Z Geburtshilfe Neonatol 2021; 225(S 01): e24
DOI: 10.1055/s-0041-1739763
Abstracts | DGPM

La Machine – Geburtshilfliche Phantome der Madame Du Coudray

JL Scharf
1   Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Lübeck, Deutschland
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Einleitung Seit nunmehr 300 Jahren greift die Geburtshilfe auf das Konzept des Simulationstrainings zurück, um Anatomie und Physiologie nicht nur theoretisch zu lehren, sondern buchstäblich praktisch zu durchdringen. Doch woher nehmen wir heutzutage unser Wissen, auf dem die derzeitige Geburtshilfe mit ihren praktischen Standards basiert? Wie entwickelte sich unser Bestreben, anatomisch korrekte Nachbildungen zur praxisbezogenen Ausbildung mit ausführlicher, flexibler Beübung anzufertigen? Wer waren die Pioniere auf diesem Gebiet?

Material/Methode Ausschlaggebend für die Wahl der Thematik mit dem Schwerpunkt auf dem geburtshilflichen Phantom der Madame du Coudray war David und Eberts Artikel Das Phantom. Zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte eines wichtigen geburtshilflichen Lehrmittels (Thieme), kombiniert mit der Entdeckung der Abbildung Madame du Coudray’s „machine“ im Bildband Anatomy – Exploring the Human Body (Phaidon Press). Anhand unterschiedlichster Fachbücher und Bildbände sowie durch aufmerksames Durchforsten diverser Fachzeitschriften, ergänzt durch eine Literaturrecherche online über Pubmed oder Google Scholar wurden Aspekte rund um das Konzept des Simulationstrainings in der Geburtshilfe der vergangenen drei Jahrhunderte herausgearbeitet und zu einem reich bebilderten Vortrag zusammengefügt.

Ergebnis Der Vortrag widmet sich den Anfängen der praxisnahen Ausbildung in der Geburtshilfe: Von ersten Modellen eines Menschen während des Paläolithikums über anatomisch möglichst naturgetreue Nachbildungen der Neuzeit, hin zu praktisch-robusten, realistischen, gleichzeitig aber weniger anatomisch korrekten, dafür wiederholt manipulierbaren Nachbildungen des weiblichen Beckens und dessen Besonderheiten zur Simulation des Geburtsvorganges.

Eines der ersten geburtshilflichen Phantome im 18. Jahrhundert verkörperte La Machine, ein Modell der französischen, königlichen Hebamme Angelique Marguerite Le Boursier du Coudray, welches sie 1746 vorstellte. Es bot mannigfaltige Funktionen, repräsentierte eine verblüffende Detailtreue mit enorm komplexer Funktionalität und wurde erstmals in größerer Stückzahl in unterschiedlichen Ausführungen produziert. Sie unterrichtete während ihrer 25-jährigen Tour de France strukturiert und standardisiert Tausende, nicht nur Hebammen.

Geburtshilfliche Phantome sind bis heute im praktischen Unterricht der Geburtshilfe fest etabliert und ihre Entwicklung hat so einige Kuriositäten hervorgebracht.

Diskussion Ein solcher Rückblick auf vergangene Entwicklungen schwächt unsere Selbstverständlichkeit allgegenwärtigen Wissens, schafft Bodenständigkeit, schärft das Verständnis unserer heutigen wissenschaftlichen Errungenschaften und ordnet deren Stellenwert entsprechend ein. Es macht uns auf gewisse Art und Weise demütig.

Damals wie heute gilt: „Übung bildet den praktischen Entbinder“ – und Madame du Coudray war damals in einer überwiegend patriarchalisch organisierten Wissenschaftskultur ganz vorne mit dabei.

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Article published online:
26 November 2021

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