Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50(10): 606-612
DOI: 10.1055/s-0041-107055
Fachwissen
Schmerztherapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen – Die LONTS-Leitlinie gibt Orientierung

Long-term administration of opioids for non-tumor pain – LONTS guideline provides an orientation
Frank Petzke
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Publication Date:
28 October 2015 (online)

Zusammenfassung

Opioidhaltige Analgetika werden in der Langzeitanwendung (≥3 Monate) bei chronischen nichttumorbedingten Schmerzen national und international kritisch diskutiert. Für Deutschland finden sich zwar Hinweise für einer Unter, Fehl-, und Überversorgung, eine "Opioidepidemie" wie in den USA kann derzeit nicht nachvollzogen werden. Die S3-Leitlinie LONTS (Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen)schafft einen Orientierungsrahmen zur Verbesserung der Versorgung und enthält sowohl Aussagen zur Evidenz, Indikationen und Kontraindikationen, als auch konkrete und praxisnahe Empfehlungen zur Steuerung und Führung einer langfristigen Opioidtherapie.

Abstract

The long-term usage of opioid analgesics (> 3 months) for chronic, non-cancer related pain is critically discussed nationally and internationally. There are indications ofunder- and oversupply as well as misuse of opioids in Germany, but an “opioid epidemic” such as is evident in the USA cannot be detected at present.The S3-guideline LONTS (long-term usage of opioid analgesics for non-cancer related pain)serves as an orientation to improve provision of opioids and contains statements about the available evidence, indications and contraindications of use, as well as practical recommendations for managing a long-term opioid therapy.

Kernaussagen

  • Opioide sind eine gesicherte medikamentöse Therapieoption in der kurzfristigen Therapie (4–12 Wochen) von Schmerzen bei Arthrose, diabetischer Polyneuropathie, Postzosterneuralgie und chronischen Rückenschmerzen.

  • Nur ein Teil der Patienten mit Erkrankungen (ca. 25 %) profitiert von einer Langzeittherapie (> 26 Wochen). Nur bei diesen Therapie-Respondern sollte die Therapie fortgeführt werden. Dosen > 120 Morphinäquivalent / Tag sollte man nur im Ausnahmefall überschreiten.

  • Bei anderen Krankheitsbildern ist eine kurz- und langfristige Therapie als individueller Therapieversuch zu werten.

  • Kontraindikationen für die Therapie mit Opioiden sind primäre Kopfschmerzen sowie funktionelle und psychische Störungen mit dem Leitsymptom Schmerz.

  • Opioide sind für keine der möglichen Indikationen bei chronischen Schmerzen eine Erstlinien-Option. Eine Schmerztherapie sollte sich nicht auf Opioide beschränken, sondern durch andere Verfahren ergänzt werden (z. B. physikalische, physiotherapeutische, psychotherapeutische, Edukation, multimodale Konzepte).

  • Die Auswahl der Pharmakotherapie und des Opioids orientiert sich am individuellen Fall (Vorerfahrungen, Begleiterkrankungen, Präferenzen, Nutzen / Schaden) in partizipativer Entscheidungsfindung mit dem Patienten.

  • Die Identifizierung und Überprüfung individueller und realistischer Therapieziele sowie die Überwachung in Bezug auf Nebenwirkungen bzw. einen Fehlgebrauch der Medikation bildet die Grundlage für die Therapiesteuerung.

  • Die ärztliche Kunst bei der Langzeitbehandlung mit Opioiden besteht nicht selten darin, eine nicht wirksame, zweifelhafte oder sogar schädliche Therapie rechtzeitig zu beenden.

Ergänzendes Material