Schlüsselwörter
Pleuradrainage - Thoraxdrainage - Pneumothorax - Pleuraerguss
Keywords
pleural drainage - chest tube drainage - pneumothorax - pleural fluid
Indikationen
Allgemeines | Bei jedem symptomatischen Pneumothorax ist die rasche Einlage einer Drainage die
initiale Therapie. Je ausgeprägter die klinische Symptomatik ist, desto eher kann
man auf diagnostische Schritte verzichten. Eine Ausnahme beim primären (idiopathischen)
Spontanpneumothorax (PSP) ist der asymptomatische partielle PSP (Mantelpneumothorax,
mit Pleuraspalt < 1 Querfinger). Bei diesem kann man zunächst unter klinischer Kontrolle
abwarten.
Notfallsituationen | Wenn bei einem symptomatischen Spannungspneumothorax eine reguläre Drainageneinlage
nicht sofort möglich ist, kann man durch Punktion interkostal mit einer großlumigen
Verweilkanüle den Pneumothorax temporär entlasten.
Kommt es zu einem Pneumothorax unter mechanischer Ventilation, können Patienten rasch
einen Spannungspneumothorax entwickeln. Deshalb besteht in diesem Fall nahezu immer
die Indikation zu sofortiger Drainageneinlage.
Hämatothorax | Ein Hämatothorax bedarf einer Pleuradrainage, um
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die Blutungsaktivität zu ermitteln,
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die Lungenwiederausdehnung zu ermöglichen
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und somit eine Fesselung der Lunge und ein Spätempyem zu vermeiden.
Kontrovers wird diskutiert, ob eine Drainage bei parapneumonischen Flüssigkeitsansammlungen
nötig ist. Allgemein akzeptiert ist die Indikation zur Drainageneinlage, wenn ein
Pleuraempyem im Stadium II (ATS-Klassifikation 1962) vorliegt. Eine Drainageneinlage
beim Pleuraempyem im Stadium I kann bei Resterguss oder nicht vollständig entfalteter
Lunge die zügige komplette Entleerung der Pleurahöhle mit Reexpansion der atelektatischen
Lungenanteile unterstützen. Ein Pleuraerguss auf dem Boden einer pleuralen Tumorzellaussaat
bedarf einer Drainage, sofern er symptomatisch ist oder eine Pleurodese erwogen wird.
Dasselbe gilt für einen Chylothorax jeglicher Ursache.
Kontraindikationen
Absolute Kontraindikationen bestehen nicht. Eine relative Kontraindikation ist eine
Blutungsdiathese oder Antikoagulation. Besondere Umstände ergeben sich gegebenenfalls
beim Vorhandensein
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pleuraler Adhäsionen,
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abgekapselten Flüssigkeitsansammlungen,
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Riesenbullae (die als Pneumothorax fehlgedeutet werden können) und
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eines Verdachts auf Zwerchfellruptur bei Traumapatienten.
Unter diesen Umständen sollten bildgebende Verfahren (CT, Ultraschall, Durchleuchtung)
eingesetzt und Operationsbereitschaft gegeben sein.
Patientenaufklärung
Der Patient muss über Indikation, Technik und unmittelbare Auswirkungen auf das Befinden
aufgeklärt werden. Insbesondere die Lokalanästhesie sowie die Möglichkeit einer zusätzlichen
Sedierung sollten Sie erwähnen.
Mögliche Komplikationen | Weiterhin sollte der Patient das Wichtigste über folgende Komplikationsmöglichkeiten
erfahren:
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Drainagenfehllage
-
Organverletzungen mit Blutung, bronchopleuraler Fistel und Weichteilemphysem
-
Pleuraempyem
-
Reexpansion (-södem) der Lunge mit ev. Hustenreiz, Schulter- und Thoraxschmerz sowie
vagalen Reaktionen
-
Läsion der Interkostalgefäße / -nerven und des Rippenperiosts mit Nachblutungen, Schmerzen
und Interkostalneuralgien
-
Folgeoperationen
Vorbereitung
Vor dem Start | Die Drainage dürfen Sie nur nach sorgfältiger klinischer Untersuchung und in Kenntnis
eines aktuellen Röntgenbildes, Thorax-CT oder Ultraschallbefundes anlegen. Eine Ausnahme
ist der dringende klinische Verdacht auf einen progredienten Spannungspneumothorax
(mit Blutdruck-, Sättigungsabfall, Tachypnoe, Einflussstauung). Hier können Sie meist
nicht auf ein Röntgenbild warten.
Material | Die Drainageneinlage erfolgt unter sterilen Kautelen. Abb.
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1
] zeigt die verwendeten Materialien.
Abb. 1 Die Ausstattung zur Pleuradrainageneinlage: (A) Desinfektionsmittel, (B) Lokalanästhesie
und Punktionsnadel, (C) sterile Abdeckung, Handschuhe und Kittel, (D) Skalpell und
Pinzetten, (E) Präparierschere, (F) Kornzange und Pleuradrainage (28 Charrière), (G)
Nadelhalter, (H) Fadenschere und Nahtmaterial (Surgilon 1 zur Drainagenannaht, Vicryl
3–0 für eventuell erforderliche Subkutannaht, Seralon 3/0 als Hautnaht).
Lage des Patienten | Bei nicht-gekammerten Prozessen wird die Drainage am liegenden Patienten angelegt
bei mind. 90˚ abduziertem Arm, der bequem gelagert oder gehalten wird. Die betroffenen
Seite des Patienten wird leicht angehoben.
Zugangsort finden | Für die Einlage wählt man den 3.–5. Interkostalraum in der vorderen oder mittleren
Axillarlinie. Als Orientierungshilfe dient beim Mann die Mamille (entspricht der 4. Rippe)
oder die Submammarfalte bei der Frau (4. Interkostalraum bis 5. Rippe). Als Eintrittstelle
dient das sogenannte muskelfreie Dreieck zwischen dem Seitenrand des M. pectoralis
major und dem Vorderrand des M. latissimus dorsi. Bei abgekapselten Prozessen ist
eine gezielte Einlage nötig, u. U. unter direkter Ultraschall- oder CT-Kontrolle.
Gelegentlich wird der 2. Interkostalraum in der Medioklavikularlinie („Monaldi-Position”)
für die Pleuradrainageneinlage empfohlen. Vorteil ist die zuverlässige Orientierung
am liegenden Patienten (Ansatz der 2. Rippe in Höhe des leicht identifizierbaren Angulus
sterni). Nachteile sind jedoch:
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Risiko einer Perforation des Musculus pectoralis major mit entsprechendem Blutungsrisiko
-
die Schwierigkeit, die Drainage gezielt apikal oder basal zu platzieren
-
die Gefahr, dass die Drainage rechtwinklig abknickt
-
das ungünstige kosmetische Ergebnis bei Narbenbildung
Noch ungünstiger ist der posteriore Zugang medial der Skapula, der ausschließlich
bei dorsal lokalisierten Prozessen indiziert ist.
Thoraxdrainage: So wird’s gemacht
Thoraxdrainage: So wird’s gemacht
Betäubung | Nachdem Sie die Haut desinfiziert und steril abgedeckt haben, folgt die Infiltration
von 10–20 ml Lokalanästhetikum subkutan, perikostal und interkostal mit Anästhesie
der parietalen Pleura (Abb.
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2
]). Mit der gleichen Nadel durchstoßen Sie die Pleura parietalis. Wird dabei Luft
oder Flüssigkeit aspiriert, haben Sie einen geeigneten Interkostalraum gefunden.
Abb. 2 Lokalanästhesie und Aspiration von Luft.
Eröffnung der Pleura | Führen Sie eine 2 cm lange Hautinzision durch und spreizen Sie Subkutis und Serratusmuskulatur
(Abb.
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3
]). Eröffnen Sie vorsichtig die Interkostalmuskulatur und anschließend die parietale
Pleura. Dabei können Sie sich am Oberrand der Rippe orientieren. Die Eröffnung geschieht
entweder mittels einer kurzer Schere, die stumpf eingeführt und beim Zurückziehen
leicht gespreizt wird, oder bei ausreichend weiten Interkostalräumen direkt mit dem
sterilen Zeigefinger (Abb.
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]). Meist entweicht die unter Druck stehende Luft erkennbar durch ein Zischen.
Abb. 3 Präparation mit der Schere (Aufspreizen).
Abb. 4 Stumpfes Eingehen nach intrathorakal und digitale Austastung.
Abtasten | Tasten Sie den Pleuraum ab und überprüfen sie ihn auf mögliche Verwachsungen.
Einführen der Drainage | Führen Sie die Thoraxdrainage stumpf (ohne Trokar!) mittels gebogener Kornzange (Abb.
[
5
]) über den vorbereiteten Gewebskanal nach dorsal-apikal (Pneumothorax) bzw. dorsal-kaudal
bei Überwiegen des Pleuraergusses (Sero-Pneumothorax) ein. Die Drainagegrößen sollte
mind. 20 Charrière beim Pneumothorax und 24–28 Charrière bei (zusätzlichem) Erguss
bzw. Blut betragen. Bei korrekter Durchführung ist nur ein sehr geringer und gleichmäßiger
Widerstand beim Einführen zu spüren. Einfedernder Widerstand deutet ein Anstoßen oder
Abknicken der Drainage an.
Abb. 5 Pleuradrainageneinlage nach dorsal-apikal.
Knickt die Drainage beim Einführen bereits über dem Hautniveau ab, so ist eine Via
falsa außerhalb des knöchernen Thorax zu vermuten.
Wird eine lufthaltige Pleurahöhle drainiert, so beschlägt der Drainageschlauch mit
jeder Exspiration. Dass das System durchgängig ist, erkennen Sie an atemsynchronen
Schwankungen der Flüssigkeitssäule im Schlauchsystem oder des Flüssigkeitsspiegels
im Auffangbehälter. Entleert sich atemsynchron Luft, sollten Sie überprüfen, ob das
ableitenden System undicht ist. Ist dies nicht der Fall, könnte eine Parenchymfistel
vorliegen.
Befestigung der Drainage | Nachdem Sie sich von der korrekten Lage und Durchgängigkeit des Systems überzeugt
haben, fixieren Sie die Drainage mit kräftigem Faden mittels U-Naht (Abb.
[
6
]) an der Haut (luft-, flüssigkeitsdicht). Die Annaht wird so geknüpft (Abb.
[
7
]), dass sie bei Entfernen der Drainage als Zuziehfaden dient. Dazu legen Sie einen
Knoten nach der U-Naht straff vor und umwickeln die Drainage mehrfach und machen einen
Doppelknoten. Es folgt die sterile Konnektion der Pleuradrainage mit einem Auffangbehälter
nach dem Bülau-Prinzip. Ggf. können Sie ein Sog von -15 cm H2O an das Drainagesystem anschließen.
Abb. 6 Drainagennaht mit U-Naht.
Abb. 7 Annaht des Drainageschlauchs.
Röngen-Thorax | Ein anschließender Röntgen-Thorax in 2 Ebenen dokumentiert die korrekte Position
der Drainage und die Reexpansion der Lunge.
Drainagesysteme | „Passive” Drainagesysteme erlauben die Ableitung von Gas oder Flüssigkeit während
der Exspiration. Es empfiehlt sich das Unterwasserventil-Prinzip nach Bülau. Ein mit
Wasser befüllter Behälter dient dabei als Sammelgefäß wie auch als Ventil (Abb.
[
8
]). „Aktive” Drainagesysteme haben eine zusätzliche Unterdruckanlage am ableitenden
Schenkel des Auffangsystems. Diese sind bei verzögerter Reexpansion der Lunge erforderlich.
In der Regel ist ein Druck von -15 bis max. -30 cm H2O ausreichend. Entfaltet sich die Lunge nicht, kann die Sogtherapie kontraproduktiv
sein, da sie eine bestehende Parenchymfistel aufrechterhalten könnte.
Abb. 8 Passives Drainagesystem (Unterwasserventil-Prinzip nach Bülau 1891). A = Befüllen
der Flasche mit 200 ml destilliertem Wasser; B = Eintauchen des Drainageschlauches,
um das Unterwasserventil zu aktivieren.
Entfernung der Drainage
Zeitpunkt | Die Entfernung der Pleuradrainage ist indiziert, wenn
-
eine vollständige Reexpansion der Lunge erreicht ist,
-
Parenchymfisteln sistieren und
-
der Verlust an Pleuraflüssigkeit über 24 Stunden unter 150–200 ml beträgt oder
-
von einer Ausheilung des Empyems (negative Drainagenabstriche) ausgegangen werden
kann.
Ausschlaggebend ist letztlich immer die individuelle Situation, insbesondere, wenn
der Pleuraraum zusätzlich infiziert ist. Nach spätestens 24 h muss zur Kontrolle ein
Röntgen-Thorax erfolgen.
Cave Eine Drainage, die „fistelt”, darf niemals abgeklemmt oder entfernt werden.
Probleme und Lösungen
Fehllage | Ein zu tiefes Einführen der Drainage verursacht bei Druck auf die parietale Pleura
Brust- oder Schulterschmerz. Die zu kurz eingelegte oder unzureichend fixierte Drainage
induziert bei Pneumothorax ein Weichteilemphysem.
Weichteilemphysem | Bei einem Weichteilemphysem (Abb.
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]) müssen Sie die Drainagenlage und die Dichtigkeit und Durchgängigkeit des ableitenden
Systems überprüfen. Auch große broncho- oder alveolo-pleurale Fisteln können ein Weichteilemphysem
verursachen, wenn das Drainagesystem zu klein dimensioniert ist. In diesen Fällen
sollten Sie ein aktives Drainagesystem wählen. Entleert sich blutiger Schaum, liegt
häufig eine direkte Parenchymverletzung mit konsekutiver Blutung und Luftleck vor.
Meistens erfordert dies eine zweite Drainage und gegebenenfalls die operative Revision.
Abb. 9 Weichteilemphysem bei broncho-pleuraler Fistel.
Organverletzungen | Das Risiko für Organverletzungen lässt sich minimieren, indem man auf Trokardrainagen
verzichtet (Abb.
[
10
]). Besonders exponiert sind Lunge, Milz, Leber und Magen sowie das Zwerchfell selbst.
Problematisch ist meist, dass ein Zwerchfellhochstand nicht erkannt wird, z. B. bei
Abb. 10 Lungenperforation bei bullösem Emphysem, nach Trokar-Drainageneinlage in Monaldi
Position.
Blutung | Geringfügige Blutungen kommen meist spontan zum Stillstand und verfärben nur anfänglich
das Pleuraprodukt. Starke Blutungen können nach Verletzung der Interkostalarterie
auftreten. Sie lassen sich jedoch vermeiden, wenn man sich bei Drainageneinlage am
Oberrand einer Rippe orientiert. Profuse Blutungen deuten auf eine direkte Gefäßverletzung
(Hohlvenen, Aorta, Pulmonalarterie, Herz) oder einen vorhandenen Hämothorax nach Trauma
oder Voroperation hin. Diese seltenen Komplikationen resultieren stets aus der unsachgemäßen
Einlage von Trokardrainagen. Auch tangentiale Zwerchfellverletzungen können einen
bedrohlichen Blutverlust verursachen. Kommt es zu einem akuten Abdomen oder einem
hämorrhagischen Schock, können transdiaphragmale Verletzungen abdominaler Organe vorliegen.
Pleuraempyem | Bei primär sterilem Pleurainhalt und korrekter Drainageneinlage ist bei einer vollständigen
Reexpansion der Lunge ein Pleuraempyem kaum zu befürchten. Liegen keine Risikofaktoren
vor, ist die prophylaktische Antibiotikagabe abzulehnen. Eine über mehrere Tage bestehende
Parenchymfistel begünstigt die Entstehung eines Pleuraempyems, weshalb eine frühzeitige
operative Revision erwogen werden muss.
Reexpansionsödem | Das unilaterale Reexpansionsödem der Lunge ist eine seltene, jedoch potentiell letale
Komplikation. Gefährdet sind Patienten, bei denen nach längerfristiger (> 3 Tage)
Totalatelektase die Lunge rasch reexpandiert. Die Klinik ist gekennzeichnet durch
starken Hustenreiz, Produktion von hellrotem Sputum, Tachypnoe und Tachykardie. Röntgenologisch
findet sich ein einseitiges Lungenödem, das bis zu 24 Stunden nach Reexpansion auftreten
kann. Als prophylaktische Maßnahme ist das intermittierende Abklemmen der Drainage
empfohlen, um die Reexpansionsphase auf etwa 24 h auszudehnen.
Konsequenz für Klinik und Praxis
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Vor der Drainageneinlage Indikation und OP-Seite mittels Röntgen-Thorax sichern.
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Bevorzugte Inzisionsstelle ist der 4. / 5. Interkostalraum in der mittleren Axillarlinie.
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Nach Durchtrennung der Pleura wird der Pleuraraum mit dem Finger stumpf ausgetastet,
um Verwachsungen auszuschließen und sich der intrathorakalen Lage zu vergewissern.
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Die Drainage darf erst nach „Fistelausschluss” und bei radiologisch dokumentierter
Entfaltung der Lunge entfernt werden.