Schlüsselwörter Krebsregister - Vollständigkeit - Datenqualität - Nachbeobachtung - Verzerrung
Keywords cancer registry - completeness - data quality - follow-up - bias
Einleitung
In der Bundesrepublik werden unter regional variierenden gesetzlichen Rahmenbedingungen
Tumorerkrankungen in klinischen und epidemiologischen Krebsregistern erfasst. Während
die epidemiologischen Register Daten für die Bestimmung wichtiger epidemiologischer
Kennziffern in größeren Gebieten erfassen [6 ]
[15 ], werden in den klinischen Krebsregistern Details der Diagnostik, der Therapie, der
Behandlungsergebnisse sowie des Krankheitsverlaufes aufgeführt. Diese Daten sollen
die vernetzte Behandlung der Tumorpatienten unterstützen und eine detaillierte Grundlage
für Qualitätssicherung und klinische Forschung liefern [9 ]
[7 ]. Das setzt eine hohe Vollzähligkeit, Vollständigkeit, Korrektheit und Aktualität
der erhobenen Daten voraus.
Einen Hinweis auf die zu erwartenden Erkrankungszahlen liefert das Robert Koch-Institut
unter Einbeziehung der Alters- und Geschlechtsstruktur des Einzugsgebietes [10 ]. Allerdings können so mögliche andere regionale Besonderheiten nicht vollständig
berücksichtigt werden. Wir nutzten für unsere Studie die Tatsache, dass Patienten
mit kolorektalem Karzinom aus zwei großen Magdeburger chirurgischen Kliniken über
einen längeren Zeitraum in zwei unabhängigen Registern mit unabhängigen Meldewegen
erfasst wurden.
In mehreren Studien wurden bereits Analysen für Überlebenszeiten bei kolorektalem
Karzinom anhand von Daten aus Krebsregistern durchgeführt [11 ]
[12 ]
[8 ]. Das hier betrachtete klinische Krebsregister Magdeburg (KKR) wurde 1993 an der
Universität Magdeburg etabliert. Es erfasst Daten aus dem nördlichen Sachsen-Anhalt
mit ca. 1,2 Millionen Einwohnern und leitet diese an das gemeinsame epidemiologische
Register der neuen Bundesländer in Berlin weiter. Mit der Einführung der Meldepflicht
in Sachsen-Anhalt im Jahr 2000 kann davon ausgegangen werden, dass eine stabile Meldetätigkeit
erfolgt [5 ].
Das im Jahr 2000 gegründete An-Institut für Qualitätssicherung in der operativen Medizin
gGmbH an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (An) verfolgt das Ziel, mittels
prospektiver multizentrischer Beobachtungsstudien die Qualität der chirurgischen Behandlungen
unter Routine-Bedingungen zu erfassen und zu analysieren, insbesondere auch für Patienten
mit kolorektalem Karzinom [14 ]
[13 ]
[2 ].
Konkret sollten hier anhand der Patienten der zwei ausgewählten Kliniken die Daten
des An-Instituts zur Kontrolle der Vollständigkeit der Erfassung der Tumorpatienten
im klinischen Krebsregister genutzt werden.
Insbesondere werden folgende Fragen untersucht:
Wie hoch ist die Rate der im An-Institut erfassten Patienten, die auch im klinischen
Krebsregister gemeldet sind?
Wie hoch ist die Übereinstimmung der an beide Register gemeldeten Patienten bzgl.
der Vollständigkeit und Qualität der Daten?
Gibt es zeitliche Trends oder andere Einflüsse auf die Vollständigkeit der Erfassung?
Welchen Einfluss haben Erfassungsprobleme der Basisdaten und der Nachbeobachtung auf
die Schätzungen der Überlebenszeiten und der Metastasierungsraten?
Patienten und Methoden
In unserer Untersuchung betrachteten wir Patienten mit kolorektalem Karzinom, die
an der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie der Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg sowie an der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Magdeburg
gGmbH behandelt wurden. Beide Kliniken melden ihre Patienten an das KKR, sind aber
zusätzlich Initiatoren und Teilnehmer der Qualitätssicherungsprogramme des An. Die
Meldungen an das KKR bzw. das An umfassen einen ähnlichen Kern-Datensatz. Aber die
beiden Register sind organisatorisch und in ihrer Zielstellung von einander unabhängig.
Im An werden die Daten entweder über einen detaillierten Erhebungsbogen oder online
durch Ärzte erfasst. Im KKR werden flächendeckend alle Tumorerkrankungen auf der Grundlage
des Basisdatensatzes der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e. V. (ADT) mit
speziellen organspezifischen Erweiterungen erfasst. Grundlage für die Erhebungen sind
hier die Arztbriefe und ggf.
Operationsberichte. Die Vollzähligkeit der Patienten mit kolorektalem Karzinom beträgt
für das KKR derzeit ca. 70 % der zu erwartenden Fälle [10 ]
[4 ]. Für diese Studie wurden die Daten des KKR in die Erfassungsstrukturen des An konvertiert,
um eine Vergleichbarkeit herzustellen.
Es wurden alle Patienten einbezogen, die in den Jahren 2000 bis 2010 mit der Diagnose
Kolon- oder Rektumkarzinom in einer der beiden Kliniken behandelt und an das An gemeldet
wurden. Patienten mit Kolonkarzinom in den Jahren 2005 bis 2007 wurden ausgeschlossen,
da in diesen drei Jahren keine entsprechende Studie im An lief. Falls von einem Patienten
mehrere Karzinome gemeldet waren, wurde bei zeitgleichen Karzinomen der jeweils schwerwiegendere
Befund, ansonsten das zeitlich erste Karzinom ausgewählt. Ausgeschlossen wurden darüber
hinaus 46 Patienten, deren Erstversorgung in einer auswärtigen Einrichtung erfolgte.
Das Zusammenführen der anonymisierten Daten aus beiden Registern erfolgte anhand des
Geschlechts, der Diagnose sowie des Geburts- und Operationsdatums.
Statistische Analysemethoden | Die Vollständigkeit der Erfassung im KKR wurde beurteilt, indem geprüft wurde, welcher
Anteil der im An erfassten Patienten ebenfalls im KKR aufgeführt wurde. Vergleiche
zwischen Subgruppen erfolgen mit dem Chi2 -Test. Weiterhin wurden für die Patienten, die in beiden Registern erfasst waren,
die aufgeführten Merkmalsausprägungen aus beiden Quellen gegenübergestellt und die
Übereinstimmung mittels einfacher prozentualer Übereinstimmungsrate sowie mit Cohens
Kappa (κ) beschrieben. Überlebenszeitverläufe wurden mit dem Kaplan-Meier-Verfahren
geschätzt. Für die Vergleiche der Daten zur Nachbeobachtung wurden Wilcoxon-Paardifferenzentests
und McNemar-Tests genutzt. Alle Berechnungen erfolgten mittels SPSS, Version 21. In
den exploratorisch durchgeführten Tests wurde ein p-Wert unter 0,05 als statistisch
signifikant gewertet.
Ergebnisse
Allgemeine Angaben | Zwischen 2000 und 2010 wurden 1650 Patienten im An erfasst. Davon waren 1302 (78,9 %)
auch im KKR registriert. Untersucht man den zeitlichen Verlauf der Erfassungsraten
(Abb.
[
1a
]), so stellt man eine deutliche Zunahme fest (p < 0,001). Allerdings unterschieden
sich die beiden betrachteten Kliniken auch recht deutlich (Abb.
[
1b
]).
Abb. 1 Entwicklung der Melderaten des KKR über die Studienzeit. a) Beide Einrichtungen zusammengefasst,
b) Melderaten getrennt nach Kliniken.
In Tab.
[
1
] wird die Erfassungsrate in Abhängigkeit vom Alter und Geschlecht dargestellt. Die
Erfassungsrate für Männer und Frauen unterschied sich nicht signifikant (p = 0,106).
Die Erfassungsraten hingen aber signifikant vom Alter des Patienten zum Zeitpunkt
der Operation ab (p = 0,007). Sie waren am höchsten in der Gruppe von 40 bis 50 Jahren
und am schlechtesten bei den Patienten ab 80 Jahren.
Tab. 1
Melderaten des KKR in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht der Patienten nach Angabe
An.
Alle im An erfasste Patienten mit bekanntem Geschlecht (Alter) (n = 1646 bzw. 1645)
♂
♀
< 40 J.
40–50 J.
50–60 J.
60–70 J.
70–80 J.
≥ 80 J.
gesamt
1003
643
24
67
268
563
537
186
im KKR erfasst %
80,2
76,8
75,0
85,1
79,9
82,9
76,7
71,0
Diagnostik und Therapie | Exemplarisch wird in Abb.
[
2
] die Vollständigkeit der Erfassung in Abhängigkeit vom Tumorstadium und von der Durchführung
der Resektion (beides nach den Angaben des An) betrachtet. Man erkennt eine statistisch
signifikante Zunahme der Erfassungsrate mit steigendem Stadium (p < 0,001, sowohl
mit als auch ohne Einbezug des unbekannten Stadiums). Weiterhin deutete sich eine
verminderte Erfassung der Patienten ohne erfolgte Resektion an (p = 0,095).
Abb. 2 Vollständigkeit des Registers in Abhängigkeit von a) Tumorstadium und b) Tumorresektion
(p = 0,095). Die Klassifikation richtet sich dabei nach den Angaben des An.
Der folgende Vergleich berücksichtigt nur Patienten, die in beiden Registern erfasst
sind. Weiterhin werden
In-Situ-Karzinome (pTis),
neuroendokrine Tumoren (NET),
gastrointestinale Stromatumore (GIST),
Melanome,
Sarkome und
Lymphome
ausgeschlossen. Nicht berücksichtigt wurden weiterhin Patienten, bei denen der Primärtumor
nicht oder lediglich durch lokale Exzision entfernt wurde, sowie Patienten mit neoadjuvanter
Therapie, da bei diesen die pTNM-Klassifikation nicht oder nur unvollständig erfolgen
kann. Damit verblieben 1031 Patienten.
Tab.
[
2
] zeigt die Übereinstimmung der beiden Datenquellen für die pathologische TNM-Klassifikation
und für das Resektionsergebnis. Für die T-, N- und M-Kategorie stimmten die Angaben
in mindestens 95 % überein (κ-Werte über 0,86). Die R0-Spezifikation zeigte 92,4 %
Übereinstimmung mit κ = 0,78. Allerdings fanden sich bei T- und N-Kategorie in beiden
Registern zusammen 13 % bzw. 8 % fehlende Angaben, beim R0-Status 5 %. Der größere
Teil der Fehlwerte stammt dabei aus dem KKR als Hinweis auf mangelnde Qualität der
Datenübermittlung durch Arztbriefe.
Tab. 2
Gegenüberstellung der Einträge aus beiden Registern (n = 1031, X: nicht oder als unbekannt
angegeben). Die prozentuale Übereinstimmung und Cohens Kappa (κ) wurden unter Ausschluss
der X-Stufen in beiden Registern berechnet.
Angabe im KKR
Angabe im An
pT-Kategorie
1
2
3
4
X
0
0
0
0
0
1
1
57
2
0
1
5
2
2
166
5
0
6
3
1
1
463
4
72
4
0
2
4
187
33
X
4
1
2
1
11
Übereinstimmung 97,5 %, κ = 0,961
pN-Kategorie
0
1
2
X
0
470
3
2
19
1
2
221
3
19
2
7
6
232
32
X
8
1
0
6
Übereinstimmung 97,6 %, κ = 0,961
pM-Kategorie
0
1
0
745
24
1
28
234
Übereinstimmung 95,0 %, κ = 0,866
R-Klassifikation
0
> 0
X
0
725
56
15
> 0
19
182
5
X
15
13
1
Übereinstimmung 92,4 %, κ = 0,780
Fehlende Angaben bei N- und T-Kategorie führen zwangsläufig zu unterschiedlicher Stadieneinteilung,
wobei sich die Effekte summieren. Bei 943 der 1031 Patienten (92 %) stimmte die Stadieneinteilung
überein. Schließt man wieder die Patienten mit fehlender Angabe in einer der beiden
Datenquellen aus, erhält man eine prozentuale Übereinstimmung von 94 % bei einem κ
von 0,918.
Nachbeobachtung | Wir betrachten eine Nachbeobachtung als adäquat, wenn der Patient entweder 5 Jahre
oder bis zum Jahr 2011 beobachtet wurde oder verstorben ist. Betrachtet man die oben
ausgewählten 938 Patienten mit übereinstimmendem Stadium I–IV unter diesem Aspekt,
so zeigt sich, dass im KKR in 73,2 % der Fälle eine adäquate Nachbeobachtung erfasst
wurde, im An nur in 30,7 % (p < 0,001). Abb.
[
3
] zeigt die Entwicklung dieser Kenngröße über die Zeit. Während im KKR in den letzten
Jahren die angestrebte Rate von mindestens 80 % erreicht wurde, liegen die Angaben
im An deutlich darunter. Die Verteilung der auf 60 Monate (5 Jahre) beschränkten Nachbeobachtungszeiten
von KKR und An ist in Abb.
[
4
] dargestellt. Im KKR gab es einen großen Anteil von Patienten, welche die Nachbeobachtungszeit
von 5 Jahren erreichten. Die mediane Nachbeobachtungszeit beträgt im KKR 25,1 Monate,
im An
3,2 Monate (p < 0,001).
Abb. 3 Vollständigkeit der Nachbeobachtung a) im KKR sowie b) im An, jeweils n = 938. Rot:
80 %.
Abb. 4 Verteilung der Nachbeobachtungszeit a) im KKR sowie b) im An, jeweils n = 938.
Dementsprechend unterschieden sich auch die Langzeitergebnisse. Nach den Angaben des
An sind in den ersten 5 Jahren 22,6 % der Patienten verstorben, nach den Angaben des
KKR 38,7 % (p < 0,001).
Es stellt sich die Frage, inwieweit die bislang beobachteten Unterschiede der beiden
Datenquellen die Schätzungen der Überlebenszeitkurven als wichtigen Indikator der
Ergebnisqualität beeinflussen. Um das zu untersuchen, wurden zunächst die Kaplan-Meier-Schätzungen
der Überlebenszeitkurven aus dem KKR und dem An separat bestimmt, jeweils anhand der
aus der jeweiligen Quelle eingeschlossenen Patienten. Abb.
[
5
] zeigt die beiden auf 5 Jahre begrenzten Kurven, einmal insgesamt, einmal stratifiziert
nach den Stadien I–IV bzw. X (wenige Fälle mit Stadium 0 wurden hier ausgelassen).
Die Schätzungen aus KKR und An stimmten hier jeweils recht gut überein, nur bei unbekanntem
Stadium gab es stärkere Abweichungen.
Abb. 5 Separate Kaplan-Meier-Schätzungen der Überlebenszeitkurven mit allen verfügbaren
Patienten; a) unstratifiziert, b) stratifiziert nach Tumorstadium.
Das ändert sich, möglicherweise auch wegen des reduzierten Stichprobenumfanges, wenn
man nur die Rektumkarzinome betrachtet (Abb.
[
6
]). Hier wurden fast alle Abweichungen zwischen KKR und An größer.
Abb. 6 Separate Kaplan-Meier-Schätzungen der Überlebenszeitkurven mit jeweils allen Rektumkarzinom-Patienten
der beiden Datenquellen; a) unstratifiziert, b) stratifiziert nach dem Tumorstadium.
Diese Unterschiede verschwanden weitgehend, wenn die Kurven jeweils mit den gleichen
Patienten mit bekannter und übereinstimmender Stadieneinteilung zwischen beiden Datenquellen
berechnet wurden (Abb.
[
7
]). Es blieben aber selbst in dieser Selektion Unterschiede zwischen beiden Kurven
bestehen, was besonders in der unstratifizierten Darstellung im Bereich über zwei
Jahre sichtbar wird.
Abb. 7 Separate Kaplan-Meier-Schätzungen der Überlebenszeitkurven mit den Rektumkarzinom-Patienten
der Auswahlmenge aus beiden Datenquellen; a) unstratifiziert, b) stratifiziert nach
dem Tumorstadium.
Auf statistische Tests zum Vergleich der Überlebenszeitkurven wird hier verzichtet,
da die zu vergleichenden Kurven teils aus abhängigen, teils aus unabhängigen Stichproben
stammen.
Diskussion
Die Problematik unvollzähliger, unvollständiger, unkorrekter oder nicht aktueller
Datenerfassung rückt zunehmend in das Bewusstsein der Registerbetreiber. Einerseits
werden die Bemühungen um eine bessere Erfassung der Daten forciert, andererseits wird
aber auch kritisch untersucht, welchen Einfluss die bestehenden Mängel auf die Analyse-Ergebnisse
haben können.
Jüngere Untersuchungen betrachten z. B. durch simulierte Fehlwerte in vorhandenen
Daten die Leistung verschiedener Imputationsverfahren [3 ]. Solche Verfahren benutzen üblicherweise die Missing-at-Random-Annahme. Diese besagt
sinngemäß, dass mögliche systematische Einflüsse auf die Ausfallwahrscheinlichkeit
durch andere vorhandene Angaben vom Patienten berücksichtigt und korrigiert werden
können. Diese Annahme ist praktisch kaum zu überprüfen. Weiterhin muss man damit rechnen,
dass bestimmte Teilgruppen der Patienten mit über- oder unterdurchschnittlicher Wahrscheinlichkeit
gar nicht erfasst werden, so dass auch keine Ersetzung einzelner fehlender Angaben
erfolgen kann. Wir nutzten daher in unserem Umfeld die besondere Situation, dass wir
für ausgewählte Entitäten eine Registrierung der Tumorfälle in zwei unterschiedlichen
Erfassungssystemen mit relativ unabhängigen Meldewegen haben.
Im KKR fehlte etwa ein Sechstel der Patienten des An, wobei sich die Erfassungsrate
über die Zeit verbesserte. Dabei bestand eine Abhängigkeit vom Alter, wobei die Altersgruppe
ab 80 Jahren am schlechtesten erfasst wurde. Es zeigte sich hier weiterhin, dass die
Zertifizierung einer Klinik als Darmzentrum ein wichtiger Stimulus für die Erzielung
einer hohen Melderate war.
Naturgemäß können wir keine direkten Aussagen darüber treffen, wie viele Patienten
zwar zur untersuchten Population der beiden Kliniken gehören, aber in keinem der beiden
Register erfasst wurden. Wir vermuten aber, dass dieser Anteil klein ist. Das wird
auch aus dem Vergleich mit epidemiologischen Daten unterstützt, wonach das KKR etwa
eine Erfassung von 70 % aufwies, während 79 % aller An-Patienten im KKR wiedergefunden
wurden.
Bei den diagnostischen Angaben und der Angabe des erzielten R-Status konnte eine gute,
wenn auch nicht vollständige, Übereinstimmung der Einträge festgestellt werden. Es
zeigte sich, dass mit zunehmender Krankheitsschwere die Patienten mit höherer Wahrscheinlichkeit
im KKR erfasst wurden. Das lässt sich gut daraus erklären, dass dies auch mit einer
zunehmenden Anzahl von Arztkontakten und damit einer höheren Wahrscheinlichkeit der
Meldung an das KKR verbunden ist. Beim An erfolgen die Meldungen weitgehend über die
beteiligten chirurgischen Einrichtungen selber. Aber auch wenn ein Patient in beiden
Registern erfasst ist, gab es einen beträchtlichen Anteil von fehlenden Angaben in
einigen der hier betrachteten diagnostischen Kategorien.
Eine kontinuierliche Nachbeobachtung erfordert einen großen Aufwand, ist jedoch zur
Beurteilung der Ergebnisqualität unverzichtbar. Auf Probleme, die durch eine unvollständige
Nachbeobachtung entstehen können, wurde bereits in [1 ] hingewiesen.
Das KKR ist bei der Erfassung der Langzeitverläufe durch die Nutzung der vernetzten
Arztkontakte im Vorteil. Weiterhin erhält das KKR vierteljährlich über das epidemiologische
Krebsregister einen Abgleich der Todesfälle, sodass diese im KKR weitgehend erfasst
werden. Von den noch lebenden Patienten ist bei einem hohen Anteil die maximal mögliche
Länge der Nachbeobachtung erreicht. Ein Teil der im KKR fehlenden Nachbeobachtung-Angaben
für eine längere Nachbeobachtungsdauer erklärt sich aus der Tatsache, dass das KKR
Magdeburg zwar ein regionales Register ist, aber auch etwa 10 % Patienten mit einem
Wohnsitz außerhalb des Erfassungsgebietes umfasst. Außerdem befand sich in der Gruppe
mit kurzer Nachbeobachtung ca. ein Drittel der Patienten im Stadium 1.
Einer der Gründe für eine fehlende Nachbeobachtung im An ist die fehlende Zustimmung
der Patienten für spätere Kontaktaufnahmen. Wenn hier eine konstruktive Lösung der
Fragen des Datenschutzes gefunden wird, könnte sowohl die Erstmeldung der Patienten
als auch die Nachbeobachtung leichter erfolgen und ein regelmäßiger Datenabgleich
zwischen KKR und An stattfinden, um Fehlerquellen durch eine wiederholte Erfassung
der Daten zu minimieren.
Die Schätzung der Überlebensraten wurde durch die vorhandenen Lücken oder Fehler in
der Erfassung durchaus beeinträchtigt. Nach den Abb.
[
6
] und Abb.
[
7
] schien der größere Einfluss dabei aus Selektionseffekten zu entstehen. Aber auch
wenn nur die gleichen Patienten aus beiden Datenquellen eingeschlossen wurden, beeinflusste
die ungleiche Nachbeobachtung bei den Zeiten über zwei Jahre die geschätzten Überlebenszeitkurven
deutlich.
Die Arbeit weist damit insgesamt auf mehrere Quellen von Verzerrungen bei Analysen
von Registerdaten hin. Dies kann die Vorhersagen aus Registerdaten auf eine komplexe
Weise beeinflussen.
Limitierende Faktoren sind, dass sich die hier vorgestellten Ergebnisse nur auf die
Analyse der Daten von zwei Kliniken der Stadt Magdeburg beziehen. Es wurde kein Populationsbezug
angestrebt, sondern ein lokaler Datensatz mit für uns einsehbaren Erfassungsbedingungen
betrachtet. Wir untersuchten die Auswirkung von fehlenden Patientendaten und unvollständiger
und ggf. auch fehlerhafter Erfassung der Primär- und Verlaufsdaten auf die Voraussagen
der Register. Auch muss darauf hingewiesen werden, dass die Überprüfung der Einträge
des KKR durch das An möglicherweise dadurch verzerrt ist, dass es doch eine gewisse
Abhängigkeit zwischen beiden Erfassungswegen gibt.
Folgerung
Die Qualitätsanalyse der Behandlung von Krebskranken ist das erklärte Ziel der klinischen
Krebsregister. Hierzu ist es wichtig, alle Aufmerksamkeit auf die Vollzähligkeit,
Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Daten zu richten, aber auch die Limitierungen
zu kennen. Dies ist eng mit dem Engagement der Diagnostiker und Behandler für das
zuständige klinische Krebsregister verknüpft. Trotz aller Bemühungen haben klinische
Krebsregister nach wie vor Schwierigkeiten, die relevanten Daten von Tumorpatienten
vollzählig, vollständig und korrekt zu erfassen.
Insbesondere ist die Sicherung der Langzeit-Nachbeobachtung mit großen logistischen
Herausforderungen verbunden. Die systematische Erhebung von Längsschnittsdaten und
der Datenaustausch mit anderen Registern werden an vielen Stellen zudem von rigiden
Datenschutzbestimmungen limitiert. Die modellhafte Analyse der Daten zweier Kliniken
hat gezeigt, dass fehlende oder extrem verkürzte Nachbeobachtungszeiten einen Einfluss
auf die Schätzungen der Überlebenszeiten haben. Diese Verzerrungen sind durch statistische
Korrekturen nicht behebbar, da die Verzerrungsquellen naturgemäß nur begrenzt bekannt
sind. Um den großen Erfassungsaufwand zu reduzieren und Fehlerquellen zu minimieren,
sollten Möglichkeiten geschaffen werden, dass die verschiedenen medizinischen Register
ihre Datenbestände einfacher abgleichen und ergänzen können. Die beiden hier betrachteten
Register werden in der Zukunft insbesondere ihre Bemühungen zur Sicherung der Nachbeobachtung
stärker kombinieren.
Auch mit noch vorhandenen Erfassungsproblemen können Untersuchungen von Einflussfaktoren
und zeitlichen Veränderungen innerhalb eines Registers weitgehend ihre Gültigkeit
behalten. Vergleiche verschiedener Register oder Einrichtungen sollten aber mit besonderer
Vorsicht und unter Hinzuziehung von Experten durchgeführt und interpretiert werden.
Konsequenz für Klinik und Praxis
Patientendaten werden in Krebsregistern nie ganz vollständig erfasst. Die Erfassung
hängt u. a. vom Krebs-Stadium ab.
Schätzungen der Überlebenszeit aufgrund von Registerdaten können durch unvollständige
Erfassung verzerrt werden.
Um Fehlerquellen zu minimieren, müssen die Daten vollzählig, vollständig, richtig
und aktuell sein. Dafür sollten die verschiedenen medizinischen Register versuchen,
ihre Datenbestände abzugleichen und zu ergänzen.