intensiv 2015; 23(06): 302-303
DOI: 10.1055/s-0041-105913
Kolummne · Rechtsticker
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kolummne · Rechtsticker

Heidi Günther
,
Tobias Weimer
1   WEIMER I BORK – Kanzlei für Medizin-, Arbeits- & Strafrecht, Frielinghausstr. 8, 44803 Bochum, Email: info@kanzlei-weimer-bork.de
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06 November 2015 (online)

KOLUMNE

Ein Blick in die Zukunft?

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Heidi Günther (Paavo Blåfield)

Kommt Zeit, kommt Rente, kommt Rente, geht Zeit.

(Dr. phil. Manfred Hinrich, 1926–2015, deutscher Philosoph)

Der „Eiserne Kanzler“, Otto von Bismarck, hat schon im Mai 1889 im deutschen Reichstag ein Gesetz zur Einführung einer Altersrente verabschieden lassen. Demnach mussten alle Arbeitgeber ab dem 16. Lebensjahr einen Rentenversicherungsbeitrag von 1,7 % ihres Lohns abgeben. Schon damals hat die Hälfte dieser Abgaben der jeweilige Arbeitgeber zu leisten gehabt. Im Grunde hat sich daran ja nicht so viel geändert. Nur dass der durchschnittliche Arbeitgeber zu Bismarcks Zeiten etwa 2.000 Mark Jahresverdienst und eine Lebenserwartung von knapp 40 Jahren hatte.

Das sieht für uns heute deutlich optimistischer aus. In Deutschland beträgt das jährliche Durchschnittseinkommen etwa 41.000 Euro – brutto versteht sich – und der zu zahlende Rentenpflichtbeitrag liegt zurzeit bei 18,7 %. Dafür hat sich aber auch das zu erwartende Lebensalter gewissermaßen verdoppelt. Damit wir uns nun nicht ganz so wohl und behaglich fühlen und uns vielleicht sogar noch auf die irgendwann kommende Zeit als Rentner freuen, wird mit unsympathischen Begriffen wie „Demografischer Wandel“, „Alterspyramide“ und „Altersarmut“ in den Nachrichten nicht gespart. Wenn dann noch der jährliche Informationsbrief der Deutschen Rentenversicherung ins Haus flattert, bekommen Vorfreude und Optimismus auf die irgendwann zu erreichende Rentenzeit einen endgültigen Dämpfer. Bei mir wird es wohl knapp werden – und das, obwohl ich schon mit 63 die 45 Jahre reine Arbeitszeit locker erreicht habe, die ich brauche, um in den Ruhestand zu gehen.

Wobei es mit der Ruhe sicher nicht weit her sein wird. Obwohl ich vor Jahren schon begonnen habe privat vorzusorgen, wie von der Politik in Endlosschleife gefordert wird. Zum Glück ist es nicht die mit viel Tamtam 2002 eingeführte Riesterrente geworden. Dafür war ich damals schon zu alt, als dass es sich für mich gerechnet hätte, zudem waren im Laufe der Jahre oft sehr kritische Stimmen und Kommentare zu diesem Sparmodel zu hören. Ich habe mich da lieber an die Bank meines Vertrauens gehalten und hoffe sehr, es damit richtig gemacht zu haben – nur, damit ich dann noch einmal durchstarten kann.

Dabei ist mir allein das Wort Rentnerin schon ungeheuer unsympathisch. Wenn ich Synonyme für Rentnerin nachschlage, erscheinen Worte wie: alt, alte Dame, alte Frau, altersschwach, Greisin und schwächlich. Genau das wollte ich dann eigentlich alles nicht sein.

Ich kann es offensichtlich drehen wie ich will: Ganz so euphorisch, wie ich mir das als junge Frau einmal gedacht hatte, wird es wohl nicht werden. Damals sah ich mich als sich jugendlich fühlende, gesunde, dynamische, aktive, finanziell unabhängige, reisende und das Leben genießende Frau. Ich stellte mir eine Finca mit Pool, Garten und Hundezucht in Spanien vor. Oder auch eine – natürlich altersgerechte – Wohnung mit Garten und dann da die Hundezucht, irgendwo am Rand einer großen Stadt. Dort wollte ich dann in meinem Garten ein bisschen werkeln. Nicht dass ich das schon mal gemacht hätte und auf irgendwelche Erfahrungen zurückgreifen könnte. Aber ich hätte ja Zeit und Möglichkeiten, mich ohne Ende auszuprobieren. Wenn es gar nicht klappen würde, könnte ich irgendwelche Kurse besuchen und alles neu erlernen. Sollte das auch nichts bringen, könnte ich immer noch einen knackigen Gärtner einstellen. Ich wollte in meinem Garten sitzen. Ein bisschen lesen oder schreiben, meine Hunde und den Gärtner bei seiner schweißtreibenden Arbeit beobachten und es mir rundherum gut gehen lassen. Ich könnte in die nahegelegene Großstadt fahren. Dort ein bisschen shoppen, zum Friseur oder essen gehen. Wenn ich Lust hätte, könnte ich in ein Kino oder Theater gehen oder ein Museum besuchen. Natürlich könnten auch die Kinder mit den Enkeln mal vorbeikommen. Sie müssten dann aber auch zeitnah wieder abfahren, weil: Ich habe ja mein Tun und auch ein Rentnertag hat nur 24 Stunden. Richtig schön könnte es werden.

Alles Konjunktiv, und ich habe so meine Befürchtungen, dass das Ganze nicht so blumig und verträumt werden wird. Zuerst einmal werde ich wohl oder übel, wie viele Rentner in unserem Land, weiter in einem 450-Euro-Job arbeiten müssen. Ich werde froh sein, wenn ich meine jetzige Wohnung halten kann, und von dem erträumten Garten werden wohl zwei Balkonkästen übrigbleiben. Sicherlich werde ich ab und zu mal irgendwohin reisen können und mir irgendwelche Fincas aus der Ferne ansehen. Der knackige, verschwitze Gärtner wird wohl nur in meiner Fantasie zum Einsatz kommen. Ich werde dann sehr froh sein, wenn die Kinder und Enkelkinder vorbeikommen und ein bisschen Leben und Abwechslung in mein Rentnerleben bringen. Und wenn dann gar nichts mehr geht, wird es wohl bestenfalls eine Alters-WG werden. In dieser können wir uns dann gegenseitig buchstäblich stützen.

Aber man wird ja mal träumen dürfen.

In diesem Sinne,

Ihre
Heidi Günther
hguenther@schoen-kliniken.de