Einleitung Seit nunmehr 300 Jahren greift die Geburtshilfe auf das Konzept des
Simulationstrainings zurück, um Anatomie und Physiologie nicht nur
theoretisch zu lehren, sondern buchstäblich praktisch zu durchdringen. Doch
woher nehmen wir heutzutage unser Wissen, auf dem die derzeitige Geburtshilfe mit
ihren praktischen Standards basiert? Wie entwickelte sich unser Bestreben,
anatomisch korrekte Nachbildungen zur praxisbezogenen Ausbildung mit
ausführlicher, flexibler Beübung anzufertigen? Wer waren die
Pioniere auf diesem Gebiet?
Material/Methode Ausschlaggebend für die Wahl der Thematik mit
dem Schwerpunkt auf dem geburtshilflichen Phantom der Madame du Coudray war David
und Eberts Artikel Das Phantom. Zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte eines
wichtigen geburtshilflichen Lehrmittels (Thieme), kombiniert mit der Entdeckung der
Abbildung Madame du Coudray’s „machine“ im Bildband Anatomy
– Exploring the Human Body (Phaidon Press). Anhand unterschiedlichster
Fachbücher und Bildbände sowie durch aufmerksames Durchforsten
diverser Fachzeitschriften, ergänzt durch eine Literaturrecherche online
über Pubmed oder Google Scholar wurden Aspekte rund um das Konzept des
Simulationstrainings in der Geburtshilfe der vergangenen drei Jahrhunderte
herausgearbeitet und zu einem reich bebilderten Vortrag zusammengefügt.
Ergebnis Der Vortrag widmet sich den Anfängen der praxisnahen
Ausbildung in der Geburtshilfe: Von ersten Modellen eines Menschen während
des Paläolithikums über anatomisch möglichst naturgetreue
Nachbildungen der Neuzeit, hin zu praktisch-robusten, realistischen, gleichzeitig
aber weniger anatomisch korrekten, dafür wiederholt manipulierbaren
Nachbildungen des weiblichen Beckens und dessen Besonderheiten zur Simulation des
Geburtsvorganges.
Eines der ersten geburtshilflichen Phantome im 18. Jahrhundert verkörperte La
Machine, ein Modell der französischen, königlichen Hebamme Angelique
Marguerite Le Boursier du Coudray, welches sie 1746 vorstellte. Es bot mannigfaltige
Funktionen, repräsentierte eine verblüffende Detailtreue mit enorm
komplexer Funktionalität und wurde erstmals in größerer
Stückzahl in unterschiedlichen Ausführungen produziert. Sie
unterrichtete während ihrer 25-jährigen Tour de France strukturiert
und standardisiert Tausende, nicht nur Hebammen.
Geburtshilfliche Phantome sind bis heute im praktischen Unterricht der Geburtshilfe
fest etabliert und ihre Entwicklung hat so einige Kuriositäten
hervorgebracht.
Diskussion Ein solcher Rückblick auf vergangene Entwicklungen
schwächt unsere Selbstverständlichkeit allgegenwärtigen
Wissens, schafft Bodenständigkeit, schärft das Verständnis
unserer heutigen wissenschaftlichen Errungenschaften und ordnet deren Stellenwert
entsprechend ein. Es macht uns auf gewisse Art und Weise demütig.
Damals wie heute gilt: „Übung bildet den praktischen
Entbinder“ – und Madame du Coudray war damals in einer
überwiegend patriarchalisch organisierten Wissenschaftskultur ganz vorne mit
dabei.
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