ergopraxis 2016; 9(06): 14-16
DOI: 10.1055/s-0042-105146
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Internationale Studienergebnisse


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Publication Date:
03 June 2016 (online)

 

Betätigungsorientierter Einsatz möglich – Elektrische Muskelstimulation

Ergotherapeuten können die elektrische Muskelstimulation bei Klienten nach Schlaganfall und mit einer Hemiparese der oberen Extremität betätigungsorientiert einsetzen. Zu diesem Schluss kamen die Ergotherapiestudentinnen Stephanie Korbuly und Tina Schweizer in ihrem Bachelorprojekt an der Fachhochschule Wiener Neustadt in Österreich.

In ihrer Studie ging es den Forscherinnen hauptsächlich darum, inwieweit die elektrische Muskelstimulation mit dem Berufsbild der Ergotherapie, insbesondere der Betätigungsorientierung, vereinbar ist. Um den Einsatz und die Wirksamkeit der Therapiemaßnahme zu untersuchen, führten sie eine Literaturrecherche durch. Von 123 gefundenen Artikeln entsprachen elf ihren zuvor definierten Einschlusskriterien. Anhand des Canadian Practice Process Framework (CPPF) analysierten die Forscherinnen, ob die elektrische Muskelstimulation mit den Zielsetzungen der Ergotherapie vereinbar ist.

Sie kamen zu dem Schluss, dass eine klientenzentrierte Zielfindung zum Beispiel mithilfe des Canadian Occupational Performance Measure (COPM) gut umsetzbar ist. Sobald Ergotherapeuten die elektrische Muskelstimulation nicht nur mit repetitiven Übungen nutzen, sondern auch mit alltagsorientierten Aufgaben kombinieren, gestalten sie die Therapieinhalte betätigungsorientiert. Im Bereich der Selbstversorgung bietet es sich zum Beispiel an, Geschirr abzutrocknen oder Kleidung zusammenzufalten. Der Grad der Anforderung lässt sich variieren, indem man beispielsweise die Anzahl an Wiederholungen steigert.

Damit bestätigen die Ergebnisse, dass Ergotherapeuten die elektrische Muskelstimulation sinnvoll und betätigungsorientiert einsetzen können. Zudem grenzen sie sich dadurch von anderen Berufsgruppen ab. Dennoch ist die Aussagekraft der Forschungsarbeit eingeschränkt. Dies liegt unter anderem an der geringen Anzahl einbezogener Studien sowie an deren methodischen Schwächen. Außerdem konnte das Bachelorprojekt nicht alle Fragen beantworten. Offen bleibt zum Beispiel, wie Ergotherapeuten das Setting bestmöglich gestalten können.

lk

ergoscience 2016; 11:21–30


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Handlungsbasierte Interventionen auf dem Vormarsch – Abhängigkeitserkrankungen

Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen profitieren von handlungsbasierten Interventionen, die sich auf die Bereiche Freizeit, soziale Teilhabe und Arbeit konzentrieren. Das zeigt eine systematische Übersichtsarbeit von Forschern um die Ergotherapeutin Sally Wasmuth von der University of Indianapolis, USA.

Die Forscher recherchierten randomisierte und quasi-experimentelle Interventionsstudien. Von 66 gefundenen Arbeiten erfüllten 34 die aufgestellten Einschlusskriterien. Diese Studien verglichen handlungsbasierte Interventionen mit einer Vielzahl von Kontrollangeboten wie Psychotherapie, kognitiv-verhaltensbezogener Therapie oder herkömmlicher Ergotherapie. Die Forscher synthetisierten 26 Arbeiten qualitativ und analysierten acht Arbeiten quantitativ.

Wie die Ergebnisse zeigen, nutzen Therapeuten bei Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen vorrangig Aktivitäten aus drei Handlungsbereichen: Freizeit, soziale Teilhabe und Arbeit. In den Studien kommen am häuflgsten Freizeitaktivitäten zum Einsatz wie Joggen, Tai Chi oder Musizieren. Am zweithäufigsten setzen Therapeuten handlungsbasierte Interventionen ein, die sich auf die soziale Teilhabe beziehen. Etwa indem sie ihre Klienten darin unterstützen, in einer therapeutischen Gemeinschaft soziale Rollen zu übernehmen und miteinander zu interagieren.

Im Vergleich zu den Kontrollgruppen erzielen handlungsorientierte Interventionen in den Bereichen soziale Teilhabe und Arbeit jeweils bessere Outcomes. Die freizeitbezogenen Interventionen sind den Kontrollinterventionen hingegen nur teilweise überlegen. Außerdem zeigt die quantitative Analyse, dass die handlungsbasierten Interventionen schwache Effekte auf dem „Addiction Severity Index“ (ASI) und dem „Beck Depression Inventory“ (BDI) erzielen können. Künftige Forschungen sollten auch Interventionen aus weiteren relevanten Handlungsbereichen berücksichtigen, etwa der Selbstversorgung.

fk

J Subst Abuse Treat 2016; 62: 1–9


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BORA – Berufliche Orientierung in der Reha Abhängigkeitserkrankter

Um den Erwerbs bezug abhängigkeits erkrankter Menschen zu verbessern, gilt es

  • → den Rehabilitanden zu motivieren, sich mit erwerbsbezogenen Themen auseinanderzusetzen,

  • → die Leistungsfähigkeit und den Förderbedarf des Rehabilitanden einzuschätzen,

  • → Fähigkeiten, Fertigkeiten und Belastbarkeit abzuklären,

  • → erwerbsbezogene Förderfaktoren zu stärken,

  • → Barrieren abzubauen und Teilhabehindernisse zu berücksichtigen,

  • → die individuellen Vermittlungsmöglichkeiten einzuschätzen sowie

  • → Perspektiven zur beruflichen (Re-)Integration zu entwickeln.

fk

→ Arbeitsgruppe BORA. Empfehlungen zur Stärkung des Erwerbsbezugs in der medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter. BORA; 2014


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Reha bei Alkoholabhängigkeit – Therapiestandards bieten Orientierung

Als Instrument der Qualitätssicherung veröffentlichte die Deutsche Rentenversicherung im März 2016 ihre überarbeiteten „Reha-Therapiestandards Alkoholabhängigkeit". Diese bieten dem Rehabilitationsteam Entscheidungshilfen, um das therapeutische Angebot für Menschen mit Alkoholabhängigkeit evidenzbasiert und bedarfsgerecht zu gestalten.

fk

www.deutsche-rentenversicherung.de


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Ein Anruf genügt nicht! – Sturzprävention

Was ein einmaliger ergotherapeutischer Hausbesuch schafft, kann der bloße Anruf eines Ergotherapeuten nicht leisten: das Sturzrisiko von Frauen zu senken, die nach einer Hüftfraktur die Rehaklinik wieder verlassen haben. Zu diesem Schluss kamen Forscher um Marco Di Monaco vom Presidio Sanitario San Camillo in Turin, Italien.

Sie hatten bereits in einer quasi-randomisierten kontrollierten Studie herausgefunden, dass ein einmaliger ergotherapeutischer Hausbesuch das Sturzrisiko von Frauen, die eine Hüftfraktur erlitten hatten, signifikant verringert. In der aktuellen Untersuchung gingen sie nun der Frage nach, ob ein einmaliger Telefonanruf eines Ergotherapeuten den gleichen Effekt erzielt. Dazu werteten sie die Daten von 153 Frauen aus, die sie zuvor nach dem Zufallsprinzip einer Experimental- oder Kontrollgruppe zugeordnet hatten. Während ihres Rehaaufenthaltes durchliefen alle Frauen ein multidisziplinäres Rehaprogramm, das Ergo- und Physiotherapie einschloss und Maßnahmen zur Sturzprävention beinhaltete. Außerdem bekamen sie den Auftrag, nach ihrer Entlassung alle Stürze zu dokumentieren. Etwa 18 Tage nach ihrem Aufenthalt erhielten nur die Frauen der Experimentalgruppe einen Anruf von einem Ergotherapeuten. In diesem Gespräch überprüfte der Therapeut mögliche umweltbezogene Gefährdungen und besprach mit den Frauen, wie sie ihre Aktivitäten des täglichen Lebens durchführten sowie – falls vorhanden – sie ihre Hilfsmittel einsetzten. Zudem bestärkte er sie darin, Modifikationen zu nutzen, um Stürze zu verhindern. Sechs Monate später wurden die Frauen erneut von einem Ergotherapeuten kontaktiert. Diesmal mit dem Ziel, die Anzahl der aufgetretenen Stürze zu ermitteln – das primäre Outcome der Studie. Außerdem erkundigte sich der Therapeut, ob die Frauen die Empfehlungen zur Sturzprävention eingehalten hatten.

Etwa jeder dritte selbststäig lebende Senior über 65 Jahre stüindestens einmal pro Jahr. Bei den über 80-Jäigen ist es schon jeder Zweite.

Eur J Phys Rehab Med 2015; 51: 15–22

Die Ergebnisse zeigen, dass ein einmaliger Anruf durch einen Ergotherapeuten das Sturzrisiko von Frauen nach einer Hüftfraktur nicht senkt. Nach ihrer Entlassung stürzten in beiden Gruppen etwa gleich viele Frauen. In der Experimentalgruppe traten sogar mehr Frakturen auf. Ebenso fanden sich keine Belege dafür, dass die angerufenen Frauen die Empfehlungen zur Sturzprävention besser umsetzten. Somit kann ein einmaliger Anruf den Hausbesuch eines Ergotherapeuten nicht ersetzen. Um dieses Ergebnis zu untermauern, sollten zukünftige Studien die Effekte beider Interventionen direkt miteinander vergleichen.

fk

Eur J Phys Rehab Med 2015; 51: 15–22


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