Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84(02): 96-98
DOI: 10.1055/s-0042-101591
Facharztfragen
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Fragen aus der Facharztprüfung Neurologie

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Publication Date:
08 March 2016 (online)

Unterscheidet sich die Kopfschmerzsymptomatik bei Subarachnoidalblutungen bei jüngeren im Vergleich zu älteren Patienten?
Antwort:

Ja, bei älteren Patienten kann die Kopfschmerzintensität deutlich geringer sein, sodass die Kopfschmerzen neben den anderen Symptomen in den Hintergrund treten, während sie bei jüngeren Patienten das absolut führende Symptom sind.

Kommentar:

Bei älteren Patienten können sich neben den Kopfschmerzen auch Verwirrtheitszustände oder neuropsychologische Defizite zeigen, die die Kopfschmerzsymptomatik überlagern.

Welche Symptome sind bei Subarachnoidalblutungen neben Kopfschmerzen noch zu erwarten?
Antwort:

Meningismus, Übelkeit und Erbrechen sowie neurologische Ausfälle.

Kommentar:

Hierzu zählen insbesondere Sensibilitätsstörungen, auch motorische Ausfälle sowie Krampfanfälle.

Welche Ischämien (nicht Blutungen) können Kopfschmerzen verursachen?
Antwort:

Insbesondere Ischämien im Bereich der A. cerebri posterior können okzipital lokalisierte Kopfschmerzen bereiten.

Kommentar:

Ischämien im Gebiet der A. cerebri anterior und media verlaufen dagegen schmerzlos.

Eine 25-jährige, leicht übergewichtige Patientin mit hormoneller Antikonzeption entwickelt seit 2 – 3 Wochen einen langsam zunehmenden holokraniellen Kopfschmerz, der therapierefraktär bleibt. Nach 2 Wochen treten ferner erstmalig Sensibilitätsstörungen der linken Körperhälfte auf. Welche Differenzialdiagnose stellen Sie als erste?
Antwort:

Sinusvenenthrombose des Sinus sagittalis superior oder transversus rechts.

Kommentar:

Die Differenzialdiagnose einer Sinusvenenthrombose ergibt sich hier aus einer klassischen Konstellation von mehreren Symptomen. Wegweisend ist der holokranielle Kopfschmerz, der therapierefraktär bleibt oder unter Schmerzmedikation sogar weiter zunimmt. Darüber hinaus treten Sinusvenenthrombosen, insbesondere bei Vorliegen mehrerer klassischer Risikofaktoren wie Übergewicht, hormonelle Antikonzeption in Verbindung mit Nikotinabusus, auf. Bei Patienten ohne vaskuläre Risikofaktoren muss unbedingt an eine genetische Koagulopathie gedacht werden.

Mit welchen Symptomen ist bei einer Sinusvenenthrombose neben Kopfschmerzen noch zu rechnen?
Antwort:

Mit fokalen Krampfanfällen, Stauungspapillen, Bewusstseinsstörungen, neuropsychologischen Veränderungen.

Kommentar:

Selten können auch generalisierte Krampfanfälle auftreten.

Wie wird die Diagnose der Sinusvenenthrombose am besten gesichert und welche Untersuchungen sollten weiter erfolgen?
Antwort:

Die Sicherung der Sinusvenenthrombose (SVT) erfolgt kernspintomografisch. In der weiteren Diagnostik müssen insbesondere gerinnungsrelevante Erkrankungen ausgeschlossen werden (Protein-S-, Protein-C- Mangel, andere Gerinnungserkrankungen etc.).

Kommentar:

Modernere Spiral-CTs haben eine vergleichbar hohe Auflösung wie die MRT und können die Diagnose ebenfalls sichern. Auch erhöhte D-Dimere können auf eine SVT hinweisen.

Welche Erkrankungen, die Kopfschmerzen als Hauptsymptom führen, müssen in jedem Falle mit einer Vollheparinisierung behandelt werden?
Antwort:

Dissektionen der A. carotis und der A. vertebralis sowie Sinusvenenthrombosen.

Kommentar:

Auch wenn die Indikation zur Heparinisierung bei diesen 3 Erkrankungen unstrittig ist und den Leitlinien der Fachgesellschaften entspricht, ist die Dauer der Heparinisierung eher unklar. Studien zur Dauer liegen nicht vor. Im Allgemeinen wird jedoch eine Heparinisierung von 10 – 14 Tagen und dann eine Umstellung auf orale Antikoagulation vorgeschlagen. Die Therapie wird in der Regel für 6 Monate beibehalten. Hierbei handelt es sich aber um rein empirische Festlegungen, die durch Studien nicht abgesichert sind.

Ein 30-jähriger Patient beklagt rechtsseitige Kopfschmerzen, die seit 2 – 3 Tagen bestehen. Ferner zeigt sich eine leichte Anisokorie mit einer Myosis des rechten Auges. Welches ist die wahrscheinlichste Differenzialdiagnose?
Antwort:

Ein Dissektion der A. carotis rechts.

Kommentar:

Einseitige Kopfschmerzen, die mit einem Horner-Syndrom oder auch einem inkompletten Homer-Syndrom einhergehen, sind fast ausschließlich durch Dissektionen bedingt. Diese können traumatisch, nach Einrenkmanövern der Halswirbelsäule, aber auch ohne erkennbares Trauma oder im Rahmen einer fibromuskulären Dysplasie entstehen.

Wie können Dissektionen der A. vertebralis oder A. carotis am besten gesichert werden?
Antwort:

Durch die Kombination von Duplexsonografie und Kernspintomografie.

Kommentar:

In der Duplexsonografie zeigen sich typische Flussveränderungen im Sinne einer Stenose, die jedoch nicht immer eindeutig vorhanden sein müssen. Kernspintomografisch sind jedoch in den axialen fettsupprimierten Schichten besonders gut die perivaskulären Wandhämatome im Bindegewebe an der Dissektionsstelle erkennbar.

Eine 60-jährige Patientin ohne Kopfschmerzerkrankung in der Vorgeschichte hat seit etwa 1 Woche einen einseitigen, überwiegend temporolateral betonten Kopfschmerz sowie einen druckdolenten Hautabschnitt. Die BSG ist normal. Welche Differenzialdiagnose ist am wahrscheinlichsten?
Antwort:

In diesem Fall ist die Arteriitis temporalis die wichtigste Differenzialdiagnose.

Kommentar:

Die BSG ist zwar in den meisten Fällen deutlich erhöht, je nach Stadium der Erkrankung kann die BSG auch bei bereits bestehender Schmerzsymptomatik aber (noch) keinerlei Auffälligkeiten zeigen. Eine unauffällige BSG schließt die Diagnose einer Arteriitis temporalis daher nicht aus. Die Diagnosesicherung erfolgt in der Zusammenschau von Klinik, Verlauf, neurologischer Untersuchung sowie Duplexsonografie der A. temporalis.

Welche klinischen Symptome sind bei der Arteriitis temporalis neben den Kopfschmerzen noch zu erwarten bzw. zur Sicherung der Diagnose zu erfragen?
Antwort:

Als weitere Symptome kommen typischerweise vor: belastungsabhängige Schmerzen der ipsilateralen Kaumuskulatur (Claudicatio masticatoria), Missempfindungen der Zunge, Schluckbeschwerden, allgemeine Abgeschlagenheit, Fieber oder Gewichtsverlust.

Kommentar:

Die klassische Situation einer schmerzhaften Temporalarterie, einer visuell sichtbar geröteten Arterie oder auch einer als verhärtet tastbaren Arterie ist nur selten bzw. bei fortgeschrittenen Fällen anzutreffen. Häufiger muss die Diagnose durch das Heranziehen der genannten sekundären Symptome gesichert bzw. eingeengt werden. Die Biopsie hat hier an Bedeutung verloren.

Welche Gefäße können bei der Arteriitis temporalis betroffen sein?
Antwort:

Neben der A. temporalis sind oft auch ophthalmische Äste und intrazerebrale Arterien betroffen. Auch Einzelfälle mit Beteiligung der Karotiden oder aortaler Abschnitte sind beschrieben worden.

Kommentar:

Grundsätzlich handelt es sich um eine segmentale granulomatöse Vaskulitis mittlerer und größerer Arterien.

Wie erfolgt die Therapie der Arteriitis temporalis und wie lange sollte diese durchgeführt werden?
Antwort:

Klassischerweise werden 100 g Prednisolon oral für etwa 2 – 3 Wochen verabreicht, um dann die Dosierung langsam in 10-mg-Schritten auf 10 – 20 mg zu reduzieren. Diese Dosierung sollte dann für 6 – 12 Monate beibehalten werden.

Kommentar:

Bei fortgesetzter klinischer Aktivität (hohe BSG) kann eine Komedikation mit Azathioprin erfolgen.

Welche Differenzialdiagnosen sind bei überwiegend retroorbital gelegenen Kopfschmerzen in Erwägung zu ziehen?
Antwort:

Cluster-Kopfschmerzen, paroxysmale Hemikranie, Tolosa-Hunt-Syndrom, Glaukomanfall, SUNCT-Syndrom.

Kommentar:
  • Cluster-Kopfschmerzen sind vergesellschaftet mit Lakrimation, Myosis und Rhinorrhö.

  • Eine paroxysmale Hemikranie kann ebenfalls mit autonomen Symptomen einhergehen, die Schmerzattacken sind jedoch kürzer als beim Cluster-Kopfschmerz.

  • Beim Tolosa-Hunt-Syndrom handelt es sich um eine granulomatöse Entzündung des Sinus cavernosus, die mit Augenmuskelparesen assoziiert ist.

  • Ein Glaukomanfall (Engwinkelglaukom) ist meist vergesellschaftet mit verschwommenem Sehen oder Sehen von Regenbogenfarben. Der Schmerz strahlt teilweise in die Ohren aus.

Durch welche klinische Symptomatik ist das SUNCT-Syndrom gekennzeichnet?
Antwort:

SUNCT steht für „short lasting unilateral neuralgiform headache attacks with conjunctival injection and tearing“.

Kommentar:

Das Syndrom beginnt typischerweise zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr, ist orbital oder periorbital lokalisiert und streng unilateral. Die Schmerzintensität ist moderat bis schwer und von stechendem und brennendem Charakter. Die Dauer des Schmerzes beträgt zwischen 5 Sekunden und 1 Minute. Eine zeitliche Prädominanz wie beim Cluster-Kopfschmerz (nächtliches Auftreten) gibt es nicht. Im Durchschnitt kommt es zu ca. 30 Attacken pro Tag.

Nennen Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Hemicrania continua und dem „new daily persistent headache“.
Antwort:

Beide Kopfschmerzformen treten abrupt auf, sodass der Patient meistens sogar das Datum des erstmaligen Auftretens benennen kann. Beide Kopfschmerzformen sind durchgehend über Wochen bis Monate, teilweise sogar Jahre vorhanden. Unterschiede: Die Hemicrania continua kann hinsichtlich der Intensität wechseln und sehr ausgeprägt sein sowie vereinzelt von neuralgiformen Komponenten überlagert werden. Der NDPH hingegen zeigt durchgehend die gleiche Schmerzintensität und variiert kaum.

Kommentar:

Die Hemicrania continua ist gut mit Indometacin behandelbar, während der NDPH therapierefraktär bleibt und mit retardierten Opioiden behandelt werden muss.

Eine 60-jährige, normalgewichtige Frau hat seit ca. 4 Jahren nächtliche Kopfschmerzattacken von ungefähr einer Stunde Dauer, von denen sie aufwacht. Alle eingenommenen Schmerz- und Antimigränemittel blieben komplett wirkungslos. Eine kranielle Bildgebung war unauffällig. Welche Diagnose stellen Sie und wie behandeln Sie die Patientin?
Antwort:

Hier handelt es sich am ehesten um einen „hypnic headache“. Die einzige mögliche Behandlungsform ist die Gabe von Lithium. Die Wirkung des Lithiums ist hierbei so ausgeprägt, dass der positive klinische Effekt als diagnostisches Merkmal verwendet werden kann.

Kommentar:

Die Pathophysiologie ist unklar. Manche Patienten berichten auch über eine gute Wirkung von Koffein.

Was versteht man unter einem „Raeder-Syndrom“?
Antwort:

Eine seltene Kopfschmerzerkrankung mit hochparietalen, stechenden, z. T. auch retroorbital gelegenen Kopfschmerzen. Typischerweise treten Zeichen einer Läsion von sympathischen und motorischen Fasern mit Doppelbildern, Miosis sowie leichter Ptosis hinzu.

Kommentar:

In der neueren Literatur wird die Existenz eines eigenständigen „Raeder-Syndroms“ immer wieder angezweifelt und spekuliert, dass es sich hierbei ausschließlich um nicht nachweisbare Dissektionen oder Aneurysmen der A. carotis sowie ihrer Äste handelt.

Eine 45-jährige Patientin ohne Erkrankungen in der Vorgeschichte und ohne Kopfschmerzanamnese klagt über einen seit mehreren Monaten bestehenden diffus lokalisierten Schmerz brennenden Charakters in der rechten Wange. Die neurologische Untersuchung sowie eine kraniale Bildgebung sind unauffällig. Welches ist die wahrscheinlichste Differenzialdiagnose?
Antwort:

Ein chronisch idiopathischer (früher: atypischer) Gesichtsschmerz. Dieser ist meist den gesamten Tag vorhanden, typische Provokationsfaktoren oder vegetative Begleitsymptome fehlen. Im weiteren Verlauf kann sich die Lokalisation des Schmerzes ausdehnen.

Kommentar:

Die Therapie ist undankbar und erfolgt mit trizyklischen Antidepressiva.

In Ihre Sprechstunde kommt eine 43-jährige Patientin, die seit wenigen Wochen zunächst geringe, jetzt seit wenigen Tagen heftige Nacken- und Kopfschmerzen sowie zunehmende Schluckbeschwerden hat. Die Bewegung der HWS ist deutlich einschränkt. Welche seltene Differenzialdiagnose kommt Ihnen sofort in den Sinn und wie therapieren Sie die Erkrankung?
Antwort:

Nackenschmerzen mit Schluckbeschwerden bei sonst unauffälliger Klinik lassen an eine retropharyngeale Tendinitis denken. Die Therapie erfolgt mit einfachen nicht steroidalen Antirheumatika oder einer kurzzeitigen Steroidgabe und ist schnell rückläufig.

Kommentar:

Hierbei handelt es sich um eine Verkalkung der Sehne des M. longus colli, die sehr schmerzhaft sein kann. In der Bildgebung imponiert die hyperintense bzw. signalintense längliche Struktur in Höhe von HWK 2.