Neonatologie Scan 2016; 05(01): 1
DOI: 10.1055/s-0042-102781
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wärme und Kälte

Axel Huebler
,
Gerhard Jorch
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Publication History

Publication Date:
14 March 2016 (online)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Warmhalten und Nahrungszufuhr waren vor Entwicklung der modernen Neonatologie ab Ende der 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts die einzigen Mittel, auch kleine Frühgeborene am Leben zu erhalten. So liegt den Herausgebern die schriftliche Dokumentation einer Mutter aus dem westfälischen Raum vor, die bereits im Jahre 1921 Zwillinge mit einem Geburtsgewicht von 500 g durch Hausgeburt zur Welt brachte und eines der beiden daheim allein durch Warmhalten und Einträufeln von verdünnter Milch gesund am Leben erhielt. Solche „Wunder“ gelangen natürlich nur, wenn mindestens die spontane Atemtätigkeit hinreichend und auch sonst viel Glück mit im Spiel war.

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… möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich ein noch kleineres Kind geboren und ganz allein großgezogen habe. Am 21. Juli 1921 wurde ich durch Herrn Dr. … und die Hebamme Frau … von einem Zwillingspaar entbunden. Nach Feststellung des Herrn Dr. … waren die Kinder (2 Mädchen) knapp 7 Monate. Die Erstgeborene wog etwas weniger als 500 g, war 30 cm lang. Die zweite wog zwar mehr, starb aber nach 27 Stunden. Die Erstgeborene ist ein wenngleich zartes, so doch Gott sei Dank geistig und körperlich ganz gesundes Kind, und wiegt über 60 Pfund. Da das Kind zum Säugen zu schwach war, und ich darum die Nahrung verlor, fütterte ich es mit verdünnter Kuhmilch, die ich ihr Tag und Nacht stündlich mit einem Mokkalöffel einflössen musste. … Geschrieben am 17. März 1932

Heute haben auch früh- und reifgeborene Neugeborene eine Chance, denen die Natur keinen mit Glück prall gefüllten Sack mit auf den Weg gegeben hat. Selbst in schwierigen Beatmungssituationen bietet der neonatologische Handwerkskoffer mittlerweile eine Reihe von Optionen an, die im Einzelfall den lebensrettenden Mehrwert liefern können. In diesem Heft schildert Ulrich Thome, wie mit Beatmungsfrequenzen von bis zu 900/min Neugeborene mit Lungenversagen gerettet werden können.

Auch die unterbrechungsfreie Wärmezufuhr wurde immer mehr verfeinert und hat sich zu einer eigenen Wissenschaft entwickelt. Umso überraschter waren wir vor 15 Jahren, als erste klinische Studiendaten darauf hinwiesen, dass nicht Wärme, sondern dosierte Kälte die zerebrale Prognose asphyktischer Neugeborener zu verbessern schien. Mit einer „number to treat“ von 6 auf einen erfolgreichen Verlauf war der positive Effekt weit höher als bei den meisten neu eingeführten Medikamenten in der Medizin. Die Übertragung dieser Methode auf andere Indikationen und Patientengruppen außerhalb der neonatalen Asphyxie hingegen hat sich aus letztlich unbekannten Gründen bisher als weniger erfolgreich erwiesen. Amelie Waldthaler und Andreas Flemmer schildern in einem didaktisch hervorragenden Artikel den aktuellen Stand der Anwendung der milden Hypothermie beim asphyktischen Neugeborenen. Diese ist spätestens seit 2010 Therapiestandard.

Ihre Herausgeber

PD Dr. med. Axel Hübler
Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Klinikum Chemnitz gGmbH

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch
Direktor der Universitätskinderklinik Magdeburg

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