Abkürzungen
ALCL:
akzessorisches laterales Kollateralband
A-MCL:
anteriores Bündel des medialen Kollateralbandes
DRUG:
distales Radioulnargelenk
LCL:
laterales Kollateralband
LUCL:
laterales ulnares Kollateralband
MCL:
mediales Kollateralband
PLRI:
posterolaterale Rotationsinstabilität
P-MCL:
posteriores Bündel des medialen Kollateralbandes
PRUG:
proximales Radioulnargelenk
RCL:
radiales Kollateralband
Einleitung
Der Ellenbogen bildet als gelenkige Verbindung zwischen Ober- und Unterarm das biomechanisch
bedeutsame Element für die Funktionalität der oberen Extremität. Ein Grund hierfür
ist das komplexe Zusammenspiel der Teilgelenke des Ellenbogens, die aus dem proximalen
Gelenk von Radius und Ulna und den Artikulationen von Humerus und Ulna sowie Humerus
und Radius bestehen.
Eine weitere Ursache ist, dass der Ellenbogen zwischen Ober- und Unterarm positioniert
ist und somit durch den langen Hebelarm bei Krafteinleitung an den Händen großen Kräften
ausgesetzt wird. Berechnet man die am Ellenbogen wirkenden Kräfte und ihre Effekte
auf die kleinen Knochen bzw. kraftübertragenden Gelenkflächen, muss man feststellen,
dass die Strukturen des Ellenbogengelenks in ähnlicher Höhe beansprucht werden wie
die der unteren Extremität. Während beim Anziehen Kompressionskräfte im Ellenbogengelenk
von ca. 300 N berichtet werden, können schon beim Abstützen des Armes Gelenkreaktionskräfte
von 1700 N auf dem medialen und 800 N auf dem lateralen Kompartiment beobachtet werden.
Folglich kann der Ellenbogen nachhaltig als lasttragendes Gelenk eingestuft werden
und ist entsprechend zu werten.
Anatomie der Skelettanteile
Anatomie der Skelettanteile
Das Ellenbogengelenk wird knöchern von dem distalen Humerus, dem Radius und der Ulna
gebildet, die von einer gemeinsamen Kapsel umhüllt werden (Abb. [1]).
Abb. 1 Die 3 Teilgelenke des Ellenbogens: A = radiokapitellares Gelenk, B = ulnohumerales
Gelenk, C = proximales radioulnares Gelenk [1].
Distaler Humerus
Der distale Anteil des Humerus besteht aus zwei Kondylen:
Der distale Anteil des Humerus ist in der Sagittalebene um 30° nach anterior gekippt,
in der Transversalebene um ca. 5° einwärts rotiert und in der Frontalebene 6–8° geneigt
(Abb. [2]) [1]. Proximal lateral ermöglicht die Crista supracondylaris lateralis den Ansatz des
M. brachioradialis und des M. extensor carpi radialis sowie dorsalseitig des M. triceps
brachii. Aus ihrer Verbreiterung geht der Epicondylus lateralis (radialis) hervor,
an dem die lateralen (radialen) Kollateralbänder und die Supinator-Extensoren-Muskelgruppe
ansetzen. Medial hat der Epicondylus medialis (ulnaris) als Ansatz der medialen (ulnaren)
Kollateralbänder sowie der Flexor- und Pronatorenmuskulatur diese Funktion inne. An
seiner Dorsalseite verläuft der N. ulnaris im Sulcus nervi ulnaris.
Abb. 2 Die Achsen des distalen Humerus. Er zeigt sich in der Sagittalebene um 30° nach
ventral gekippt, in der Transversalebene um ca. 5° einwärts rotiert und in der Frontalebene
6–8° geneigt [1].
Anterior am distalen Humerus befinden sich auf der medialen Seite die Fossa coronoidea
und lateral die Fossa radialis, die in Flexion als Gleitlager für den Radiuskopf bzw.
den Processus coronoideus dienen. Als posteriores Äquivalent ermöglicht die Fossa
olecrani der Spitze des Olekranons der Ulna die Beweglichkeit in Extension (Abb. [3]).
Abb. 3 Artikulierende Skelettelemente eines rechten Ellenbogens [3]. a Ansicht von ventral. b Ansicht von dorsal. c Ansicht von lateral. d Ansicht von medial.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Osteophytäre Anbauten bzw. freie Gelenkkörper können durch Verlegung der Fossae zu
einer eingeschränkten Beweglichkeit führen.
Proximaler Radius
Der proximale Radius besteht aus dem Caput radii (Radiuskopf), das im Durchschnitt
eine Tiefe von 2,4 mm und einen Durchmesser von ca. 24 mm aufweist, an das sich distal
das Collum radii (Radiushals) anschließt, das zu der Längsachse des Radiusschaftes
einen Winkel von 15° bildet [1], [2]. Der Radiuskopf weist interindividuell große Unterschiede in seiner Form auf, ist
jedoch in der Regel eher ellipsoid als kreisrund. Die Tuberositas radii am distalen
Ende des Collum radii bildet die Ansatzfläche der Sehne des M. biceps brachii (Abb. [3]).
Proximale Ulna
Die proximale Ulna bildet durch den Processus coronoideus anterior und durch das Olekranon
posterior – das als Ansatz für den M. triceps brachii dient – eine Art Zange um den
distalen Humerus (Abb. [4]).
Abb. 4 Proximale Ulna, Ansicht von ventral [4].
Medial des Processus coronoideus liegt die Incisura semilunaris ulnae, die bei den
meisten Menschen eine knorpelfreie Zone aufweist, welche die Gelenkfläche der Ulna
in einen anterioren und einen posterioren Abschnitt unterteilt. Diese knorpelfreie
Zone weist eine durchschnittliche Breite von 5 mm auf und resultiert aus den Kontaktflächen
und der Spannungsverteilung am Olekranon, da bei Extension/Flexion der Großteil der
Kräfte über den posterioren und anterioren Anteil der ellipsoiden Incisura läuft (Abb. [5]).
Abb. 5 Knorpelfreie Zone am Leichenpräparat (schwarzer Pfeil = Processus coronoideus, blauer
Pfeil = Übergang des posterioren knorpeligen Anteils des Olekranons in die knorpelfreie
Zone) [1].
Sie ist in der Sagittalebene zur Ulnaschaftachse um ca. 30–45° nach posterior geöffnet
und korrespondiert hierbei zu der Trochlea des distalen Humerus (s. o.) (Abb. [6]).
Abb. 6 Ausrichtung der Incisura trochlearis [4].
Lateral des Koronoids liegt die Incisura radialis – als Artikulationsfläche für den
Radiuskopf – und läuft in die Crista supinatoris aus, die den Ursprung des M. supinator
und den Ansatz der dorsalen Anteile des lateralen Kollateralbandkomplexes bildet.
Wie der Radiuskopf zeigt auch die proximale Ulna interindividuelle Unterschiede (Abb. [3]).
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Anatomische Platten können bei der Versorgung von Frakturen der proximalen Ulna aufgrund
von morphologischen und geschlechtsspezifischen Unterschieden häufig keine optimale
Lösung bieten. Besonders im Rahmen von Monteggia-Frakturen, die mit einer Instabilität
des radiohumeralen Gelenks einhergehen, besteht die Gefahr, bei der operativen Versorgung
die anteriore Angulation der Ulna durch die vorgefertigte Platte nicht optimal einzustellen.
Dies kann eine Subluxationsstellung des Radiuskopfes aus dem radiohumeralen Gelenk
zur Folge haben.
Blickt man von dorsal auf das extendierte Ellenbogengelenk, liegen das Olekranon und
die Epikondylen auf einer geraden Linie, wohingegen sie bei 90° flektiertem Ellenbogen
ein inverses gleichschenkeliges Dreieck bilden.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Bei dislozierten Frakturen oder Luxationen kommt es zu einer Aufhebung dieser Anordnung.
Die Teilgelenke des Ellenbogens
Die Teilgelenke des Ellenbogens
Humeroradialgelenk
Als Humeroradialgelenk artikuliert lateral das konvexe Kapitulum des distalen Humerus
mit dem konkaven Radiuskopf. Das Kapitulum ist anterior mit einer ca. 2 mm dicken
Knorpelschicht überzogen, sodass posterior in der knorpelfreien Zone das Anbringen
von Osteosynthesematerial möglich ist [6].
Biomechanisch stellt das Humeroradialgelenk ein Kugelgelenk mit 3 Freiheitsgraden
dar, ist jedoch gleichzeitig ein wichtiger translatorischer Stabilisator. Es generiert
Widerstand gegen Valgusstress am Ellenbogen und verhindert die posteriore Dislokation
bei Beugewinkeln von mehr als 90°.
Die Intaktheit des Humeroradialgelenks ist wichtig für die translatorische Stabilität
des Ellenbogengelenks.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Aufgrund des konkaven Radiuskopfes sollte das Einbringen von Schrauben unter Sicht
erfolgen, da die radiologische Beurteilung schwierig ist.
Humeroulnargelenk
Auf der medialen Seite artikuliert die Trochlea, die eine hyperbolische Oberfläche
aufweist, mit der Incisura semilunaris ulnae und bildet das Humeroulnargelenk. Die
Trochlea ist über einen Bogen von ca. 300° mit hyalinem Knorpel überzogen. Das Humeroulnargelenk
stellt ein modifiziertes, idealisiertes Scharniergelenk (s. u.) mit einem Freiheitsgrad
dar und gestattet den größten Anteil der knöchernen Gelenkführung [6]. Der Processus coronoideus stellt dabei den wichtigsten Block gegen die posteriore
Verschiebung bei Ellenbogenflexion dar.
Das Humeroulnargelenk ist das wichtigste stabilisierende Teilgelenk.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Bei der anatomischen Rekonstruktion von gelenktragenden Frakturen der proximalen Ulna
muss auf das Realignment der dorsalen Kortikalis geachtet werden, um die Aufnahmefläche
für die Trochlea nicht zu verringern.
Führt man eine Olekranonosteotomie durch, empfiehlt es sich, den Sägeschnitt in dem
knorpelfreien Bereich anzubringen.
Proximales Radioulnargelenk
Als drittes Teilgelenk artikulieren die Incisura radialis ulnae und die Zirkumferenz
des Radiuskopfes im proximalen Radioulnargelenk (PRUG). Das anterolaterale Drittel
der Circumferentia articularis ist nicht mit hyalinem Knorpel bedeckt und daher bei
fehlender subchondraler Lamelle vermehrt frakturgefährdet.
Das PRUG wird durch das Lig. anulare stabilisiert. Es stellt sich als Radgelenk oder
besser als Zapfengelenk mit zylindrischen Gelenkflächen und einem Freiheitsgrad dar
[6].
Abb. 7 Safe-Zone am Radiuskopf streng lateral bei Lagerung des Armes in Neutralposition
(links). Osteosynthesematerial, das in der Safe-Zone eingebracht wird, kommt bei Pro-
und Supination nicht in Konflikt mit dem proximalen radioulnaren Gelenk [1].
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Wichtig beim Einbringen des Osteosynthesematerials ist die Beachtung der Safe-Zone
am Radiuskopf (ca. 133° des Umfangs des Radiuskopfes, der nicht an der Artikulation
mit der Incisura radialis der proximalen Ulna beteiligt ist), die als Bereich dienen
sollte, in dem die Versorgung ohne biomechanische Probleme erfolgen kann (Abb. [7]).
Die Gelenktypen der 3 Teilgelenke des Ellenbogens fasst Tab. [1] zusammen.
Tabelle 1 Die 3 Teilgelenke des Ellenbogens.
Gelenk
|
Gelenktyp
|
Humeroradialgelenk
|
Kugelgelenk
|
Humeroulnargelenk
|
Scharniergelenk
|
proximales Radioulnargelenk
|
Radgelenk
Zapfengelenk
trochoidales Gelenk
|
Der Unterarm als funktionelle Einheit
Der Unterarm als funktionelle Einheit
Weist das Ellenbogengelenk im engeren Sinn nur die beschriebenen Teilgelenke auf,
so muss es im funktionellen Sinne durch das distale Radioulnargelenk (DRUG) komplettiert
werden. Dies ist wichtig, da die einzelnen Teilgelenke des Unterarms stets zusammen
agieren und auch nur als intaktes System optimal die axiale Kraft entfalten und weiterleiten
können.
Die Intaktheit der Membrana interossea als Verbindung zwischen Radius und Ulna ist
hierbei wichtig. Die Fasern verlaufen schräg abwärts vom Radius zur Ulna. Dieses Element
schützt vor Separation oder Migration von Radius und Ulna und trägt damit auch zum
Transfer von Axialkräften vom Radius zur Ulna bei.
Werden am distalen Unterarm 80 % der aufgenommenen Kräfte über den Radius und nur
20 % über die Ulna geleitet, so erfolgt durch die Membran eine Krafttransmission von
bis zu 50 % vom Radius zur Ulna. Hierdurch werden am Ellenbogen 50–60 % über die radiale
Säule (Radiuskopf – Capitulum humeri) bzw. 40–50 % über die ulnare Säule (Processus
coronoideus – Trochlea) auf den distalen Humerus übermittelt. Die in anatomischen
Studien berichtete Festigkeitszunahme der Ulna und Festigkeitsabnahme des Radius von
distal nach proximal wird hierdurch schlüssig.
Besonders bei Stürzen auf den ausgestreckten Arm kann dieses System jedoch wie eine
rigide Säule wirken. Durch die axiale Fortleitung der Kraft kann es zu einem hohen
Valgusmoment am Unterarm kommen, was zur Summation der Kraft im Radiuskopf und zu
einer erheblichen Zugspannung am medialen Kollateralband (MCL) führen kann. Dies hat
zur Folge, dass die Kraft im Radiuskopf aufgrund der Zugkraft am MCL größer wird als
die extern applizierte Kraft, wohingegen die Belastung des Processus coronoideus deutlich
abnimmt. Hierdurch kommt es zum Bruch des Radiuskopfes und zur Läsion des MCL.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Eine weitere Relevanz hat die beschriebene Verbindung durch die oftmals übersehene
Essex-Lopresti-Verletzung. Sie beschreibt eine Läsion des Radiuskopfes, der Membrana
interossea und des distalen Radioulnargelenks (DRUG), die zu einer Proximalisierung
des Radius führt. Dies kann in einem chronischen Fall der Essex-Lopresti-Verletzung
zu einem radiokapitellaren Impingement und sekundär zu einem ulnokarpalen Impingement
führen.
Klinisch muss hierbei neben Schmerzen über dem Unterarm auf ein schmerzhaftes bzw.
hypermobiles DRUG geachtet werden.
Gelenkkapsel
Die 3 Teilgelenke des Ellenbogens liegen in einer gemeinsamen, fibrösen Gelenkkapsel,
die sich anterior von proximal der Fossa coronoidea und der Fossa radialis nach distal
an den vorderen Rand des Processus coronoideus sowie an das Lig. anulare spannt. Posterior
erstreckt sich die Kapsel von proximal der Fossa olecrani nach distal zum Lig. anulare
und dem Rand des Olekranons. In Extension kommt es zur Anspannung der anterioren Kapselfasern,
wodurch diese eine stabilisierende Funktion gegen Varus- und Valgusbelastungen übernehmen.
Je nach Gelenkstellung variieren auch das Füllungsvolumen und die Spannung der Kapsel.
Das größte Füllungsvolumen bzw. die geringste Kapselspannung erreicht die Gelenkkapsel
in etwa 70–80°-Flexion mit ca. 25–30 ml.
Das A-MCL zeigt sich als das stabilste Ligament am Ellenbogen mit einer Grenzlast
von 261 ± 71 N.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Bei einem intraartikulären Erguss bzw. Hämarthros halten die Patienten das Ellenbogengelenk
meist in 70–80°-Flexion, da so die schmerzärmste Position (aktuelle Ruhestellung)
erreicht wird. Radiologisch kommt es durch den Hämarthros zum sogenannten Fat Pad
Sign, d. i. ein Aufhellungsband an der Kapsel, das durch ihre Abhebung vom Knochen
entsteht.
Freiheitsgrade, Drehzentrum und Valguswinkel
Das Ellenbogengelenk erlaubt im Wesentlichen Bewegungen in 2 Freiheitsgraden.
Das humeroulnare und humeroradiale Gelenk gestatten gemeinsam die Flexion und Extension
und machen den Ellenbogen vereinfacht zu einem uniaxialen Scharniergelenk, dessen
humeroulnare Gelenkachse mit zunehmender Beugestellung nach ventral wandert.
Die Bewegung der Pronation und Supination erfolgt im proximalen Radioulnargelenk (PRUG)
in Kombination mit dem distalen Radioulnargelenk (DRUG) entlang der Drehachse des
Unterarms. Das PRUG ist somit als trochoidales Gelenk zu klassifizieren.
Damit stellt der Ellenbogen biomechanisch ein zusammengesetztes, trochoidales Scharniergelenk
dar (Abb. [8]).
Abb. 8 Das physiologische Bewegungsausmaß der Extension/Flexion liegt bei 0/0/145° (links).
Die Pronation/Supination beträgt physiologischerweise 75/0/85 (rechts); [1].
Flexion und Extension
Eine Extensions-Flexions-Bewegung des Ellenbogens wird durch das humeroulnare und
das humeroradiale Gelenk erreicht. Das Drehzentrum für diese Bewegung befindet sich
auf einer Fläche von etwa 2–3 mm Durchmesser an der Trochlea. Die individuellen Unterschiede
des Drehzentrums sind gering, sodass die Drehachse vereinfacht dargestellt vom inferioren
Anteil des medialen Epikondylus zum Zentrum des lateralen Kondylus zieht [6], [8].
Das maximal mögliche, physiologische Bewegungsausmaß dieser Bewegungsrichtung kann
schon über die geometrischen Charakteristika der beteiligten Knochenstrukturen und
den Anteil der knorpeligen Überdeckung der Gelenkfläche abgeschätzt werden. Der Winkelbereich
der Gelenkfläche der Trochlea des Humerus beträgt 330°, während derjenige der Incisura
trochlearis der Ulna ca. 190° ausmacht. Die Differenz von entsprechend 140° bestimmt
somit das Bewegungsausmaß des Ellenbogens für die Flexion-Extension. Gleichzeitig
finden sich 140° Differenz zwischen dem Kreisabschnitt der Gelenkfläche des Capitulum
humeri (180°) und derjenigen des proximalen Radiuskopfes (40°).
Die Bewegung selbst stellt prinzipiell eine „Gleitbewegung“ dar, die in den endgradigen
5–10° in eine „Rollbewegung“ übergeht [1]. Grund für diese Rollbewegung und gleichzeitig Hauptlimitation des Bewegungsausmaßes
sind die Knochenstrukturen, nämlich in Flexion der Kontakt des Processus coronoideus
mit dem Boden der Fossa coronoidea und in Extension der Kontakt des Olekranons mit
dem Boden der Fossa olecrani.
Als Weichteilhemmung ist zusätzlich eine Limitierung der Bewegung durch die Gelenkkapsel
und den M. triceps brachii gegeben, die vor allem in Flexion auftritt. Der Bewegungsumfang
steigt somit bei entspannter Muskulatur.
Die passive Ellenbogenflexion wird im Bewegungsumfang mit bis zu 146° beschrieben,
wohingegen der aktive Bewegungsumfang mit 0–142° beziffert wird.
Das Bewegungsausmaß nimmt im Alter ab, während Kinder im Mittel noch eine Hyperextension
von 5° zeigen. Frauen wiesen in einer Studie von Amis u. Miller eine um 5–8° größere
Hyperextension im Vergleich zu Männern auf [10].
Eine weitere wichtige Rolle für eine regelrechte Funktionsfähigkeit des Ellenbogens
in Flexion und Extension spielt der Valguswinkel („Tragewinkel“, engl.: „carrying
angle“), der sich durch Schneiden der Längsachsen von Humerus und Ulna bei voll extendiertem
Ellenbogengelenk und vollständig supiniertem Unterarm ergibt. Er beträgt 10–15° bei
Extension und ist im Mittel bei Frauen um 4–5° größer als bei Männern [9]. Der Winkel ergibt sich durch die distale Extension der Trochlea, die eine valgische
Gelenkausrichtung zur Folge hat (Abb. [9]).
Abb. 9 Physiologische Valgusstellung im Ellenbogengelenk [3].
In Flexion verändert sich der Winkel und erreicht in 120° Beugung eine 6°-Varusstellung.
Diese Veränderung entsteht durch die asymmetrische Form im Gelenk und die folglich
schräg angeordnete Drehachse des humeroulnaren Gelenks.
Pronation und Supination
Als zweite Bewegungsrichtung erlaubt das Ellenbogengelenk eine Pronations-Supinations-Bewegung.
Hierbei rotiert der Unterarm um seine Rotationsachse, die durch das Zentrum des Radiuskopfes
und den Mittelpunkt des distalen Radioulnargelenks verläuft.
Die Umwendbewegung erfolgt aus dem humeroradialen Gelenk und dem proximalen Radioulnargelenk
(PRUG).
Das Bewegungsausmaß beträgt physiologischerweise ca. 75/0/85°, wobei verschiedene
Arbeiten zum Bewegungsausmaß voneinander stark abweichende Ergebnisse zeigen, die
möglicherweise auf die hohe Individualität des proximalen Drehzentrums bei Differenzen
in der geometrischen Form des Radiuskopfes zurückzuführen sind.
Bandapparat
Neben den Knochenstrukturen des Ellenbogengelenks sind die Kollateralbänder, die Verstärkungen
der Gelenkkapsel darstellen, von Bedeutung (Abb. [10]).
Abb. 10 Kollateralbandapparat des Ellenbogens [3]. a Ansicht von medial. b Ansicht von lateral.
Mediales Kollateralband
Das mediale Kollateralband (MCL) besteht aus einem anterioren (A-MCL) und einem posterioren
Bündel (P-MCL), die in ihren distalen Abschnitten durch das Lig. transversum verbunden
sind.
Anteriores Bündel des medialen Kollateralbandes (A-MCL). Das A‐MCL entspringt am anteroinferioren Anteil des medialen Epikondylus und zieht
zum Tuberculum subliminus am medialen Processus coronoideus.
Das A-MCL kann weiter in anteriore und posteriore Fasern unterteilt werden, wobei
die anterioren Fasern vornehmlich in Streckung und die posterioren Fasern in Beugung
gespannt werden [2].
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Eine Zu- oder Abnahme über das genannte physiologische Maß hinaus kann mit einer zunehmenden
Instabilität einhergehen [8].
Posteriores Bündel des medialen Kollateralbandes (P-MCL). Das P‐MCL wiederum zieht vom anteroinferioren Epikondylus zum mittleren Abschnitt
der Incisura semilunaris der Ulna. In Flexion ist es gespannt und in Extension locker.
Es zeigte in Studien eine Belastbarkeit von 159 ± 40 N [2].
Abb. 11 Die Fraktur des Tuberculum subliminus geht mit einer medialen Instabilität einher
(Pfeile markieren das Frakturelement).
Abb. 12 Abhängigkeit der Gelenkstabilität vom Frakturverlauf am Processus coronoideus [1]. a Instabile Verletzung bei Fraktur des Tuberculum subliminus. b Stabile Verletzung bei intaktem Tuberculum subliminus.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Bleibt das Tuberculum subliminus (mit der Insertion des medialen Bandes) bei Frakturen
des Processus coronoideus in der Frontalebene intakt, resultiert nicht zwangsläufig
eine Valgusinstabilität. Verläuft die Frakturlinie mehr sagittal mit Fraktur des Tuberculum
subliminus, geht dies meist mit einer relevanten Instabilität einher. Für die Differenzierung
empfiehlt sich die exakte Beurteilung des Processus coronoideus und des Tuberculum
subliminus im Röntgenbild bzw. der Computertomografie (Abb. [11] u. Abb. [12]).
In seiner Gesamtheit ist das MCL der entscheidende Stabilisator gegen Valgusbelastungen
und wird in dieser Funktion vom Radiuskopf (Kompression am Capitulum) und dem ventralen
Anteil der Gelenkkapsel unterstützt.
Das MCL ist der entscheidende Stabilisator gegen Valgusbelastungen.
Diese Funktion kann beispielsweise bei 90°-Flexion des Ellenbogengelenks und innen-
oder außenrotierter Schulter demonstriert werden. Die größte Belastung kann bei Innenrotation
der Schulter und hohem Druck der Handfläche gegen ein Widerlager zentral vor dem Oberkörper
bzw. bei einer kraftvollen Wurfbewegung erzeugt werden.
Junge Erwachsene erreichen bei Innenrotation des Humerus ein Drehmoment von bis zu
65 Nm, wodurch am Ellenbogen ein gleich großes Drehmoment mit entgegengesetztem Vorzeichen
entsteht [10]. Diese Momente müssen durch das MCL, den Radiuskopf und den ventralen Anteil der
Gelenkkapsel aufgefangen werden, was dem ca. 6-Fachen der äußeren Kraft am MCL und
dem etwa 8-Fachen der äußeren Kraft am Radiuskopf entspricht.
Zeigt sich der Radiuskopf verletzt oder in seiner Form verändert, muss dieses Drehmoment
durch Zug am MCL und Druck auf der lateralen Facette des Processus coronoideus aufgenommen
werden. Hierdurch entstehen Kräfte, die zu einem erhöhten Valgusstress am Ellenbogen
und zu sekundären Schäden führen können [2].
Laterales Kollateralband
Das laterale Kollateralband (LCL) setzt sich zusammen aus
Es erreicht Grenzlasten von insgesamt ca. 233 ± 16 N bei einer relativ niedrigen Steifigkeit
[2].
Radiales Kollateralband (RCL). Das RCL entspringt am Epicondylus lateralis und strahlt in das Lig. anulare ein,
sodass Drehbewegungen des Radius ungehindert durchgeführt werden können. Das Lig.
anulare zieht ventral von der Incisura trochlearis ringförmig um die Circumferentia
articularis des Radiuskopfes und setzt dorsal der Incisura trochlearis wieder an.
Akzessorisches laterales Kollateralband (ALCL). Das akzessorische laterale Kollateralband (ALCL) entspringt als Faseranteil des Lig.
anulare und zieht ebenfalls zum Tuberculum der Crista m. supinatoris ulnae.
Laterales ulnares Kollateralband (LUCL). Das LUCL ist inkonstant ausgeprägt und entspringt zumeist am lateralen Epikondylus
in enger Beziehung zum M. supinator, M. anconeus und dem gemeinsamen Ansatz der Extensoren
(M. extensor carpi radialis longus et brevis, M. extensor digitorum und M. extensor
carpi unaris), von wo aus es dorsal des radialen Kollateralbandes zur Ulna zieht und
dort nach Verbindung mit Fasern des Lig. anulare breitbasig inseriert.
Das LCL schützt das Ellenbogengelenk gegenüber Varusstress und ermöglicht die Stabilisierung
des ulnohumeralen und des radiokapitellaren Gelenkabschnittes, wenn der Unterarm in
Supination belastet wird. Eine Läsion des LCL kann somit eine posterolaterale Rotationsinstabilität
(PLRI) zur Folge haben, wodurch der Radiuskopf nach dorsal aus dem Radiohumeralgelenk
luxiert. Eine weitere Außenrotation des Unterarms führt dazu, dass die Ulna aus dem
Ulnohumeralgelenk nach dorsal herausdreht, wodurch zunächst der Rest des LCL zusammen
mit der ventralen und posterioren Kapsel rupturiert, bevor das posteriore und gegebenenfalls
auch das anteriore Bündel des MCL reißt.
Das LCL schützt das Ellenbogengelenk gegenüber Varusstress. Eine Läsion kann eine
posterolaterale Rotationsinstabilität zur Folge haben.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Der Ellenbogen ist im Alltag durch repetitive Abduktionsbewegungen hauptsächlich Varusstress
ausgesetzt, wodurch es zu einer akuten oder chronischen Insuffizienz des lateralen
Kollateralbandapparats kommen kann. Aus diesem Grund wird eine PLRI häufiger gesehen
als eine mediale Instabilität.
Periphere Nerven
Die nervale Versorgung der auf den Ellenbogen wirkenden Muskulatur erfolgt durch 4
Nerven. Die Flexorengruppe wird vom N. musculocutaneus innerviert, der durch die Teilinnervation des M. brachialis durch den N. radialis unterstützt wird. Bei der chirurgischen Präparation muss auf den N. cutaneus antebrachii lateralis als Endast des N. musculocutaneus geachtet werden, der zwischen M. biceps brachii
und M. brachialis lateralseitig nach distal verläuft.
Eine Läsion des N. musculocutaneus hebt nicht die komplette Flexion des Ellenbogens
auf.
Die Extension des Ellenbogens erfolgt hauptsächlich über die posteriore Oberarmmuskulatur,
die vom N. radialis innerviert wird, der zwischen den Mm. brachialis und brachioradialis
in die Ellenbeuge tritt und sich spätestens vor dem Radiuskopf in einen R. superficialis
und einen R. profundus teilt.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Da sich der R. profundus bei Supination um den Radiushals schlingt und somit nach
proximal verlagert wird, kann durch Pronation eine größere Distanz zur Gelenkfläche
erreicht werden, was bei chirurgischen Eingriffen die sogenannte Safe-Zone vergrößert.
Der N. radialis innerviert des Weiteren die supinatorisch wirksamen Muskeln, wohingegen
die Pronatorgruppe vom N. medianus innerviert wird.
Als vierter wichtiger Nerv des Unterarms ist der N. ulnaris zu nennen, der nach Durchdringen des Septum intermusculare brachii mediale den medialen
Kopf des M. triceps brachii überquert und zum Sulcus nervi ulnaris zwischen dem Epicondylus
medialis und dem Olekranon läuft (Abb. [13]). Danach erreicht er zwischen den beiden Muskelköpfen des M. flexor carpi ulnaris
den Unterarm, wo er an der Ulnarseite auf dem M. flexor digitorum profundus weiter
nach distal verläuft.
Abb. 13 Nerven am Ellenbogengelenk. Innervation der A. cubiti [4]. a Ansicht von dorsal. b Ansicht von ventral.
Muskulatur und Muskelkräfte
Muskulatur und Muskelkräfte
Die Ellenbogenbewegungen sind neben dem Resultat der Gewichts- und Trägheitskräfte
des Unterarms und der Hand insbesondere das Ergebnis der Kräfte der das Gelenk umgebenden
Muskeln (Abb. [14]). Diese lassen sich nach Funktion einteilen in die Gruppen
Abb. 14 Muskeln des rechten Unterarms und des Ellenbogens [3]. a Frontalschnitt in der Ansicht von ventral. b Sagittalschnitt durch das Humeroradial- und das Radioulnargelenk in der Ansicht von
medial. c Sagittalschnitt durch das Humeroulnargelenk in der Ansicht von medial.
-
Flexoren/Extensoren und
-
Supination/Pronation.
Wichtig ist hierbei, dass jede Bewegung des Ellenbogengelenks das Resultat der Kraftwirkung
von mehr als einem Muskel ist.
Flexion im Ellenbogen
Die Flexoren des Ellenbogengelenks bestehen aus der ventralen Oberarmmuskulatur und
der radialen Unterarmmuskulatur. Die ventrale Oberarmmuskulatur besteht aus dem M. biceps
brachii und dem M. brachialis.
M. biceps brachii. Der M. biceps brachii, der doppelköpfig mit seinem Caput longum am Tuberculum supraglenoidale
und mit seinem Caput breve am Processus coracoideus entspringt und an einem gemeinsamen
Ansatz an der Tuberositas radii einstrahlend in die Aponeurosis bicipitalis ansetzt,
ist bei Flexion des Ellenbogengelenks nur bei supinierter oder neutraler Lage des
Unterarms aktiv.
M. brachialis. Der M. brachialis hat einen oberflächigen Kopf mit dem Ursprung am anterolateralen
Anteil des distalen Humerus bzw. beiden Septa intermuscularia; dieser oberflächige
Kopf liegt proximal zum kleineren tiefen Kopf und gibt den größten Anteil der Muskelfasern
ab, die an der Tuberositas ulnae ansetzen. Er ist, unabhängig von der Stellung, der
primäre Flexor des Ellenbogens. Diese Funktion wird vor allem durch die oberflächigen
Faseranteile erfüllt, wohingegen die tiefen Anteile bei der Startbewegung der Flexion
aktiv werden.
Der oberflächige größere Kopf des M. brachialis ist der wichtigste Flexor im Ellenbogengelenk.
Als weitere wichtige Funktion gibt der M. brachialis Muskelfasern in die ventrale
Gelenkkapsel ab, die bei Flexion ein Einklemmen der Kapsel verhindern. Nachteil seiner
hohen Querschnittsfläche im Bereich der Kapsel ist die Gefahr für Verletzungen bei
Ellenbogenluxationen.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Aufgrund seiner großen Querschnittsfläche ist der M. brachialis anfällig für heterotope
Ossifikationen postoperativ und Begleitläsionen im Rahmen von Ellenbogenluxationen
[9].
M. brachioradialis. Als dritter Muskel der Flexorengruppe hat der M. brachioradialis seinen Ursprung
an der Margo lateralis des Humerus, mit seinem Ansatz am distalen lateralen Aspekt
des Radius nahe dem radialen Styloid. Bei schnellen Beugebewegungen des Unterarms
oder beim Heben einer Last bei langsamer Flexion wird seine Hauptkraft entfaltet.
M. extensor carpi radialis. Als vierter Muskel zeigt der M. extensor carpi radialis ebenfalls ein Beugekraftpotenzial
am Ellenbogen. Er entspringt an der Crista supracondylaris lateralis und inseriert
dorsal an der Basis des Os metacarpale II. Neben seiner Funktion als Flexor im Ellenbogen
streckt er typischerweise im Handgelenk.
Studien zur Kraftentfaltung zeigten eine optimale Muskellänge mit maximaler isometrischer
Beugekraft bei einem Flexionswinkel von etwa 65°, wobei die maximale Beugekraft in
Supination oder Neutralstellung des Unterarms generiert wird. Bei Pronation des Unterarms
reduziert sich die maximale Flexionskraft um ca. 22 %. Die Reaktionskräfte in Flexion
finden in distaler und posteriorer Richtung statt. Daraus ergibt sich ein Krafteintrag
an der Basis des Koronoids und an der posterioren Lippe des Radiuskopfes, welcher
jedoch abhängig von der Ellenbogenflexionsstellung ist.
Prinzipien
Chirurgische Relevanz
Der Krafteintrag an der Basis des Koronoids und an der posterioren Lippe des Radiuskopfes
ist zum Verständnis von Versagensmechanismen, besonders von Radiuskopfprothesen, aber
auch dem verfrühten Auftreten von arthrotischen Veränderungen wichtig.
Extension
M. triceps brachii. Der primäre Ellenbogenstrecker ist der M. triceps brachii. Er hat das größte Arbeits-
und damit Kraftpotenzial für die Ellenbogenextension. Das Caput longum des Muskels
entspringt am inferioren Rand des Glenoids der Skapula und zieht zwischen M. teres
minor und major nach distal, wobei es diesen als Hypomochlion nutzt und auf diese
Weise seinen Hebelarm verbessern kann. Hierdurch kann es als primärer Strecker des
Ellenbogengelenks gesehen werden [13].
Der mediale und laterale Kopf sind am posterioren Humerus fixiert. Alle 3 Köpfe setzen
mit einer gemeinsamen Sehne am Olekranon an, wobei sich beim Überspannen des Gelenks
Muskelfasern abspalten und in die dorsale Kapsel einstrahlen. Auf diese Weise kann
in Extension eine Einklemmung der Kapsel vermieden werden [11].
M. anconeus. Als zweiter Muskel zeigt sich der M. anconeus, der aus der lateralen Fortsetzung
des Caput mediale hervorgeht, vor allem zu Beginn der Extension aktiv. Hauptfunktion
des Muskels scheint indes die Stabilisierung des Ellenbogens bei Gesamtbewegungen
der oberen Extremität zu sein, insbesondere zum Balancieren von externem Varusstress
und posterolateralen Rotationskräften [11].
Das höchste Extensionsmoment von etwa 75 Nm tritt bei 60° Ellenbogenbeugung auf und
ist als Resultat im Vergleich zum Flexionsmoment deutlich erhöht, was durch die verschiedenen
Hebel und Kraftarme zu begründen ist, wobei die Positionierung des Unterarms hierbei
zu vernachlässigen zu sein scheint. Auch die Gelenkkraft zeigt sich bei Extension
um das 3-Fache gegenüber der Flexion erhöht. Aufgrund der kleinen Kraftarme der Extensionsmuskeln
kann die resultierende Gelenkkraft mit Hauptwirkung am distalen Aspekt der Trochlea
das bis zu 20-Fache der an der Hand wirkenden externen Lasten ausmachen [12].
Umwendbewegungen
Je nach Stellung des Unterarms können die Umwendbewegungen (Pronation/Supination)
sowohl aus einer Kraftentfaltung der Flexoren als auch der Extensoren erfolgen. Zum
Verständnis und der Ableitung der Zugrichtung des Muskels muss die Kreuzung der Pro-
und Supinationsachse (Linie zwischen Caput radii und Caput ulnae) berücksichtigt werden.
Das größte Drehmoment ist für beide Bewegungen – Pronation und Supination – bei einem
90° flektierten Ellenbogen möglich. Das Pronationsmoment ist jedoch aufgrund der Dehnung
der Pronatoren bei Supination des Unterarms deutlich größer (in 60° beispielsweise
10 Nm in Pronation und 2 Nm in Supination).
Pronation
Die M. pronator quadratus und M. pronator teres sind für die Pronation des Unterarms
verantwortlich.
M. pronator teres. Der M. pronator teres, der am Epicondylus mediale und am Processus coronoideus entspringt,
zieht zum lateralen Aspekt des supinierten Radius und inseriert etwa in der Mitte
des Radiusschaftes. Eine Hypertrophie kann zum Pronator-teres-Syndrom (Kompression
des N. medianus) führen.
Der M. pronator teres ist der primäre Pronator des Unterarms unabhängig von der Lage
des Unterarms oder der Flexionsstellung. Dies überrascht, da seine Muskellänge von
der Flexion im Ellenbogengelenk abhängt. Biomechanische Studien zeigten außerdem eine
geringe Beugefähigkeit dieses Muskels auf.
M. pronator quadratus. Der M. pronator quadratus wird besonders bei schneller und kraftvoller Pronation
vermehrt beansprucht. Er hat seinen Ursprung am volaren Rand der distalen Ulna und
inseriert am distalen und lateralen Aspekt des supinierten Radius.
Supination
Die beiden Muskeln, die sich für die Supination des Unterarms verantwortlich zeigen,
sind der M. supinator und der M. biceps brachii.
M. biceps brachii. Sein Verlauf wurde bereits oben beschrieben.
M. supinator. Der M. supinator zieht breitbasig proximal und distal vom lateralen Epikondylus des
Humerus, dem LCL, dem Lig. anulare und von der Crista musculi supinatoris zum anterioren
Aspekt des supinierten proximalen Radius. Die Supinationsfunktion des M. supinator
ist zwar schwächer als die des M. biceps brachii, jedoch nicht von der Beugestellung
des Ellenbogens abhängig.
Blutversorgung
Die arterielle Blutversorgung des distalen Humerus und des proximalen Unterarms erfolgt
über ein Netz (Rete articulare cubiti) von rückläufig aufsteigenden Ästen der A. radialis
und A. ulnaris (A. recurrens radialis et ulnaris), die untereinander und mit Kollateralarterien
der A. brachialis anastomosieren. Durch diese anatomische Besonderheit ergibt sich
eine Art „Wasserscheide“ im zentralen Bereich des distalen Humerus, der somit auf
Zuflüsse von der kranial auslaufenden zentralen Arterie und der von medial und lateral
über die Kondylen eintretenden Gefäße angewiesen ist (Abb. [15]).
Abb. 15 Die „Wasserscheide“ am distalen Humerus [1].
Im weiteren Verlauf zieht die A. radialis über den M. pronator und verläuft unter
dem M. brachioradialis. Die A. ulnaris zieht unter dem M. pronator teres und dem M. flexor
carpi ulnaris nach distal (Abb. [15]) [1].