Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0042-103109
Fragen aus der Facharztprüfung Neurologie
Publication History
Publication Date:
30 March 2016 (online)

-
Nozizeptive Schmerzen entstehen durch die Aktivierung peripherer Nozizeptoren am betroffenen Gewebe. Die hier generierten Signale werden zum ZNS weitergeleitet und entsprechen im Ausmaß in etwa dem entstandenen oder potenziellen Gewebsschaden.
-
Neuropathische Schmerzen hingegen entstehen nicht durch die Aktivierung gewebsgebundener Nozizeptoren, sondern durch die direkte Schädigung von Nervengewebe. Der neuropathische Schmerz wird darüber hinaus durch eine spezifische unphysiologische somatosensorische Fortleitung im peripheren wie im zentralen Nervengewebe unterhalten.
-
Der idiopathische oder auch psychogene Schmerz entsteht und wird unterhalten, obwohl eine organische Quelle des Schmerzes nicht vorhanden bzw. nicht nachzuweisen ist.
Akute Schmerzen sind aktuell oder gerade aufgetreten und sollten innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen wieder sistieren. Schmerzen, die hingegen persistieren oder regelmäßig wiederkehren, werden als chronisch bezeichnet.
In früheren Definitionen wurde eine Zeitachse von mindestens 3 – 6 Monaten für die Definition des chronischen Schmerzes herangezogen. Neuere Definitionen berücksichtigen jedoch auch die biologische Funktion sowie den zugrunde liegenden Pathomechanismus. Hiernach ist Schmerz dann als chronisch definiert, wenn er
-
für mindestens einen Monat über die normale Dauer der zugrunde liegenden Erkrankung oder des Heilungsprozesses besteht,
-
mit einem chronisch pathologischen Mechanismus assoziiert ist oder
-
in Intervallen von Monaten bis Jahren regelmäßig wiederkehrt.
Typisch sind
-
spontane Schmerzen (brennende Schmerzen, einschießende und lanzinierende Schmerzen ohne Provokation)
-
Parästhesie und Dysästhesie
-
Hyperalgesie
-
Hyperpathie
-
Allodynie
-
Hyperalgesie = eine übertriebene Schmerzantwort, die durch einen schmerzhaften Stimulus ausgelöst wird
-
Hyperpathie = eine übertriebene Schmerzantwort, die durch einen schmerzhaften oder nicht schmerzhaften Stimulus ausgelöst wird
-
Allodynie = eine schmerzvolle Antwort zu einem nicht schmerzhaften Stimulus
-
zeitliche Aspekte (akut oder chronisch, Schmerzdauer, tageszeitliche Änderung sowie zeitlicher Verlauf von Intensität und Ausbreitung)
-
Schmerzqualität (brennend, stechend, krampfartig, pulsierend)
-
Intensität (z. B. nach visueller Analogskala)
-
Topografie (lokal, ausstrahlend, oberflächlich oder tief)
-
zugrunde liegende Pathophysiologie (nozizeptiver, neuropathischer oder psychogener Schmerz)
-
Ätiologie des Schmerzes
-
physische Beeinträchtigung (spezielle Behinderung, Reduktion täglicher Aktivitäten, Gehbeschwerden, Schlafstörungen, Appetitverlust, Gewichtsverlust)
-
psychische Beeinträchtigung (affektive Symptomatik, psychiatrische Komorbidität, sekundärer Krankheitsgewinn)
-
soziale Beeinträchtigung (soziale Isolation, Vorhandensein von Gerichtsstreitigkeiten)
-
weitere Anamnese
Nach der Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes wird das CRPS mit 4 Kriterien definiert, von denen 3 für die Diagnose vorhanden sein müssen:
-
das Vorhandensein eines auslösenden Bewegungsmechanismus oder ein Grund für eine Immobilisation
-
ein fortgesetzter Schmerz, eine Allodynie oder Hyperalgesie mit Schmerzen, die unproportional zum initialen Ereignis sind
-
Nachweis für erstes temporäres Auftreten eines Ödems, Änderung der Hautdurchblutung, einer pathologischen sudomotorischen Aktivität im Gebiet des beklagten Schmerzes
-
Abwesenheit einer Erkrankung, die ihrerseits Umfang und Ausmaß des empfundenen Schmerzes rechtfertigen würde
Das CRPS zeichnet sich insbesondere durch seinen brennenden Schmerzcharakter aus, durch die Hyperästhesie, die veränderte vasomotorische Funktion sowie durch dystrophische Veränderungen, die normalerweise zunächst graduell über Tage und Wochen beginnen, auch wenn die Verletzung innerhalb von wenigen Stunden manifest war. Das Syndrom kann mehrere Stadien durchlaufen und Wochen bis Monate bestehen.
Die Diagnose eines CRPS wird zunächst klinisch gestellt. Der beste diagnostische Test ist die neuronale Blockade in Kombination mit einer Placeboinjektion in das ipsilaterale Ganglion stellatum.
Auch wenn frühere radiologische Studien die fleckförmige Demineralisation als diagnostisches Kriterium herangezogen haben, bleibt festzuhalten, dass diese Veränderungen in der Regel erst in späteren Stadien auftreten. Eine weitere vielfach diskutierte Methode ist die Anwendung epiduraler Anästhesien, wobei die Aufhebung des Schmerzes durch eine niedrige Dosierung für einen primär sympathisch vermittelten Schmerz spricht, während die Notwendigkeit hoher Dosierungen auf eine primär periphere Schädigung zurückzuführen ist.
-
Stadium 1 ist als akutes Stadium mit starken Schmerzen vergesellschaftet, die unproportional zur erfolgten Verletzung sind.
-
Stadium 2 geht als dystrophisches Stadium mit einer ödematösen Gewebsveränderung einher.
-
Stadium 3 ist das atrophische Stadium, das durch eine irreversiblen Gewebsschaden charakterisiert ist.
-
Die Schmerzcharakteristik im Stadium 1 wird meist als brennend beschrieben. Ödematöse Veränderungen, Temperaturfehlregulierung sowie verändertes Haar- und Nagelwachstum können vorhanden sein.
-
Im Stadium 2 ist die Haut induriert, schlecht durchblutet, kalt und livide bzw. zyanotisch verfärbt. Haarverlust an den betroffenen Abschnitten kann ebenso auftreten wie dystrophische Veränderungen der Nägel. Der Schmerz ist konstant vorhanden und nimmt bei Stimulation des betroffenen Abschnittes deutlich zu.
-
Im Stadium 3 erscheint die Haut dünn und glänzend in Verbindung mit erhöhtem Beugetonus oder Kontrakturen. Einfache Röntgenaufnahmen zeigen eine deutliche Demineralisation der Knochen.
Die Diagnose erfolgt im Wesentlichen klinisch. Der beste diagnostische Test zur Diagnosesicherung eines CRPS der oberen Extremität ist weiterhin die neuronale Blockade, u. U. auch in Kombination mit Placeboinjektionen oder auch epiduralen Blockaden.
Einige Autoren führen epidurale Spinalblockaden durch, um durch Auftitrieren des Anästhetikums eine Differenzierung zwischen primär sympathisch vermittelten Schmerzen (die sich bereits bei niedrigen Konzentrationen bessern sollten) und primär peripheren Nervenschmerzen zu erreichen, die deutlich höhere Konzentrationen bräuchten. Diese Vorgehensweise ist jedoch weiterhin umstritten.
Spezifische technische Untersuchungen gibt es relativ wenige. Neben den röntgendiagnostischen Aufnahmen, die fleckförmige Demineralisationen zeigen können, stehen Szintigrafien mit 99Technetium zur Verfügung, die eine erhöhte Aufnahme bzw. einen erhöhten Umsatz des Tracers im periartikulären Raum der betroffenen Extremitäten zeigen sollen. Beide Untersuchungen weisen jedoch nur bei späteren Stadien entsprechende Veränderungen nach.
Die Therapie erfolgt im Wesentlichen durch eine Blockade der sympathischen Überaktivitäten. Ein entscheidender Aspekt zur erfolgreichen Therapie des CRPS ist die rechtzeitige Diagnose und frühzeitige Initiierung der therapeutischen Maßnahmen.
Auch Krankengymnastik hat einen positiven Effekt auf ein CRPS, doch sind viele Patienten aufgrund der starken Schmerzen nicht in der Lage, Krankengymnastik oder auch Ergotherapie durchzuführen. Die Wirkung von Kortikosteroiden wurde in früheren Studien mit uneinheitlichen Ergebnissen untersucht.
Die Fibromyalgie besteht aus einer Gruppe zentraler Symptome, die meist in Kombination mit weiteren Symptomkomplexen auftreten. Die wesentlichen zentralen Symptomkomplexe sind ein generalisiertes Schmerzempfinden, eine erniedrigte Schmerzschwelle sowie eine über den Körper verteilte Empfindlichkeit an speziellen anatomischen Punkten, die als „Tender-Points“ bezeichnet werden.
Nach wie vor sind trizyklische Antidepressiva, teilweise in Verbindung mit nicht steroidalen Antirheumatika, Mittel der ersten Wahl in der Behandlung der Fibromyalgie.
Andere therapeutische Maßnahmen wie Physio- und Ergotherapie, Akupunktur oder auch transkutane Nervenstimulation haben ebenso wie Biofeedback oder Psychotherapie zu keinen nennenswerten therapeutischen Durchbrüchen geführt. In der jüngsten Zeit wurden auch selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer getestet, die ebenfalls ohne therapeutischen Nutzen zu sein scheinen. Ob selektive Serotonin-/Noradrerialin-Wiederaufnahme-Hemmer therapeutisch wirksam sind, ist derzeit Gegenstand mehrerer klinischer Studien.
Postherpetische Schmerzen gehören mit zu den schwersten neuropathischen Schmerzen. Der Schmerz entsteht wahrscheinlich durch die Zerstörung sensibler Ganglionneurone, insbesondere des Spinalganglions. Der Schmerz kann, wie für eine Neuralgie typisch, spontan stechend und von hoher Intensität sein, aber auch konstant als tiefer, brennender Schmerz empfunden werden. Darüber hinaus verspüren viele Patienten eine Allodynie im betroffenen Gebiet, sodass bereits leichte Berührungen Schmerzphasen und -attacken auslösen können. Ausmaß und Intensität der Schmerzen sollen mit dem Umfang des Neuronuntergangs im betroffenen Ganglion einhergehen.
Das Auftreten postherpetischer Neuralgien ist altersabhängig und kommt bei bis zu 50 % der Patienten über 50 Jahre vor, die eine Herpeszoster-Infektion durchgemacht haben, und bei bis zu 80 % der Patienten über 80 Jahre. Chronische postherpetische Neuralgien treten bei ca. 10 – 15 % aller Patienten auf.
Standardanalgetika sind in der Regel unwirksam in der Behandlung neuralgiformer Schmerzsyndrome. Grundsätzlich kann eine erneute – soweit noch nicht erfolgt – Eindosierung von Aciclovir vorgenommen werden. Die Schmerztherapie wird dann mit einem klassischen Natriumkanalblocker vorgenommen, wie Carbamazepin, Lamotrigin, Phenytoin oder neueren Substanzen wie Zonegran oder Lacosamid. Alternativ können auch Gabapentin, Pregabalin und retardierte Opioide eingesetzt werden.
Seit 2008 ist ein Lidocain-Pflaster (5 %) zugelassen, das in mehreren Studien eine analgetische Wirkung bei der postherpetischen Neuralgie zeigen konnte. Es wird für 12 Stunden direkt auf die betroffene Stelle geklebt. Das Pflaster kann aber nur auf intakten Hautarealen angewendet werden. Bei großflächigen, schmerzhaften Wunden hat sich auch die topische Behandlung mit Amantadin bewährt (nicht zugelassen). In therapierefraktären Fällen kann außerdem eine intrathekale Methylprednisolon- und Lidocain-Injektion versucht werden. Zwei größere Studien zeigten unter dieser Therapie eine signifikante Schmerzreduktion bzw. Schmerzfreiheit für einen Großteil der Patienten.
Die isolierte Schädigung des ventroposterior-lateralen sowie ventroposterior-medialen Kerngebietes im Thalamus kann zu zentralen Schmerzen führen, die durch ein kontinuierliches brennendes Gefühl, gelegentlich auch scharfe einfallende Schmerzen gekennzeichnet sind und die Extremitäten einer Seite oder auch eine Körperhälfte betreffen.
Grundsätzlich können 3 Gruppen von Medikamenten unterschieden werden:
-
Opioide
-
nicht opioide Analgetika
-
ergänzende Analgetika
-
Zur Gruppe der Opioide gehören Agonisten, partielle Agonisten sowie gemischte Agonisten und Antagonisten.
-
Zu den nicht opioiden Analgetika gehören nicht steroidale Antirheumatika (wie Ibuprofen, Diclofenac) sowie Substanzen, die sich nicht in die Gruppe der Cyclooxygenasehemmer subsumieren lassen, wie z. B. Paracetamol und Metamizol.
-
Zur dritten Gruppe, den ergänzenden Analgetika, gehören Antidepressiva, Antikonvulsiva, Spasmolytika, Lokalanästhetika, Benzodiazepine, Muskelrelaxanzien, Neuroleptika, Kortison und andere GABAerge Substanzen sowie zentrale α-adrenerge Agonisten.
Wahrscheinlich wirken trizyklische Antidepressiva (TCA) durch die Hemmung der Wiederaufnahme von Serotonin oder Noradrenalin in zentralen Strukturen. Am ehesten werden durch die Erhöhung der angesprochenen Neurotransmitter deszendierende adrenerge und serotoninerge Bahnsysteme, die der Modulation des Schmerzes dienen, verstärkt und führen so insgesamt zu einer Reduktion der Schmerzwahrnehmung.
Bei schmerzhaften Knocheninfiltrationen in Rahmen von Krebserkrankungen müssen häufig Kombinationstherapien aus Opioiden, nicht steroidalen Antirheumatika und Kortikosteroiden eingesetzt werden. Auch die zusätzliche Gabe von trizyklischen Antidepressiva kann hier zu einer deutlichen Symptombesserung führen.