Zusammenfassung
Die Verteilung des Heparins ist von der Zahl der betroffenen RES-Zellen abhängig,
die nach der Art der Heparinanwendung variiert. Intravenöses Heparin (besonders dauerinfundiertes
und »Ultra-low dose«-Heparin) ist hauptsächlich auf das kardiovaskuläre Endothel beschränkt.
Bei intramuskulärer, subkutaner und intrapulmonaler Applikation wird es auf dem Lymphweg
ab transportiert, ist im lokalen Kreislauf mit einer zunehmenden Zahl von RES-Zellen
konfrontiert und tritt daher im Venensystem verzögert auf.
Inhalation oder Instillation in die Lunge ist eine neue Form der Heparinanwendung,
die das Heparin einem sehr großen Zellpool zuleitet, mit dem Ergebnis einer langsamen
Freisetzung des Heparins in den Kreislauf und das Gefäßendothel, was aber den Streß
der wiederholten Venenpunktionen bzw. Injektionen vermeidbar macht. Das offensichtliche
Fehlen einer Nachweisbarkeit des Heparins in der allgemeinen Zirkulation bei oraler
Anwendung ist wahrscheinlich nicht die Folge einer fehlenden Resorption, sondern dadurch
bewirkt, daß das Heparin dabei zuerst einen Großteil des RES und des Endothels passieren
muß.
Die Schwierigkeiten, Heparin zu standardisieren, erklären sich aus seiner einzigartigen
chemischen Natur sowie aus der daraus resultierenden Pharmakokinetik und aus der klinischen
Wirkung.
Es ist zu vermuten, daß diese Schwierigkeiten durch eine Reihe von physikochemischen
Spezifikationen überwindbar wären ausgehend von einer Anzahl von klinisch effektiven
Handelsheparinpräparaten.
Die mangelnde Korrelation von Thromboseverhütungspotenz und Antikoagulansaktivität
in vitro läßt vermuten, daß ein Heparin mit geringer Gerinnungsaktivität klinisch
wirksam sein könnte. Blutungen bei der Anwendung von Antikoagulantien kommen durch
eine Kombination von Ursachen, meist von Streß und Antikoagulation, zustande. Die
Schutzwirkungen des Heparins und der Heparinoide bedürfen weiterer klinischer Erforschung,
da sie vielleicht einen bedeutenden Faktor der Heparinwirkung darstellen.