Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 691-692
DOI: 10.1055/s-0039-1694441
Kongresstag 2: 17.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geschlecht und Gesundheit in der Gesundheitsberichterstattung – Ergebnisse eines internationalen Vergleichs

A Rommel
1   Robert Koch-Institut, Berlin
,
S Strasser
1   Robert Koch-Institut, Berlin
,
K Pöge
1   Robert Koch-Institut, Berlin
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Die Gesundheitsberichterstattung (GBE) informiert Politik und Gesellschaft über die gesundheitliche Lage der Bevölkerung. Geschlecht ist eine wichtige Determinante, die mit weiteren Differenzkategorien interagiert. Häufig neigt die GBE zu einer Homogenisierung binärer Geschlechterkategorien. Das BMBF-geförderte Projekt „AdvanceGender“ zielt auf eine geschlechtersensible und intersektionale Weiterentwicklung der GBE. Das Teilprojekt am Robert Koch-Institut erfasst unter anderem, wie Geschlecht in der GBE international berücksichtigt wird.

Es wurden Berichte auf nationalstaatlicher Ebene in allen OECD- und EU-Mitgliedstaaten (N = 46) mit Erscheinungsdatum 2000 – 2018 über eine systematische Internetrecherche identifiziert und durch eine Online-Befragung ergänzt (Rücklauf 61%). Ergebnisse und Beispiele guter Praxis werden vorgestellt. Inhaltlich werden die Berichte in Hinsicht auf eine intersektionale Berichtspraxis analysiert, die innerhalb der Geschlechtergruppen differenziert, geschlechtliche und sexuelle Diversität wiederspiegelt sowie gesellschaftliche Rahmenbedingungen berücksichtigt.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Formate, mithilfe derer zu Geschlecht berichtet wird, unterschiedlich häufig zur Anwendung kommen. Es überwiegen nationale Gesundheitsberichte, seltener kommen Fokusberichte zu einem Geschlecht (Frauen oder Männer) oder spezifische Gender-Gesundheitsberichte zum Einsatz. Insbesondere Fokusberichte und übergreifende Gender-Gesundheitsberichte berücksichtigen soziale Differenzkategorien über Alter und SES hinaus (z.B. Migrationshintergrund, Behinderung). Dennoch wird kaum ein Bericht dem Anspruch einer intersektionalen GBE gerecht, da differenzierte Daten fehlen und entsprechende Konzepte kaum zur Anwendung kommen. Berichte, die nicht-binäre Geschlechteridentitäten und verschiedene sexuelle Orientierungen berücksichtigen sind auch international bislang die Ausnahme.

Binäre und homogenisierende Vorstellungen von Geschlecht und fehlende Erklärungsansätze sind international eine Herausforderung für die GBE. Um größere gesellschaftliche Vielfalt zu berücksichtigen, wären Berichtsformen sinnvoll, die einen engeren thematischen Fokus aufweisen aber mehr Raum für eine soziale Differenzierung bieten.