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DOI: 10.1055/s-0042-105622
Von der Idee bis zur vorläufigen Version – Ein valides Assessment entwickeln
Subject Editor:
Publication History
Publication Date:
06 May 2016 (online)
- Testgütekriterien beachten
- Schritt 1: Literatur befragen
- Schritt 2: Praxistauglichkeit überprüfen
- Schritt 3: Beurteilung durch Experten
- Videoanalyse durch die Experten
- Schritt 4: Die vorläufige Version entsteht
- Chancen und Grenzen
- Ausblick: Normierung, Objektivität und Reliabilität
Wie entsteht eigentlich ein Messinstrument? Maria Schlaffer hat das „Ergotherapeutische Assessment mit Pferd“ entwickelt und erläutert, wie sie dabei vorgegangen ist.
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Meine Leidenschaft gilt den Pferden – privat und als zusätzliches Angebot zur Ergotherapie. Ich schätze sie beispielsweise bei therapiemüden oder sehr tierlieben Klienten. Pferde sind wunderbare „Eisbrecher“ und haben einen hohen Aufforderungscharakter. Die Tiere fordern Menschen auf, sich auf soziale Interaktionen einzulassen, sie bieten ihnen Handlungs-, Bewegungs- und Kontaktmöglichkeiten wie Reiten, Putzen, Füttern oder Belohnen. Bislang gab es jedoch keine spezifische und praxisnahe Methode, Klienten mit dem Pferd zu befunden. Mein Ziel war es, diese Lücke zu schließen. Und so habe ich in meiner Masterarbeit das Ergotherapeutische Assessment mit Pferd (EtAP) entwickelt (ABB.) [1].
Testgütekriterien beachten
Befund und Behandlung sind untrennbar miteinander verbunden [2], Die Erhebung vor der Intervention ist die Basis für ein zielgerichtetes therapeutisches Vorgehen [3], Um Instrumente im Sinne einer evidenzbasierten Praxis einzusetzen, müssen sie empirisch ermittelten Testgütekriterien entsprechen. Die Hauptkriterien sind Validität, Objektivität und Reliabilität. In meiner Masterarbeit konzentrierte ich mich auf die Entwicklung und Validierung des EtAP.
Standardisierte Assessments haben das Potenzial, die Forschung in ihrem Bereich zu unterstützen – das EtAP kann zum Beispiel die Untersuchung tiergestützter Methoden fördern [5]. Laut Literatur sind theoretisch fundierte Konzepte und Angebote für tiergestützte Interventionen dringend nötig, um das thera peutische Handeln zu reflektieren, kritisch zu bewerten und weiterzuentwickeln [6].
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Schritt 1: Literatur befragen
Bevor ich mit der Entwicklung des EtAP begann, recherchierte ich bestehende standardisierte Befunderhebungsinstrumente für Ergotherapie mit Pferd in verschiedenen Datenbanken – von Google Scholar über Medpilot bis hin zur Cochrane Library. Im deutsch- und englischsprachigen Raum existierte bis dahin noch kein entsprechendes Assessment.
Das Ziel: Assessments im Sinne von EBP einzusetzen
Auf Basis meiner Rechercheergebnisse konzipierte ich 27 mögliche Items, wählte Befunderhebungsbereiche aus und entwickelte so eine erste Version des EtAP.
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Schritt 2: Praxistauglichkeit überprüfen
Die Praxistauglichkeit dieser ersten Version überprüfte ich mit zwölf Klienten. Das heißt, ich kontrollierte Praktikabilität und Vollständigkeit der Befunderhebungsbereiche unter der Supervision von zwei Ergotherapeutinnen und einer Reittherapeutin. Anhand der Ergebnisse adaptierte ich das EtAP, und es entstand die zweite Version mit 31 Items.
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Schritt 3: Beurteilung durch Experten
Im nächsten Schritt stand die Prüfung der Validität anhand von Expertenbefragungen an. Ich untersuchte, ob das Instrument wirklich misst, was es messen soll bzw. zu messen vorgibt [4], Erhebt das EtAP also tatsächlich einen spezifischen und praxisnahen Befund für Ergotherapie mit Pferd – unabhängig von Alter und Diagnose der Klienten? Dazu befragte ich 22 Experten – allesamt Ergotherapeuten. Sie hatten unter anderem die Möglichkeit, allgemeine Rückmeldungen zu geben, beispielsweise zu Formulierungen. Mithilfe dieser Angaben überarbeitete ich die zweiteVersion, und eine dritte entstand.
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Videoanalyse durch die Experten
Für die Prüfung der Validität bekamen die 22 Experten eine DVD. Darauf konnten sie sehen, wie ich die Items des EtAP demonstriere. Ihre Aufgabe war es, diese Items den Befunderhebungsbereichen zuzuordnen. Die Experten beurteilten unabhängig vom „Therapiemittel“ Pferd, sondern aus Sicht der klassischen Ergotherapie. Anhand ihrer Angaben erstellte ich die vierte Version des EtAP. Sie umfasste neun Befunderhebungsbereiche: Feinmotorik, Grobmotorik, Praxie, Wahrnehmung, Muskeltonus, bimanu- elle Aktivitäten, Kognition, Aufmerksamkeit und Interaktion mit dem Pferd.
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Schritt 4: Die vorläufige Version entsteht
Auf Basis der Rückmeldungen eines Experten für Statistik überarbeitete ich das Assessment erneut und die fünfte und vorläufig aktuelle Version des EtAP entstand (ABB.). Im Gegensatz zur bloßen Messung der Körperfunktionen [2] erlaubtes eine betätigungsorientierte Befundaufnahme. Die Erhebung erfolgt nicht im Therapieraum, sondern in der Reithalle oder unter freiem Himmel in der Natur.
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Chancen und Grenzen
Das EtAP erlaubt bereits in der aktuellen Version eine betätigungsorientierte Darstellung der Behandlungsfortschritte. Denn: Da der Summenscore der ausgewählten Items vor und nach der Therapie einen sehr klaren Erfolgsnachweis liefert, entspricht dies einer systematischen kassengerechten Erfolgs- und Verlaufskontrolle.
Für den ursprünglich geplanten Bereich der Grafomotorik konnte ich keine geeigneten Items entwickeln und integrieren. Zwar erhebt das EtAP die taktil-propriozeptive Wahrnehmung, Haltung, Schulter- und Armfunktion, die in der Ergotherapie mit Pferd zu erheben und therapieren wären. Aber Feinheiten wie die Hand-Hand-Koordination oder die (ökonomische) Stifthaltung muss man im klassischen Setting erarbeiten. Dass ein Kind am Ende der Seguenz mit dem Stift etwas zu Papier bringt, ist im Stall nicht professionell umsetzbar [2].
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Ausblick: Normierung, Objektivität und Reliabilität
In meiner Ergotherapiepraxis führe ich häufig Assessments durch – seit der Entwicklung des EtAP jedoch viel kritischer und gleichzeitig mit Ehrfurcht. Ich kann Kollegen nur empfehlen, sich intensiv mit ergothera- peutischen Befunderhebungsinstrumenten auseinanderzusetzen; der Mehrwert in der Therapie imSinne eines Outcomes ist enorm.
Um das EtAP als ein ernst zu nehmendes Assessment für Kostenträger und Wissenschaft weiterzuentwickeln, stehen die Normierung und die Ermittlung der Gütekriterien Objektivität und Reliabilität aus [7], Die Objektivität beschreibt das Ausmaß, in dem ein Testergebnis in Durchführung, Auswertung und Interpretation vom Testleiter nicht beeinflusst wird bzw. in dem mehrere Testauswerter zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen. Die Reliabilität bezeichnet die Test-Verlässlichkeit, also ob man bei einer Wiederholung der Messung unter gleichen Bedingungen zu gleichen Ergebnissen kommt. Diesen Themen widme ich mich derzeit in meiner Dissertation.
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