Hamostaseologie 1988; 08(02): 70-79
DOI: 10.1055/s-0038-1659951
Originalarbeiten
Schattauer GmbH

β-Rezeptoren-Blocker und Thrombozytenfunktion

H. Darius
1   II. Medizinische Klinik und Poliklinik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und Institut für Pharmakologie der Universität Düsseldorf
,
K. Schrör
1   II. Medizinische Klinik und Poliklinik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und Institut für Pharmakologie der Universität Düsseldorf
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25 June 2018 (online)

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Zusammenfassung

β-Rezeptoren-Blocker hemmen in vitro die Thrombozytenaggregation unabhängig von der Art des Stimulus. Dieser Effekt ist für Propranolol am besten untersucht, läßt sich aber auch für andere β-Rezeptoren-Blocker wie z.B. Timolol zeigen. Die Wirkungsstärke dieses antiaggregatorischen Effekts der β-Rezeptoren-Blocker korreliert mit ihrer Lipidlöslichkeit, d. h. der Akkumulation in den Phos-pholipiden der Zellmembran, und ist im Gegensatz zur β-Rezeptoren-blockierenden Wirkung für beide Stereoisomere in prinzipiell gleichem Ausmaß nachweisbar. Dies spricht für eine entscheidende Rolle der membranstabilisierenden Wirkkomponente dieser Substanzen für ihre plätt-chenfunktionshemmende Wirkung, wobei ursächlich eine Hemmung des Ca++-Einstromsdurch die (intakte) Zellmembran angenommen wird. Da aber auch β-Rezeptoren-Blocker mit sehr geringen oder fehlenden membranstabilisierenden Eigenschaften wie Timolol und Metoprolol die Plättchenaggregation hemmen, sind weitere Wirkungsmechanismen nicht auszuschließen. Hierzu gehören auch Interaktionen mit anderen Mediatoren, z.B. den Eikosanoiden, aus Plättchen und Gefäßwand. Dagegen ist eine direkte Hemmung thrombozy-tärer β-Rezeptoren für den Aktivitätszustand von Humanthrombozyten unbedeutend. Dieser wird entscheidend durch α2-Rezeptoren bestimmt.

In der Mehrzahl der vorliegenden Untersuchungen zeigten die untersuchten β-Rezeptoren-Blocker, vorzugsweise Propranolol, keine Wirkung auf die Thrombozytenaggregation bei gesunden Probanden ex vivo. Dagegen ließen sich wiederholt Anti-plättcheneffekte bei hyperreaktiven Thrombozyten, z.B. bei chronisch ischämischer Herzkrankheit mit Angi-na-pectoris-Symptomatik sowie Hypertonie und hohen plasmatischen Ka-techolaminspiegeln nachweisen. Die klinische Bedeutung einer direkten Antiplättchenwirkung für die antian-ginösen Effekte der β-Rezeptoren-Blocker ist unklar. Eine indirekte Wirkung über eine β1-vermittelte Senkung des Sauerstoffverbrauchs mit nachfolgender Abnahme des adrener-gen Tonus ist spekulativ aber nicht auszuschließen. Dies gilt auch für die Anwendung dieser Substanzen bei der Intervalltherapie der Migräne.

Die antiaggregatorischen Wirkungen von Propranolol und eventuell auch anderen β-Rezeptoren-Blockern bei Patienten mit hyperreaktiven Thrombozyten werden durch Kombination mit Azetylsalizylsäure verstärkt. Daher kann diese Kombination für den klinischen Einsatz auch unter diesem Aspekt empfohlen werden. Nach langanhaltender β-Rezeptoren-Blocker-Therapie und plötzlichem Absetzen kommt es zu einem Rebound-Phänomen mit vermehrten Blutdruckkrisen und pektanginösen Anfällen, wozu auch eine Thrombozy-tenhyperreaktivität beitragen kann. Dagegen wird das plasmatische Gerinnungssystem und die fibrinolytische Aktivität zwar durch die Veränderungen der Katecholaminspiegel unter β-Rezeptoren-Blockade beeinflußt, anscheinend nicht jedoch direkt durch die Substanzen selbst.

Theoretisch würde eine Thrombo-zyten-inhibitorische Komponente der β-Rezeptoren-Blocker ihre therapeutische Wirksamkeit bei fast allen kardiovaskulären Indikationen verbessern. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der kombinierte Einsatz von β-Rezeptoren-Blockern und Azetylsalizylsäure für die Prophylaxe des Reinfarkts, da hier für beide Substanzgruppen allein schon klinische Effekte nachgewiesen wurden. Allerdings bedarf die Überprüfung dieses Konzepts kontrollierter Studien.