Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2015; 50(11/12): 672-681
DOI: 10.1055/s-0041-101104
Fachwissen
Anästhesiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Transkatheter-Aortenklappenimplantation – Was muss der Anästhesist wissen und beachten?

Transcatheter aortic valve implantation – What does the anaesthetist need to know and pay attention to?
Jochen Renner
,
Christian Frerker
,
Karl-Heinz Kuck
,
Berthold Bein
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Publication Date:
09 December 2015 (online)

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Zusammenfassung

Die Versorgung herzchirurgischer Patienten ist in den letzten Jahren im Wesentlichen durch 3 Entwicklungen gekennzeichnet, die gleichermaßen eine qualifizierte kardiologische, herzchirurgische sowie anästhesiologische Betreuung der betroffenen Patienten erfordern. Zu diesen Entwicklungen gehören zunehmend älter werdende Patienten mit relevanten Komorbiditäten, die wachsende Zahl an Kombinationseingriffen auch bei diesen älteren Patienten sowie die ebenfalls rapide steigende Anzahl von Hochrisikopatienten mit schwerer Aortenklappenstenose zur minimalinvasiv durchgeführten Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI). In den vergangenen 7 Jahren ist dieses interventionell-operative „Hybrid-Verfahren“ in Deutschland von nahezu 0 auf ca. 10500 Eingriffe im Jahr 2013 angewachsen und wird mittlerweile an über 80 Zentren angeboten. Dieses Patientenkollektiv ist durch eine Reihe schwerer Begleiterkrankungen charakterisiert, die das Risiko perioperativerKomplikationen relevant erhöhen, aber auch mit einer deutlich höheren Letalität assoziiert sind. Die Kombination eines Hochrisikopatienten-Kollektivs mit den verfahrensimmanenten Besonderheiten der TAVI-Prozedur stellt besondere Anforderungen an den betreuenden Anästhesisten.

Abstract

Recent advancements in the field of cardiovascular surgery have been dominated by 3 aspects that comparably challenge a sophisticated cardiological, surgical and anaesthesiological management of this patient population. The proportion of elderly patients with relevant comorbidities increases steadily, and the number of combined cardiac surgical procedures is rising in this elderly population. A very important innovation in the last decade pertaining to the treatment of elderly patients at high risk suffering from significant aortic stenosis is the minimally invasive transcatheter aortic valve implantation (TAVI). Over the last 7 years this interventional-surgical „hybrid-procedure“ has increased in numbers from almost 0 to 10 500 procedures in 2013 in Germany, performed at more than 80 centers. These patients relevant comorbidities accounting for a high risk of perioperative complications and moreover for a high mortality. The combination of a patient at high risk with the specific characteristics of the TAVI procedure necessitates to update the required skills of anaesthetists responsible for providing care for this kind of procedure.

Kernaussagen

  • Mit der minimalinvasiven Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) steht ein akzeptiertes und etabliertes Alternativverfahren für die Versorgung von Hochrisikopatienten zur Verfügung.

  • An ca. 80 Zentren in Deutschland werden heute > 10 000 TAVI-Prozeduren mit geringerer 1-Jahres-Letalität im Vergleich zur konventionellen chirurgischen Versorgung durchgeführt.

  • Eine TAVI ist indiziert bei Patienten mit schwerer Aortenklappenstenose, die aufgrund erheblicher Komorbiditäten für eine konventionelle Operation nicht geeignet sind und durch die Prozedur mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Lebenserwartung von > 1 Jahr bei guter Lebensqualität erfahren.

  • Zur Einschätzung des perioperativen Risikos werden derzeit der logistische EuroSCORE I (Schwellenwert > 20 %) sowie der STS-Score (Schwellenwert > 10 %) angewandt.

  • Neben dem errechneten Risikoprofil einzelner Patienten spielen u.a. folgende Punkte bei der Indikation für eine TAVI eine Rolle: Vorhandensein einer Porzellanaorta, schwere Malformation des Thorax, Z.n. Radiatio im Bereich des Thorax, schwere Leberinsuffizienz sowie zunehmend der Aspekt der Gebrechlichkeit („frailty“).

  • Eine besondere anästhesiologische Herausforderung ist die Kombination des Hochrisikopatienten mit den verfahrensspezifischen Besonderheiten und potenziellen periprozeduralen Komplikationen.

  • Primäres Ziel im anästhesiologischen Management ist der Erhalt der Normovolämie. Darüber hinaus ist die Vermeidung einer Tachykardie im Sinne einer optimierten myokardialen O2-Bilanz sowie die rasche hämodynamische Stabilisierung nach dem „Rapid Pacing“-Manöver extrem wichtig.

  • Für das anästhesiologische Management der transfemoralen TAVI hat sich die Analgosedierung als sichere Alternative zur Narkose erwiesen.

  • Die TAVI ist im Vergleich zur konventionellen chirurgischen Versorgung mit einem deutlich höheren Risiko einer postinterventionellen permanenten Schrittmacherpflichtigkeit assoziiert.

  • Ein wesentlicher Aspekt der geringen periprozeduralen Komplikationsrate ist die verpflichtende Verfügbarkeit eines multidisziplinären „TAVI-Teams“, bestehend aus Kardiologe, Herzchirurg und Kardio-Anästhesist jeweils in Verbindung mit fachlich hochqualifiziertem Pflegepersonal.

Ergänzendes Material