ergopraxis 2016; 9(04): 14-16
DOI: 10.1055/s-0042-105477
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Internationale Studienergebnisse


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Publikationsdatum:
08. April 2016 (online)

 

Teilnehmer erfolgreich rekrutieren – Präventionsprojekte

Um Teilnehmer für ein Präventionsangebot zu gewinnen, sollte man vielfältige Zugangs- und Kommunikationswege nutzen und die Zielgruppe persönlich ansprechen. Das empfehlen Forscher um Dr. Tilman Brandt, Leiter der Fachgruppe Sozialepidemiologie am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen.

Um herauszufinden, wie man Zielgruppen erreichen kann, entwickelten die Forscher einen Fragebogen. Er enthielt 12 Fragen zu Handlungsfeld, Zielgruppe und Zugangswege der Angebote. 60 Initiatoren von Präventionsprojekten erhielten den Bogen, 38 füllten ihn aus.

Laut Auswertung richten sich die meisten Angebote (47 %) an Erwachsene, knapp ein Drittel an Kinder und Jugendliche und die übrigen an alle drei Altersgruppen. Dabei wendet sich mehr als die Hälfte der Projekte an Menschen mit geringem Bildungsstatus (55%) und/oder geringem Einkommen (53 %). Thematisch dominieren Ernährung, Bewegung, Entspannung und Bewältigungskompetenzen.

Um Teilnehmer zu gewinnen, nutzen Projektinitiatoren verschiedene Zugangswege. Am häufigsten (92 %) wenden sie sich an Einrichtungen wie Kitas, Schulen, Betriebe oder Pflegeheime. Viele (55%) binden zudem Lehrer, Erzieher oder andere Multiplikatoren ein, um für die Teilnahme zu werben. Fast alle Angebote (89 %) kombinieren mehrere Kommunikationswege miteinander – schriftlich, telefonisch und persönlich. Mehr als zwei Drittel setzten zudem gezielte Anreize für die Teilnahme wie Geldbeträge für die vermittelnden Institutionen, Multiplikatoren oder Teilnehmer.

Was die Zugangswege betrifft, so erscheint den Befragten der persönliche Kontakt zur Zielgruppe besonders erfolgreich. Zum Beispiel, indem Projektbeteiligte oder Multiplikatoren direkt auf potenzielle Teilnehmer zugehen. Findet das Angebot in einer Schule, einem Betrieb oder einer ähnlichen Institution statt, sollte man die höheren Funktionsebenen frühzeitig einbinden. Ebenso empfehlen die Befragten eine breite Öffentlichkeitsarbeit, die auch lokale Medien einbezieht. Damit die Teilnehmer Interesse entwickeln können, benötigen sie ausführliche Informationen über Sinn und Zweck des Projekts. Attraktive Themen und Konzepte gelten als weitere Erfolgsfaktoren.

Die befragten Projektinitiatoren raten davon ab, nur schriftlich Kontakt zu Teilnehmern aufzunehmen oder auf eine reine Komm-Struktur zu setzen. Aus ihrer Sicht ist es wenig erfolgversprechend, niedergelassene Ärzte als Multiplikatoren einzubinden. Dies gilt auch für eine hohe Verbindlichkeit, Sprachbarrieren und unzureichende Projekterfahrung.

Aus Sicht der Forscher können die Ergebnisse dabei helfen, die Zielgruppe eines Präventionsprojekts zu erreichen. Dabei gilt es, potenzielle Teilnehmer über verschiedene Zugangswege und Kommunikationsstrategien anzusprechen und im persönlichen Kontakt zu überzeugen.

fk
Gesundheitswesen 2015; 77: 960–965


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Teilhabe und selbstbestimmte Lebensführung unterstützen – Ambulante Reha nach Schlaganfall

Durchlaufen Klienten nach ihrem Schlaganfall eine ambulante Neurorehabilitation, stehen ihre Chancen gut, künftig wieder stärker und selbstbestimmter am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Denn die ambulante Neurorehabilitation erzielt nachweislich positive und nachhaltige Effekte auf die Teilhabe von Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben. Das zeigt eine multizentrische Längsschnittstudie von Forschern um den Diplom-Psychologen Dominik Pöppl von der Ambulanten Reha am Krankenhaus Geilenkirchen. An der Studie nahmen 405 Rehabilitanden aus 17 ambulanten neurologischen Rehazentren in Deutschland teil.

Die Klienten durchliefen eine ambulante neurologische Rehamaßnahme, die sich an den Rahmenempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) orientierte. Um die aufgetretenen Veränderungen zu ermitteln, füllten die Teilnehmer zu vier verschiedenen Zeitpunkten Selbsteinschätzungsbogen wie den Index zur Messung von Einschränkungen der Teilhabe (IMET) aus: zu Beginn und am Ende der ambulanten Maßnahme sowie 4 und 12 Monate später. Außerdem bewerteten die behandelnden Ärzte vor und nach dem Interventionszeitraum die Selbstständigkeit der Klienten, indem sie den „Selbstständigkeits-Index für die Neurologische und Geriatrische Rehabilitation“ einsetzten.

Laut Ergebnissen wirkt sich die ambulante neurologische Rehabilitation mit signifikanten mittleren bis großen Effekten auf den allgemeinen Gesundheitszustand, die Leistungsfähigkeit im Beruf, die Teilhabe und die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Menschen nach einem Schlaganfall aus. Während bei den anderen Outcome-Parametern Schwankungen auftreten, bleiben die positiven Effekte auf die Teilhabe über den gesamten Erhebungszeitraum bestehen. Außerdem sind die Klienten nach der Rehabilitationsmaßnahme selbstständiger als vorher; auch hier treten signifikante Effekte im mittleren Bereich auf. Dabei können sie ihre Werte im Bereich des häuslichen Lebens am stärksten verbessern.

Die Forscher sehen in ihrer Arbeit einen ersten Beleg dafür, dass die ambulante Neurorehabilitation ihren sozialrechtlich verankerten Auftrag erfüllen kann: Menschen nach Schlaganfall in ihrer Teilhabe und selbstbestimmten Lebensführung zu unterstützen.

fk
Akt Neurol 2016; 43: 14–23


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Einrichtungen in der Pflicht – Evidenzbasierte Praxis

Fördern Einrichtungen systematisch eine evidenzbasierte Praxis (EBP), wirkt sich das auf Arbeitskultur, professionelle Identität und Arbeitsweise ihrer Ergotherapeuten aus. Das schlussfolgern Forscher um die Ergotherapeutin Dr. Sally Bennett von der University of Queensland in Brisbane, Australien.

Die Wissenschaftler interviewten 30 Ergotherapeuten, die im ortsansässigen Princess Alexandra Hospital in verschiedenen Bereichen der Erwachsenenrehabilitation arbeiteten. Die ergotherapeutische Abteilung hatte vor einigen Jahren das „Research and Evidence in Practice Model (REP)“ entwickelt und eingeführt, um die Ergotherapeuten zu einer evidenzbasierten Praxis zu befähigen.

Den Ergebnissen zufolge gehören die meisten teilnehmenden Ergotherapeuten (53 %) der Generation zwischen 20 und 29 Jahren an, während das Altersspektrum insgesamt von 20 bis 59 Jahren reicht. Alle Ergotherapeuten verfügen über einen akademischen Abschluss und arbeiten seit mindestens einem Jahr in einem spezialisierten Bereich, zum Beispiel in der geriatrischen Rehabilitation oder in der Handtherapie. Im Interview beschreiben sie Erfahrungen und Eindrücke, die sich vier großen Themen zuordnen lassen: Erstens hat die Einführung des EBP-Modells die Arbeitskultur in der Einrichtung verändert – Forschung und EBP werden nun wertgeschätzt und gefördert. Zweitens bietet das Programm den Ergotherapeuten eine klare Struktur, um ihre Forschungs- und EBP-Aktivitäten auszurichten. Das stärkt ihre professionelle Identität. Drittens spricht die Initiative auch ihre Gefühle an – sie sind stolz darauf, Teil ihrer Einrichtung zu sein und auf diese Weise an Forschungsaktivitäten und einer evidenzbasierten Praxis teilzuhaben. Gleichzeitig motiviert sie die neue Arbeitskultur und stärkt ihr Vertrauen in die eigenen klinischen Entscheidungen. Andererseits geraten sie durch die gestiegenen Anforderungen unter Druck: Sie sind ständig gefordert, auf dem Laufenden zu bleiben. Indem sie aktuelle Forschungserkenntnisse in die Praxis umsetzen, ändert sich wiederum ihre Arbeitsweise, das vierte große Thema dieser Studie.

Aus Sicht der Forscher können einrichtungsbezogene Initiativen Ergotherapeuten maßgeblich darin unterstützen, eine evidenzbasierte Praxis zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. Bei der Forderung nach mehr Evidenzbasierung gilt es daher, die organisationsbezogenen Faktoren stärker zu berücksichtigen.

fk
Aust Occup Ther J 2016; 63: 9–18


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