Zusammenfassung
Stochastische Effekte haben keine Schwellendosis; zu ihnen zählen die Induktion von
genetischen Mutationen und von Krebs. Dagegen haben nichtstochastische Effekte Dosiseffektkurven
mit einer Schwellendosis. In diese Klasse fallen Fehlentwicklungen nach pränataler
Bestrahlung, akute Strahleneffekte und Späteffekte wie Fibrosen. Die Schwellendosen
liegen bei 100 mSv und höher. Für den Strahlenschutz im Bereich niedriger Dosen sind
daher nur stochastische Effekte von Bedeutung. Während das genetische Strahlenrisiko
für den Menschen aus Untersuchungen an Mäusen abgeleitet werden muß, liegen für das
karzinogene Risiko vielfältige epidemiologische Studien beim Menschen selbst vor.
Die wichtigsten Ergebnisse erhielt man von Überlebenden aus Hiroshima und Nagasaki.
Nach einer Ganzkörperdosis von 200 mSv und höher treten signifikante Erhöhungen der
Mortalität durch Leukämie und andere Krebsentitäten auf. Um das Strahlenrisiko in
niedrigeren Dosisbereichen zu erhalten, wird unter Annahme einer linearen Dosiseffektkurve
ohne Schwellendosis das beobachtete Risiko von hohen Dosen extrapoliert. Es wird dabei
ein monoklonales Wachstum von Tumoren unterstellt. Die Richtigkeit dieses Vorgehens
muß noch durch Aufklärung des Mechanismus der strahlenbedingten Karzinogenese bewiesen
werden. Auf dieser Basis wird ein Risikofaktor von etwa 10−1 × Sv−1 erhalten; dieser Wert liegt um den Faktor 4 höher als frühere Schätzungen. Damit
würde eine Ganzkörperdosis von 10 mSv (1 rem) die »spontane« Krebstodesrate um etwa
0,5% erhöhen. Abschließend werden weitere offene Fragen diskutiert, wie die individuelle
Variabilität der Strahlenempfindlichkeit bei Personen mit DNA-Repairdefizienzen und
biopositive Effekte (adaptive response) ionisierender Strahlen.
Stochastic radiation effects have no threshold doses; among them are the induction
of genetic mutations and of cancer. On the other hand, nonstochastic effects have
a threshold dose. These types of radiation effects are developmental defects after
prenatal irradiation, acute effects and late effects such as fibrosis. The threshold
doses are found in the range of 100 mSv and higher. For purposes of radioprotection
from low radiation doses only stochastic effects are therefore of importance. While
the genetic radiation risk for man is derived only from experimental data on mice,
many epidemiologic studies have been performed to evaluate the carcinogenic risk for
man. The most important results have been obtained from the survivors in Hiroshima
and Nagasaki. After whole-body irradiation with doses of 200 mSv and higher significant
increases of mortality from leukemia and other cancers have been observed. In order
to derive the radiation risk in the range of low doses, the observed risk is extrapolated
under the assumption of a linear dose effect with no threshold. A monoclonal origin
of tumors is accepted. The correctness of such a procedure has to be shown through
the evaluation of the mechanism of radiation-induced carcinogenesis. On the basis
of this extrapolation the risk factor is 10−1 × Sv−1 which is four times higher than earlier estimates. On this basis, a whole-body dose
of 10 mSv (1 rem) enhances the “spontaneous” cancer mortality by about 0.5%. In addition,
some open questions are discussed such as the individual variability of radiosensitivity
in persons with DNA-repair deficiencies and biopositive effects (adaptive response)
of ionizing radiation.