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DOI: 10.1055/s-0041-109973
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Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
08. Januar 2016 (online)

» Der Beruf Ergotherapie muss attraktiv bleiben! «


Abb.: ukb
Herr Prof. Ekkernkamp, braucht es Ihrer Meinung nach für die optimale Patientenversorgung
der Zukunft akademisierte Physiound Ergotherapeuten?
Ich glaube ja. Erstens müssen die Berufe Physiotherapie und Ergotherapie attraktiv
bleiben. Attraktivität ergibt sich für mich aus Migrationsfähigkeit bzw. Internationalität.
Wenn also die ganze Welt Physio- und Ergotherapie studiert, ist es sinnvoll, dass
man diese beiden Berufe auch bei uns in Deutschland studieren kann.
Zweitens bedarf es der Akademisierung aus Qualitätsgründen. Denn der Hauptkritikpunkt an Ergo- und Physiotherapie ist, dass es sich bei den Therapien um Erfahrungswissen handelt, sie bislang nicht vernünftig akademisch begleitet werden und keine richtige Forschung haben. Evidenz herstellen, an Evidenz denken und normierte Dinge nicht nur abspulen, sondern sie auch durchdenken – das kann man besser, wenn man studiert hat. Zu Ende gedacht ergibt sich daraus auch eine bessere Qualität der Patientenversorgung.
Würden Sie für eine flächendeckende Vollakademisierung oder eher für eine Teilakademisierung
der Physio- und Ergotherapie sprechen?
Ich plädiere dafür, den Weg in eine Vollakademisierung zu gehen. In Teilschritten
und so, dass die Berufsfachschulen – die segensreiche Arbeit geleistet haben – keinen
Schaden nehmen. Die Richtung muss sein, dass beispielsweise auf einer Station bei
der Visite anwesend sind: der Arzt, ein studierter Sozialarbeiter, was inzwischen
ja auch schon gegeben ist, ein studierter Orthopädiemechaniker, die brauchen aber
noch ein bisschen, sowie ein Ergotherapeut mit Bachelor und ein Physiotherapeut mit
Master; vielleicht ist einer von beiden promoviert und der Arzt nicht. Dann hätten
wir eine Situation in Deutschland, die man so nicht kannte. Wäre das schlimm?
Nein. Sie glauben also daran, dass es irgendwann eine interprofessionelle Zusammenarbeit
auf Augenhöhe geben wird?
Ja. Das muss auch so sein. Man muss aus der Wettbewerbsdiskussion heraus und dahinkommen,
dass der Patient von verschiedenen Seiten gut betreut werden möchte. Das Gesamtangebot
bestimmt nachher den Heilerfolg. Jetzt würden meine ärztlichen Kollegen sagen, wir
haben doch den Arztvorbehalt. Okay, der Arzt muss die Federführung haben, weil die
weitreichendsten Konsequenzen sich aus seiner Fehlentscheidung ergeben würden. Aber
bis vor ein paar Jahren hatten die Ärzte auch die absolute Hoheit über die Medikamente.
Jetzt ist es vollkommen klar, dass wir Apotheker brauchen, die hier mitbetreuen. Medikamentenschränke
auf Station werden heute von Apothekern bestückt. Zudem brauchen wir Medikamentenmanagementsysteme.
Ich akzeptiere als Arzt den Apotheker, die studierte Therapeutin und den studierten
Sozialarbeiter und so weiter. So hat man ein vernünftiges Team, das sich um den Patienten
kümmert, und jeder hat seine Rolle. Ich finde nicht, dass der Arzt dabei verliert.
Das Gespräch führte Elke Oldenburg.