Die Gesundheitsberichterstattung (GBE) informiert Politik und Gesellschaft über die
gesundheitliche Lage der Bevölkerung. Geschlecht ist eine wichtige Determinante, die
mit weiteren Differenzkategorien interagiert. Häufig neigt die GBE zu einer Homogenisierung
binärer Geschlechterkategorien. Das BMBF-geförderte Projekt „AdvanceGender“ zielt
auf eine geschlechtersensible und intersektionale Weiterentwicklung der GBE. Das Teilprojekt
am Robert Koch-Institut erfasst unter anderem, wie Geschlecht in der GBE international
berücksichtigt wird.
Es wurden Berichte auf nationalstaatlicher Ebene in allen OECD- und EU-Mitgliedstaaten
(N = 46) mit Erscheinungsdatum 2000 – 2018 über eine systematische Internetrecherche
identifiziert und durch eine Online-Befragung ergänzt (Rücklauf 61%). Ergebnisse und
Beispiele guter Praxis werden vorgestellt. Inhaltlich werden die Berichte in Hinsicht
auf eine intersektionale Berichtspraxis analysiert, die innerhalb der Geschlechtergruppen
differenziert, geschlechtliche und sexuelle Diversität wiederspiegelt sowie gesellschaftliche
Rahmenbedingungen berücksichtigt.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Formate, mithilfe derer zu Geschlecht berichtet wird,
unterschiedlich häufig zur Anwendung kommen. Es überwiegen nationale Gesundheitsberichte,
seltener kommen Fokusberichte zu einem Geschlecht (Frauen oder Männer) oder spezifische
Gender-Gesundheitsberichte zum Einsatz. Insbesondere Fokusberichte und übergreifende
Gender-Gesundheitsberichte berücksichtigen soziale Differenzkategorien über Alter
und SES hinaus (z.B. Migrationshintergrund, Behinderung). Dennoch wird kaum ein Bericht
dem Anspruch einer intersektionalen GBE gerecht, da differenzierte Daten fehlen und
entsprechende Konzepte kaum zur Anwendung kommen. Berichte, die nicht-binäre Geschlechteridentitäten
und verschiedene sexuelle Orientierungen berücksichtigen sind auch international bislang
die Ausnahme.
Binäre und homogenisierende Vorstellungen von Geschlecht und fehlende Erklärungsansätze
sind international eine Herausforderung für die GBE. Um größere gesellschaftliche
Vielfalt zu berücksichtigen, wären Berichtsformen sinnvoll, die einen engeren thematischen
Fokus aufweisen aber mehr Raum für eine soziale Differenzierung bieten.