Kinder- und Jugendmedizin 2008; 08(07): 443-451
DOI: 10.1055/s-0038-1630497
Kinder- und Jugendpsychologie
Schattauer GmbH

Update: aggressives Verhalten bei Kindern und Jugendlichen

Update: aggressive behaviour of children and adolescents
Thomas Rellum
1   Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus Ludwigshafen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz (Chefarzt: Dr. med. Jochen Gehrmann)
,
Elke Boida
1   Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus Ludwigshafen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz (Chefarzt: Dr. med. Jochen Gehrmann)
,
Jochen Gehrmann
1   Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus Ludwigshafen, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz (Chefarzt: Dr. med. Jochen Gehrmann)
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Publication History

Eingegangen: 10 September 2007

angenommen: 19 February 2008

Publication Date:
25 January 2018 (online)

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Zusammenfassung

Aggressive Impulse sind primär physiologisch, entwicklungsabhängig und müssen von psychopathologischen Phänomenen mit Gewalt gegen andere unterschieden werden. Kinder, Jugendliche (und Erwachsene) sollten lernen, eigene Wünsche und Interessen sozial angemessen zu vertreten und durchzusetzen. Aggressives Verhalten erreicht im Entwicklungsverlauf etwa im Alter von zwei Jahren eine Höchstausprägung, persistiert nur bei einem relativ kleinen Anteil der Kinder und ist dann häufig assoziiert mit anderen sozialen Verhaltensauffälligkeiten. Frühes, d. h. noch vor dem 10. Lebensjahr beginnendes, aggressiv-dissoziales Verhalten ist prognostisch besonders ungünstig. Erziehungsunsicherheiten der Eltern, familiäre Strukturschwächen mit mangelnden Beziehungsangeboten bzw. sogar Gewalt als Erziehungsmittel, aber auch ein exzessiv hoher Medienkonsum begünstigen aggressiv-dissoziale Verhaltensmuster. Störungen im Sozialverhalten sind häufig assoziiert mit komorbiden Störungen, wie hyperkinetischen oder emotionalen Störungen. Die Interventionen sind stets interdisziplinär und umfassen pädagogische Maßnahmen, Elternberatung, Verhaltenstherapie, aber auch eine medikamentöse Behandlung. Neben Stimulanzien sind atypische Neuroleptika bzw. eine Kombination effektiv. Pädagogisch vorrangig sind eine Förderung der elterlichen Präsenz, eine frühe Intervention und Helfernetzwerke mit klaren Kooperationsstrukturen. Eskalierende Gewalt in Schulen erfordert eine besondere Aufmerksamkeit.

Summary

Aggressive impulses are physiological, depend on development and must be distinguished from psychopathological phenomena associated with violence against others. Children, teens (and adults) have to learn to stand up for their own wishes and interests and carry them through in a socially accepted way. During development aggressive behaviour reaches a peak around the age of two years, persists only in a relatively small portion of children then often associated with other patterns of disruptive behaviour. Aggressive-dissocial behaviour that starts early, i. e. under the age of 10, has a particularly bad prognosis. Parents` insecurities in the upbringing of their children, weaknesses in family structures, and excessively high media consumption favour the development of aggressive-dissocial behaviour. Conduct disorders are frequently associated with comorbid disorders, such as hyperkinetic and emotional disorders. The interventions are always interdisciplinary including education, parent coaching, behaviour therapy but also medication. Stimulants, atypical antipsychotics or a combination of both are effective. From an educational point of view it is important to enforce the parents` educational presence, early interventions and a network of helpers with a clear structure of cooperation. A special focus should be on escalating violence in schools.