Schlüsselwörter
Pflege - Krankenhaus - Rationierung - persönliche Zuwendung - Umfrage
Key words
nursing - hospital - rationing - personal care - national survey
Einleitung
Gegenwärtig stehen die deutschen Krankenhäuser unter einem hohen finanziellen Druck.
Als eine wesentliche Ursache hierfür ist die unzureichende Investitionsförderung der
Bundesländer zu sehen, die (inflationsbereinigt) seit Jahrzehnten zurückgeht. Angesichts
eines Investitionsstaus von ca. 15 Mrd. € [1] werden die Krankenhäuser zunehmend gezwungen, notwendige Investitionen selber zu
finanzieren. Die hierfür erforderlichen Mittel müssen zum Großteil aus den DRG-Erlösen
generiert werden, obwohl diese lediglich die durchschnittlichen Behandlungskosten
abdecken. Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist es wenig verwunderlich, dass gegenwärtig
40–50% der Krankenhäuser Verluste schreiben [1]
[2].
Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation bieten sich den Krankenhäusern 2 grundsätzliche
Strategien. Entweder sie senken die Kosten durch weitere Rationalisierungsmaßnahmen
oder erhöhen die Erlöse über Fallzahlsteigerungen. Vor allem der pflegerische Bereich
erschien in den letzten Jahren von der Kombination aus Kostenbegrenzung und Fallzahlsteigerung
betroffen. Im Vergleich zur Fallzahlsteigerung im Zeitraum 2004–2012 von insgesamt
11% hat sich die Personalausstattung im pflegerischen Bereich (trotz eines Pflege-Förderprogramms
von 2009–2011) mit 3% bzw. 10 000 zusätzlichen Stellen eindeutig unterdurchschnittlich
entwickelt, während bspw. die ärztliche Personalausstattung mit 25% mehr Vollkräften
deutlich überproportional gestiegen ist [3]. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die Pflege keine Erlösrelevanz im DRG-System
besitzt. Zwar wird mit der Pflegepersonalregelung (PPR) ein Instrument zur Messung
des Pflegepersonalbedarfs bei der Kalkulation der DRGs berücksichtigt – dies dient
jedoch (nur) dazu, das vorhandene Personal kalkulatorisch auf die einzelnen DRGs zu
verteilen. Insofern ist die Ausfinanzierung einer bedarfsgerechten Pflege nicht zwangsläufig
gewährleistet. Auch der Pflegekomplexmaßnahmen-Score (PKMS), der über pflegebezogene
Zusatzentgelte zur adäquaten Vergütung hochaufwändiger Pflegeleistungen beitragen
sollte, änderte diese Situation aufgrund hohem Dokumentationsaufwand und begrenzter
Anwendbarkeit kaum [4]
[5].
Versorgungsdefizite in der Pflege
Diverse Studien weisen auf gestiegene Arbeitsanforderungen und die daraus resultierenden
Versorgungsdefizite in der Pflege hin. Im internationalen Vergleich ist vorrangig
festzustellen, dass in Deutschland verhältnismäßig wenig Pflegekräfte eingesetzt werden.
So werden von einer Pflegekraft durchschnittlich 10,5 Patienten pro Schicht betreut
(bei ausschließlicher Betrachtung der qualifizierten Pflegekräfte sind es 13 Patienten),
was im internationalen Vergleich von 12 Ländern den schlechtesten Wert darstellt [6]. Dies ist insbesondere vor dem Kontext zu sehen, dass das Mortalitätsrisiko mit
jedem zusätzlichen zu betreuenden Patienten je Pflegekraft statistisch um 7% steigt
[7].
Auch wenn bei der Pflege bereits mit der Aufhebung der PPR ein Personalabbau beobachtet
werden konnte [8], wurde mit der Einführung des DRG-Systems ein weiterer Anstieg der quantitativen
Anforderungen im administrativen Bereich und ein Rückgang patientennaher Tätigkeiten
festgestellt [9]
[10]. Vor allem bei der Betreuung schwerkranker Patienten mit hohem Betreuungsaufwand
werden von den Pflegekräften oft Mängel in der Versorgung berichtet [11]. Gerade in personalaufwändigen Bereichen (Geriatrie, Intensivstationen) wird häufig
eine unzureichende Besetzung festgestellt, was die Unterlassung notwendiger Pflegeleistungen,
eine unzureichende Beobachtung sowie die Durchführung vermeidbarer Zwangsmaßnahmen
zur Folge hat [12]
[13].
Eine weitere aktuelle Befragung von Pflegekräften zeigt auf, dass über 80% der Pflegekräfte
im Arbeitsalltag Patientengespräche rationieren [14] und bestätigt damit frühere Forschungsergebnisse [15]. Neben Problemen bei der persönlichen Zuwendung werden aber auch von jeder fünften
Pflegekraft Defizite in der Patientenlagerung sowie der Medikamentengabe eingeräumt.
Als Ursachen werden in diesem Zusammenhang die unzureichende Personalausstattung und
organisatorische Aspekte identifiziert. Gleichzeitig wird herausgestellt, dass bezüglich
der impliziten Rationierung von Pflegeleistungen ein erheblicher nationaler Forschungsbedarf
besteht [14].
Außerdem treten bei der pflegerischen Versorgung verstärkt Produktivitätserwägungen
in den Vordergrund [16]. Interessanterweise haben die Patienten noch häufiger als die Pflegekräfte das Gefühl,
dass ihre Behandlung auch von wirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt wird. In dem
Zusammenhang sehen nur noch 59% der Pflegekräfte die zwischenmenschliche Zuwendung
als grundsätzliches Element der pflegerischen Versorgung an [17].
Die angesprochenen Forschungsarbeiten zeigen insgesamt erhebliche Defizite in der
pflegerischen Versorgung auf. Gleichzeitig ist darauf hinzuweisen, dass die Befragungen
weitgehend in der operativ tätigen Pflege (Pflegekräfte/Stationsleitungen) durchgeführt
wurden. Insofern besteht ein Forschungsdefizit hinsichtlich der Wahrnehmung der aktuellen
Problemlagen aus Sicht der Leitungskräfte (Pflegedienstleitungen bzw. Pflegedirektoren
(PD)). Weiterführend hat auch nur eine Untersuchung [17] eine Triangulation der Ergebnisse durch zusätzliche Befragung von Patienten und
Ärzten umgesetzt und dabei relevante Unterschiede in der Wahrnehmung der Befragtengruppen
festgestellt. Auch in dieser Studie werden die Antworten der PD vor dem Hintergrund
der Sichtweise der ärztlichen und der kaufmännischen Leitungspersonen eingeordnet.
Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang, ob die bislang beobachteten pflegerischen
Versorgungsdefizite auch von anderen Berufsgruppen registriert werden.
Methodik
Um einen thematischen Überblick über potentiell interessante Fragestellungen zu gewinnen
wurden neben der Sichtung der wissenschaftlichen Literatur 12 leitfadengestützte Interviews
mit verschiedenen Leitungspersonen (PD, Chefärzte (CÄ), Geschäftsführer (GF) und Träger)
durchgeführt. Zentrale Inhalte der Gespräche waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen,
der Umgang mit Mittelknappheit und die daraus resultierenden Konsequenzen im Hinblick
auf die Patientenversorgung. Die Interviews wurden im Anschluss inhaltsanalytisch
ausgewertet [18]. Basierend auf den Erkenntnissen der Literatur und der Interviews wurden berufsgruppenspezifische
Fragebögen für PD, CÄ und GF entwickelt. Die für diesen Artikel relevanten Fragebogen-Items
sind online unter http://udue.de/FragebogenPD einsehbar.
Insgesamt wurden im Frühjahr 2014 im Rahmen des Forschungsprojektes „Umgang mit Mittelknappheit
im Krankenhaus“ knapp 5 000 Fragebögen postalisch versendet. Hierbei wurden 865 PD,
3 163 CÄ und 869 GF angeschrieben, die über die Qualitätsberichte identifiziert wurden.
Krankenhäuser mit weniger als 100 Betten wurden hierbei nicht beachtet. Auf einen
Verknüpfungsversuch der Antworten der Leitungspersonen auf Krankenhausebene wurde
a priori zwecks Gewährleistung einer größtmöglichen Anonymität verzichtet.
Neben einer deskriptiven Beschreibung der Antworten wurde die Frage zur Vorenthaltung
pflegerischer Leistungen auf ihre Einflussfaktoren untersucht. Die Antworten der Befragten,
die auf ordinalem Niveau vorlagen, wurden zunächst dichotomisiert und im Anschluss
mittels einer binär logistischen Regression analysiert. Für dieses multiple Analyseverfahren
wurden ausschließlich die Antworten der PD genutzt – aufgrund fehlender Angaben wurden
30 Fragebögen ausgeschlossen. Die statistische Auswertung erfolgte im Statistikprogramm
SPSS 20.
Ergebnisse
Insgesamt haben 396 PD, 1 432 CÄ und 284 GF den jeweiligen Fragebogen beantwortet,
was einer Rücklaufquote von insgesamt 43% entspricht (PD: 46%; CÄ: 45%, GF: 33%).
Fast jeder zweite Befragte arbeitet in einem Krankenhaus mit einem defizitären Jahresabschluss,
was den in der Literatur genannten Zahlen entspricht [1]
[2]. Im Hinblick auf die Krankenhausgröße und die Trägerschaft ist festzustellen, dass
größere Krankenhäuser und öffentliche bzw. freigemeinnützige Krankenhäuser leicht
überproportional vertreten sind.
In der Befragung zeigt sich, dass von sämtlichen Befragten ein großer wirtschaftlicher
Druck wahrgenommen wird. Gerade die PD und GF spüren die ökonomischen Rahmenbedingungen,
sodass 93 bzw. 95% von einem deutlichen bis starken finanziellen Druck berichten.
Bei den CÄ wird die Situation marginal besser bewertet. Dieser Druck manifestiert
sich insofern, dass 72% der PD „oft“ oder „immer“ Entscheidungskonflikte zwischen
pflegerischen und ökonomischen Zielsetzungen wahrnehmen, während nur 45% der CÄ häufige
Entscheidungskonflikte angeben.
Angesichts dieser Ausgangssituation ist es wenig überraschend, dass 37% der PD die
personelle Ausstattung in der Pflege als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ bewerten
– umgekehrt bewerten nur 17% der PD mit „gut“ oder „sehr gut“ ([Abb. 1]). Diese Einschätzung wird von den CÄ weitgehend bestätigt. Nur die GF sehen die
Situation in der Pflege positiver. Fast jeder zweite GF spricht von einer guten Pflegepersonalausstattung
im eigenen Krankenhaus. Die technische Ausstattung und die ärztlichen Personalbesetzung
werden insgesamt deutlich positiver wahrgenommen.
Abb. 1 Bewertung der Strukturqualität („Wie bewerten Sie die ärztliche Personalausstattung/pflegerische
Personalausstattung/technische Ausstattung in Ihrem Krankenhaus?“).
Defizite in der personellen Ausstattung der Pflege sind jedoch nicht ausschließlich
den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zuzuschreiben. Ebenfalls zeigt der sich zunehmend
abzeichnende Pflegefachkräftemangel bereits erste Auswirkungen. 56% der PD berichten
bereits von Stellenbesetzungsproblemen, davon aber nur 6% von aktuell größeren Schwierigkeiten
bei der Personalgewinnung. Sowohl aus finanziellen Gründen aber auch, um der Knappheit
an qualifizierten Pflegepersonal entgegenzuwirken, setzen 95% der PD Pflegehilfskräfte
und Servicekräfte ein – 18% der PD setzen hierbei bereits intensiv auf diese Berufsgruppen.
Mittelfristig wird deren Bedeutung weiter steigen. Fast zwei Drittel (66%) der PD
geben an, künftig verstärkt auf Pflegehilfskräfte und Servicekräfte zurückgreifen
zu müssen bzw. zu wollen.
Die verschiedenen Leitungspersonen sind sich weitgehend einig, dass die gegenwärtigen
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen letztendlich auch spürbare Konsequenzen für die
Patienten implizieren. 82% der PD, 71% der CÄ und 66% der GF sind tendenziell davon
überzeugt, dass sich der finanzielle Druck auch auf die Patientenversorgung auswirkt.
Gerade die Pflege und die persönliche Zuwendung werden dabei eindeutig als Hauptproblembereiche
identifiziert ([Abb. 2]). So sehen in der Pflege 82% der PD, 67% der CÄ und 51% der GF Defizite. Bei der
persönlichen Zuwendung zum Patienten ist das Antwortverhalten noch klarer ausgeprägt
– so berichten 87% der PD und jeweils 81% der CÄ und GF von Problemen in diesem Bereich.
Als weitere Probleme werden von den Leitungspersonen Defizite bei der Hygiene und
der Essensversorgung benannt. Darüber hinaus werden von jedem fünften CÄ Einschränkungen
bei Diagnostik, Therapie und der Versorgung mit Medizinprodukten gesehen.
Abb. 2 Versorgungsdefizite aufgrund wirtschaftlicher Rahmenbedingungen („In welchen Bereichen
sehen Sie spürbare Einschränkungen der Patientenversorgung?“).
Die beobachteten Defizite bei der Pflege und der Zuwendung wurden näher untersucht,
mit besonderem Fokus auf der Rationierung in der Pflege. Rationierung wird hierbei
als Vorenthaltung notwendiger pflegerischer Maßnahmen verstanden. Die PD wurden daher
explizit gefragt: „Glauben Sie, dass Ihrem pflegerischen Personal immer ausreichend
Zeit zur Verfügung steht, um den Patienten alle notwendige Pflegeleistungen zukommen
zu lassen?“ Insgesamt 79% der PD verneinen dies tendenziell. Somit gehen die PD mit
überraschender Deutlichkeit davon aus, dass es in ihren Krankenhäusern zumindest gelegentlich
zur Rationierung von Pflegeleistungen kommt.
Ursachen der Rationierung im pflegerischen Bereich
Die Ergebnisse des binär-logistischen Regressionsmodells, das die Einflussfaktoren
der wahrgenommenen Rationierung in der Pflege untersucht, sind [Tab. 1] zu entnehmen. In Krankenhäusern, in denen ein hoher Druck der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
wahrgenommen wird, werden Pflegeleistungen eher vorenthalten. Darüber hinaus führt
eine schlechte Personalbesetzung häufiger zu einer Rationierung von Leistungen. Die
Besetzung im ärztlichen Dienst, die technische Ausstattung sowie das finanzielle Ergebnis
des Krankenhauses besitzen hingegen keinen signifikanten Einfluss. Gleichzeitig ist
Rationierung in Einrichtungen stärker verbreitet, in denen häufig Entscheidungskonflikte
zwischen pflegerischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen wahrgenommen werden. Dort,
wo PD oft mit solchen Konflikten konfrontiert sind, kommt es in Folge eher zur Unterlassung
notwendiger Pflegemaßnahmen. Darüber hinaus hängt die Rationierungsproblematik ebenfalls
damit zusammen, ob das Krankenhaus Probleme bei der Besetzung von Pflegestellen hat.
Dies weist darauf hin, dass nicht alleine wirtschaftliche Rahmenbedingungen zur Leistungsvorenthaltung
beitragen, sondern der sich abzeichnende Fachkräftemangel in der Pflege bereits heute
die Patientenversorgung negativ beeinträchtigt. Ferner haben wahrgenommene potentielle
Effizienzreserven einen signifikanten Einfluss auf die Vorenthaltung pflegerischer
Leistungen. Dort wo größere Wirtschaftlichkeitspotenziale vermutet werden, stellt
die pflegerische Leistungsvorenthaltung ein geringeres Problem dar. Zudem ist auffällig,
dass die Krankenhausgröße keinen signifikanten Effekt zeigt. Gleichzeitig zeigen auch
die Trägerschaft und die Zugehörigkeit zu einem Krankenhausverbund keinerlei Einfluss
auf die wahrgenommene Rationierung in der Pflege.
Tab. 1 Ergebnisse der binär logistischen Regression zu den Einflussfaktoren von Rationierung
in der Pflege.
Einflussfaktoren
|
nicht standardisierte Koeffizienten
|
Standard-fehler
|
Odds Ratio
|
95% Konfidenzintervall für Odds Ratio
|
p-Wert
|
standardisierte Koeffizienten
|
Unterer Wert
|
Oberer Wert
|
|
hoher wahrgenommener wirtschaftlicher Druck (1=ja; 0=nein)
|
1,589
|
0,539
|
4,897
|
1,703
|
14,086
|
0,003*
|
0,064
|
positiver Jahresabschluss 2013 des KH (1=ja; 0=nein)
|
0,537
|
0,357
|
1,711
|
0,849
|
3,448
|
0,133
|
0,040
|
schlechte ärztliche Ausstattung der FAB (1=ja; 0=nein)
|
0,773
|
1,143
|
2,167
|
0,230
|
20,373
|
0,499
|
0,022
|
schlechte pflegerische Ausstattung der FAB (1=ja; 0=nein)
|
0,919
|
0,414
|
2,506
|
1,113
|
5,641
|
0,026*
|
0,071
|
schlechte technische Ausstattung der FAB (1=ja; 0=nein)
|
0,508
|
0,611
|
1,662
|
0,502
|
5,501
|
0,405
|
0,023
|
häufige Entscheidungskonflikte (1=ja; 0=nein)
|
1,349
|
0,328
|
3,854
|
2,028
|
7,323
|
<0,001*
|
0,096
|
Stellenbesetzungsprobleme in der Pflege (1=ja; 0=nein)
|
0,668
|
0,316
|
1,951
|
1,051
|
3,622
|
0,034*
|
0,053
|
weitere wahrgenommene Rationialisierungsmöglichkeiten in Pflege (1=ja; 0=nein)
|
−0,825
|
0,337
|
0,438
|
0,226
|
0,848
|
0,014*
|
−0,056
|
großes KH mit>400 Betten (1=ja; 0=nein)
|
0,588
|
0,334
|
1,801
|
0,936
|
3,464
|
0,078
|
0,046
|
Freigemeinnütziger Träger (1=ja; 0=nein)
|
−0,086
|
0,354
|
0,918
|
0,458
|
1,838
|
0,809
|
−0,007
|
Privater Träger (1=ja; 0=nein)
|
−0,786
|
0,514
|
0,456
|
0,166
|
1,249
|
0,127
|
−0,040
|
KH Teil eines Verbundes (1=ja; 0=nein)
|
−0,133
|
0,341
|
0,875
|
0,448
|
1,709
|
0,697
|
−0,010
|
Konstante
|
−1,451
|
0,577
|
0,234
|
0,012*
|
Nagelkerkes R²=0,333 *signifikant auf dem Niveau α=0,05
Weitere Konsequenzen
Aufgrund der knappen Personalbesetzung, sind 88% der PD, 72% der CÄ und 81% der GF
der Meinung, dass Ärzten und Pflege nur „selten“ bis „manchmal“ ausreichend Zeit für
die persönliche Zuwendung zum Patienten zur Verfügung steht. Angesichts der Bewertung
der gegenwärtigen Versorgungssituation sind sich PD und GF weitgehend einig, dass
der pflegerische Bereich kaum weitere Rationalisierungspotenziale bietet. 75% der
PD und 61% der GF vermuten in diesem Bereich kaum weitere relevante Einsparmöglichkeiten.
Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass die aktuelle Situation zu einer gewissen Unzufriedenheit
gegenüber dem DRG-System führt. 68% der PD und 71% der CÄ vertreten eine eher negative
Einstellung gegenüber dem DRG-System - bei den GF sind es nur 24%.
Diskussion
Bei dieser Studie sind verschiedene Limitationen zu beachten. So ist darauf hinzuweisen,
dass die Einflussfaktoren von pflegerischer Rationierung nicht kausal abgesichert
werden konnten. Zu diesem Zweck wären weitere Untersuchungen mit mehreren Erhebungszeitpunkten
wünschenswert. Auch organisatorische Aspekte (z. B. Führungsfähigkeiten der Stationsleitung)
konnten aufgrund der Leitungsperspektive nicht wirklich abgebildet werden, auch wenn
dies weitere (stationsbezogene) potentiell relevante Einflussfaktoren von Rationierung
sind [14]. Darüber hinaus würde eine Verknüpfung der Antworten der Berufsgruppen auf Krankenhausebene
eine noch höhere Aussagekraft gewährleisten. Zugunsten einer größtmöglichen Anonymität
und zur Gewährleistung eines höheren Rücklaufs wurde jedoch auf die Möglichkeit einer
solchen Zuordnung verzichtet. Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen dieser
Befragung nur die subjektive Wahrnehmung der Leitungspersonen erfasst werden konnte,
die nicht immer mit der tatsächlichen Versorgungsrealität übereinstimmen muss. Ebenfalls
ist nicht auszuschließen, dass Befragte bei der Beantwortung ggf. berufsbezogene Interessen
verfolgen.
Trotz der verschiedenen Einschränkungen ist als zentrales Ergebnis festzuhalten, dass
von allen Leitungsgruppen ein hoher wirtschaftlicher Druck wahrgenommen wird, die
größten Probleme in der Patientenversorgung aber durchgängig dem pflegerischen Bereich
zugeordnet werden. Dies wird ebenfalls durch die Einschätzung der PD zur Verbreitung
von Rationierung der Pflegeleistungen untermauert. Auch wenn pflegerische Versorgungsdefizite
von den PD am stärksten wahrgenommen werden, zeigt die weitgehende Übereinstimmung
mit den anderen Befragtengruppen, dass diese gegenwärtigen Defizite auch außerhalb
der Pflege deutlich wahrgenommen werden.
Auch im Hinblick auf den demografischen Wandel und den daraus resultierenden steigenden
Pflegekräftebedarf durch ältere und multimorbide Patienten ist die aktuelle Entwicklung
als problematisch anzusehen und gesundheitspolitischer Handlungsbedarf gegeben. Grundsätzlich
sieht der Koalitionsvertrag neben dem Personalkostennachweis eine Prüfung vor, ob
die Pflege in „ausreichender Höhe und Gewichtung [in den DRGs] berücksichtigt“ ist.
In diesem Zusammenhang ist auch explizit auf die hohe Pflegevariabilität des Pflegeaufwands
innerhalb der einzelnen DRGs hinzuweisen, die im Schweizer System festgestellt wurde
[19]. Das neue Pflegeförderprogramm mit einem Gesamtvolumen von 660 Mio. € für einen
3-jahreszeitraum und der Pflegezuschlag von 500 Mio. € können sicherlich kurzfristig
zu einer gewissen Entspannung beitragen. Mittelfristig sind jedoch weitergehende Maßnahmen
in der Krankenhauspflege zu ergreifen – wie bspw. Personalstandards [8] oder eine Weiterentwicklung der DRG-Klassifikationskriterien [19].