle Präeklampsierisiko der Schwangeren eingeschätzt werden. Zeisler und Kollegen haben untersucht, wie zuverlässig bei Schwangeren mit klinischen Hinweiszeichen auf eine Präeklampsie mit Hilfe des sFlt-1/PlGF-Quotienten das zeitnahe Auftreten der Erkrankung vorhergesagt werden kann.

Methoden: In die prospektive, multizentrische, internationale PROGNOSIS-Studie (Prediction of Short-Term Outcome in Pregnant Women with Suspected Preeclampsia Study) wurden zwischen 2010 und 2014 1050 Schwangere (Einlingsgravidität, Gestationsalter 24 + 0 bis 36 + 6 SSW) mit klinischem Präeklampsieverdacht eingeschlossen. Zunächst wurde anhand einer ersten Studienkohorte (n = 500) ein sFlt-1/PlGF-Grenzwert abgeleitet, mit dessen Hilfe das zeitnahe Auftreten einer manifesten Präeklampsie vorgesagt bzw. ausgeschlossen werden kann. Anschließend erfolgte die Validierung des Prädiktionsmodells an weiteren 550 Schwangeren. Alle Frauen wurden während der Schwangerschaft regelmäßig klinisch und laborchemisch überwacht. Es wurde analysiert, ob bei niedrigen Werten des sFlt-1/PlGF-Quotienten das Auftreten einer Präeklampsie (arterielle Hypertonie ≥ 140/90 mmHg und Proteinurie ≥ 300 mg / d) innerhalb von einer Woche nach der Erstvorstellung ausgeschlossen werden kann und ob hohe Werte eine Erkrankungsmanifestation innerhalb eines Monats voraussagen.

Ergebnisse: Die Präeklampsieinzidenz in der Entwicklungs- und der Validierungskohorte betrug 20,2 bzw. 17,8 %. Ein sFlt-1/PlGF-Quotient von 38 wurde als adäquater Cutoff zur Prädiktion der Präeklampsie identifiziert. In der Validierungsphase konnte für einen sFlt-1/PlGF-Quotient ≤ 38 ein negativer Vorhersagewert (kein Auftreten einer Präeklampsie in den folgenden 7 Tagen) von 99,3 % (95 %-CI 97,9–99,9) bei einer Sensitivität von 80,0 % (51,9–95,7) und einer Spezifität von 78,3 % (74,6–81,7) nachgewiesen werden. Der positive Vorhersagewert bei einem sFlt-1/PlGF-Quotient > 38 (Auftreten einer Präeklampsie in den nächsten 4 Wochen) betrug 36,7 % (28,4–45,7) bei einer Sensitivität von 66,2 % (54,0–77,0) und einer Spezifität von 83,1 % (79,4–86,3). Ein sFlt-1/PlGF-Quotient ≤ 38 war zudem prädiktiv für das Ausbleiben eines negativen fetalen Outcomes innerhalb von 7 Tagen (negativer Vorhersagewert 99,3 %; 97,9–99,9), wogegen der positive Vorhersagewert eines sFlt-1/PlGF-Quotienten > 38 für einen ungünstigen fetalen Verlauf innerhalb von 4 Wochen 47,5 % (38,4–56,8) betrug.

Fazit

Bei einem sFlt-1/PlGF-Quotient < 38, so das Fazit der Autoren, kann unabhängig vom Gestationsalter bei Schwangeren mit klinischen Hinweiszeichen auf eine Präeklampsie das zeitnahe Auftreten des voll ausgeprägten Krankheitsbilds mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Dieser im Rahmen der Beobachtungsstudie identifizierte und prospektiv validierte Cutoff kann im klinischen Alltag die Entscheidung für oder gegen eine stationäre Überwachung von Schwangeren mit nicht eindeutiger Symptomatik erleichtern bzw. erlaubt eine gezielte Planung der Intensität des ambulanten Monitoring.

Dr. Judith Lorenz, Künzell