Schlüsselwörter
kognitiv beeinträchtigte Patienten - Kommunikation - Demenz
Key Words
cognitively impaired patients - communication - dementia
Die richtige Kommunikation mit Patienten hat enormen Einfluss auf den Behandlungserfolg.
Besonders bei älteren Menschen mit
kognitiver Beeinträchtigung ist es häufig schwierig, ein erfolgreiches Gespräch zu
führen. Verständnisprobleme oder ein falscher
Umgangston können bei diesen Patienten schnell zu Frust oder gar zu Aggressionen führen.
Dabei gibt es einige Möglichkeiten,
wie Sie Ihre Kommunikation verbessern können.
Gute Kommunikation – zufriedene Patienten | Kaum etwas führen Ärzte und Pfleger so häufig aus wie Gespräche mit ihren Patienten.
Für den Patienten ist die Kommunikation das wichtigste Kriterium, um eine Behandlung
zu beurteilen – denn sie bestimmt maßgeblich sein Befinden und das seiner Angehörigen.
Eine gelungene Kommunikation trägt in überragender Weise zur Zufriedenheit des Patienten
bei. Umgekehrt führt ein misslungenes Gespräch häufig zu Enttäuschung und Unzufriedenheit.
Obwohl bekannt ist, welche bedeutende Rolle das ärztliche Gespräch einnimmt, wird
die Gesprächsführung in der medizinischen Ausbildung nur wenig gelehrt. Schwierige
Gespräche werden oft vermieden und die Atmosphäre des Krankenhauses, die von hohem
Zeitdruck und einer komplexen Organisation geprägt ist, ist für ein gutes Gespräch
nicht förderlich.
Der hochbetagte Patient wird zum Normalfall | Aufgrund der demografischen Entwicklung wird der alte Patient, insbesondere im Krankenhaus,
zum Normalfall [5], [6]. Ein Drittel der über 80-jährigen Patienten entwickelt ein demenzielles Syndrom,
das in unterschiedlichen Schweregraden auftreten kann – beginnend mit der leichten
kognitiven Beeinträchtigung bis hin zur schweren Demenz.
Zustand wird im Krankenhaus schlechter | Einfluss auf diese Entwicklung hat auch die zunehmende Komorbidität der Demenz mit
somatischen Erkrankungen. Außerdem kann der „Apparat Krankenhaus“ mit seinem strammen
Zeittakt, seinen komplexen Organisationsabläufen, Personalfluktuation sowie der Technisierung
den sensuell und kognitiv beeinträchtigten Patienten überfordern. Dies kann zu einer
akuten Verschlechterung seines kognitiven Zustandes bis hin zum Delir beitragen. Verstärkt
wird dies durch den Ortswechsel, die fremde Umgebung, Operationen, Narkose und Intensivmedizin.
Das Personal somatischer Krankenhäuser ist im Umgang mit diesen Patienten unerfahren
und reagiert nicht selten unfreundlich bis aggressiv.
Sensuelle Defizite überprüfen
Sensuelle Defizite überprüfen
Oft vergessen: Brillen und Hörgeräte | Längst nicht alle Kommunikationsprobleme sind kognitiver Natur. Die meisten älteren
Patienten benötigen Sehhilfen, 75 % der über 65-Jährigen hören schlecht. Sehhilfen
und Hörgeräte werden in der Eile der Krankenhausaufnahme häufig vergessen.
Das nachlassende Hörvermögen betrifft vor allem die höheren Frequenzen, sodass weibliche
Stimmen schlechter verstanden werden als männliche.
Kommunikation im Schreiton ist nicht empathisch und fördert Aggressionen. Behelfen
kann man sich zur Not mit einfachen Mitteln, wie z. B. mit einem Stethoskop, das man
zum Hörgerät umfunktioniert (▶[Abb. 1]). Eine Beurteilung der sensorischen und kognitiven Funktionen bei der Krankenhausaufnahme
ist noch keineswegs üblich. Dabei ersparen Sie sich viele Probleme, wenn Sie das Hör-
und Sehvermögen gleich zu Beginn überprüfen und eventuelle Defizite durch Sehhilfen
und Hörgeräte ausgleichen.
Abb. 1 Das Stethoskop kann
auch als Hörgerät dienen.
Bildnachweis: H. Füeßl
Sprechtempo und -technik | Stimme und Sprechtempo müssen den Bedürfnissen des Patienten angepasst werden. Insbesondere
in lauter Umgebung mit zahlreichen Stör- und Nebengeräuschen fällt es älteren hörbehinderten
Patienten schwer, das Gesprochene zu verstehen. Auch hinsichtlich der Sprechtechnik
sind einige Grundregeln zu beachten:
-
Das Gespräch sollte man mit einigen inhaltlich weniger wichtige Sätzen beginnen, damit
sich der Patient auf die Sprachmelodie und Stimme einstellen kann.
-
Der Patient sollte Mund, Mimik und Gestik des Sprechenden beobachten, um so zusätzliche
Informationen zu gewinnen. Deshalb sollte man diese Patienten möglichst nicht von
hinten oder von der Seite ansprechen [2].
-
Man sollte bewusst ruhig, deutlich und langsam sprechen und zwischen den Sätzen Pausen
einlegen.
-
Nach wenigen Sätzen sollte man sich durch Nachfragen vergewissern, ob der Patient
die Informationen verstanden hat.
Sprachstil anpassen
Konkret und klar sein | In kurzen und einfachen Sätzen sollten nur konkrete Sachverhalte angesprochen werden.
Vermeiden sollten Sie:
Wird bei der Anamneseerhebung in rascher Folge nach Übelkeit, Sodbrennen, Erbrechen,
Oberbauchschmerzen, Durchfällen, Meteorismus oder Blut im Stuhl gefragt, kann ein
Mensch mit kognitiver Beeinträchtigung diese Reihung nicht verarbeiten – und er wird
allenfalls auf den letzten Begriff eingehen. Geben Sie nur Teilanweisungen mit bewussten
Wiederholungen.
Äußert sich der Patient unverständlich oder fehlen ihm Worte, bieten Sie ihm Vorschläge
an.
Den Patienten ernst nehmen | Äußerungen alter Patienten mit kognitiven Defiziten zu verharmlosen oder zu bagatellisieren,
kann für den Patienten sehr kränkend sein. Auch Floskeln und Satzhülsen sind wenig
empathisch und stören die Arzt-Patienten-Beziehung. Dazu gehören Sätze wie:
-
„Das ist halb so schlimm.“
-
„Es wird schon wieder werden.“
-
„Das kriegt fast jeder ältere Mensch.“
-
„Wir sind eben keine 20 mehr.“
-
„Alte Menschen weinen nicht.“
-
„Das kennen wir.“
Vorsicht mit Duzen
„Du“ oder „Sie“? | Es ist ein weit verbreitetes Phänomen, dass Patienten mit kognitiven Defiziten im
Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen rasch geduzt werden. Dahinter steckt meistens
keine Freundlichkeit, sondern eine gewisse Geringschätzung und Entmündigung des Patienten,
und letztlich eine Manifestation der Machtverhältnisse. Allerdings kann man einen
besseren Zugang zum Patienten bekommen, wenn man seinen Vornamen benutzt. Manche Patienten
haben nämlich ihren Geburts- oder angeheirateten Namen vergessen. Bei demenzkranken
Patienten sind gerade Erinnerungen aus der frühen Kindheit besser zugänglich als später
Erlerntes. Ein Kind lernt als Erstes seinen Vornamen und spricht erst später von sich
als „ich“.
Ein Kompromiss könnte somit sein, den Patienten mit seinem Vornamen und „Sie“ anzusprechen.
Hier sollte man vorsichtig vorfühlen und individuelle Lösungen finden.
Nonverbale Kommunikation
Wichtig, aber schwer zu kontrollieren | Nonverbale Kommunikationsmöglichkeiten sind äußerst wichtig für den Empfänger, um
die gehörten Informationen interpretieren zu können. Dazu zählen:
-
Mimik
-
Blickkontakt
-
Gestik
-
Berührungen
-
Körperhaltung
-
Tonfall der Stimme
Tatsächlich entfallen nur 10 % unserer Kommunikation auf den verbalen und 90 % auf
den nonverbalen Anteil. Demenzkranke Patienten sind länger in der Lage, nonverbal
kommunizierte Informationen wahrzunehmen als verbale.
Die nonverbale Kommunikation wird also umso wichtiger, je mehr die kognitiven Fähigkeiten
nachlassen.
Allerdings sind z. B. Mimik und Tonfall schwerer zu kontrollieren als Gesprochenes.
Stimmen verbale und nonverbale Kommunikation nicht überein, empfindet der Patient
dies als verstörend [7], [9]. Man sollte sich also immer wieder bewusst machen, wie man nonverbal „auftritt“.
Versteifen Sie sich aber nicht zu sehr darauf – Ihr spontanes und natürliches Verhalten
sollten Sie nicht verlieren.
Vorsicht mit Berührungen im Gesicht | Berührungen können demenzkranke Patienten als Eindringen in die Intimsphäre oder
als Aggression auffassen. Man sollte sie daher sehr vorsichtig einsetzen und die Bedürfnisse
des einzelnen Patienten berücksichtigen. Vor allem Berührungen im Gesicht ohne Vorwarnung
können heftige Aggressionen hervorrufen – insbesondere, wenn der Patient gerade döst
oder schläft. Zu verbalen oder sogar körperlich aggressiven Handlungen kommt es meistens
bei pflegerischen Tätigkeiten. In diesem Fall sollte man sich dem Patienten langsam
– in seinem Blickfeld – nähern, dabei sprechen und einen freundlichen Gesichtsausdruck
zeigen.
Handmassagen können helfen | Berührungen der Hände werden hingegen von den meisten Patienten als angenehm und
beruhigend empfunden. Eine Handmassage erhöht die Toleranz gegenüber pflegerischen
und medizinischen Maßnahmen [3].
Äußerst hilfreich: Kinderlieder
Äußerst hilfreich: Kinderlieder
„Zeigt her eure Füßchen“ | Die Kooperation bei Körperpflege und Nahrungsaufnahme kann sich verbessern, wenn
Kinderreime und -lieder, die der Patient aus seiner Kindheit kennen, aufgesagt bzw.
gesungen werden (z. B. das Lied „Zeigt her eure Füßchen“). Durch diese Lieder gelingt
in vielen Fällen ein Zugang zum Patienten, wie er sonst mit keinem anderen Mittel
möglich ist [9].
Hilfreich ist außerdem, dem Patienten pantomimisch zu demonstrieren, welches Verhalten
von ihm gewünscht wird. Das kann z. B. die Essens- und Flüssigkeitsaufnahme erleichtern.
Modellprojekte und Spezialstationen
Modellprojekte und Spezialstationen
Versorgung verbessern | Es ist wahrscheinlich unvermeidlich, dass im Jahr 2020 rund 20 % aller älteren Krankenhauspatienten
an einer Demenz leiden werden [10]. Daher sind in den letzten Jahren Modellstationen und Projekte entstanden, die mit
baulichen, organisatorischen und personellen Maßnahmen die Versorgung kognitiv beeinträchtigter
Patienten verbessern sollen. Seit dem Jahr 2000 wurden über 20 Spezialstationen in
geriatrischen Kliniken in Deutschland etabliert. Zusätzlich sind Spezialangebote für
bestimmte Erkrankungen entstanden [1]. Dazu gehören:
-
Stationen nach dem Silviahemmet-Konzept (z. B. St. Hildegardis-Krankenhaus Köln)
-
interdisziplinäre Notfall- und Kurzlieger-Aufnahmestationen für akut erkrankte ältere
Menschen (z. B. Albertinen-Krankenhaus Hamburg) [4]
-
perioperative OP-Teams zur Prophylaxe perioperativer Delire (z. B. St. Franziskus
Hospital Münster) [11]
Auf Vollnarkose verzichten | Gerade bei operativen Eingriffen ist das Risiko sehr hoch, dass Patienten mit primär
leichten kognitiven Defiziten einen akuten deliranten Zustand entwickeln. Das Risiko
lässt sich durch ein Aufnahme-Screening einschätzen, das die kognitive Leistung erfasst.
Ein Altenpfleger begleitet die Patienten vor und nach der Operation. In einem Modellprojekt
ist es gelungen die Delir-Rate bei Hüft-TEP-Operationen von 40 auf 7 % zu senken,
indem auf eine Vollnarkose (wenn möglich) verzichtet und dafür eine Spinalanästhesie
eingesetzt wurde. Auch der Einsatz von Benzodiazepinen wurde vermieden.
Die Politik reagiert | Die demografische Entwicklung zwingt die Gesundheitspolitik, neue Versorgungsformen
einzurichten. Im Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen soll ab 2015 ein geriatrisches
Screening von Patienten über 75 Jahre in den Notaufnahmen Pflicht sein. Die Gesamtzahl
an Betten für Geriatrie soll um 13 % wachsen und in Krankenhäusern mit geriatrischen
Einrichtungen sollen Behandlungspfade und Kooperationswege installiert werden, die
obligat beachtet werden müssen.
Jeder kann betroffen sein
Jeder kann betroffen sein
Die Demenz wird als „demokratische“ Erkrankung bezeichnet, weil jeder Mensch von ihr
betroffen sein kann. Weiterhin sollte jeder sich verpflichtet fühlen, Betreuungsaufgaben
zu übernehmen. Die Demenz entwickelt sich zu einem gesellschaftlichen Massenphänomen,
das weder das staatliche noch das private Gesundheitssystem schultern kann. Mittlerweile
sind in vielen Krankenhäusern ehrenamtlich tätige Pflege- und Demenzbegleiter unverzichtbar
geworden. Die Demenz wird somit zum Prüfstein des bürgerlichen Engagements. Wie auch
immer die Versorgung demenzkranker Patienten aussehen wird – die richtige Kommunikation
ist ihr Grundstein.
-
Bei der Aufnahme sollte überprüft werden, ob der Patient eine Seh- oder Hörhilfe benötigt.
-
Fangen Sie Ihre Gespräche mit weniger wichtige Sätzen an und stellen Sie sich so vor
den Patienten, dass er Mund, Mimik und Gestik beobachten kann.
-
Sprechen Sie ruhig und deutlich und vermeiden Sie offene Fragen, Metaphern und Ironie.
-
Duzen Sie Ihren Patienten nicht. Es kann allerdings hilfreich sein, ihn mit seinem
Vornamen anzusprechen.
-
Seien Sie vorsichtig mit Berührungen – vor allem im Gesicht. Handmassagen hingegen
werden meist als angenehm empfunden.
-
Kinderlieder und Reime können helfen, die Kooperation bei Körperpflege und Nahrungsaufnahme
zu erhöhen.