Arthritis und Rheuma 2005; 25(05): 259-265
DOI: 10.1055/s-0037-1618514
Der schwer verstehbare Patient in der Rehabilitation
Schattauer GmbH

Unfälle als Ursache psychosomatischer Entwicklungen

Die Bedeutung von Ereignis und ErlebnisThe experience of an accident as a cause for psychosomatic developmentsThe meaning of event and experience
André Thali
1   Rehaklinik Bellikon
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Publication Date:
21 December 2017 (online)

Zusammenfassung

Jeder Unfall ist nicht bloß ein physikalisches Ereignis, das zu einer körperlichen Verletzung führt, sondern immer auch ein subjektives Erlebnis, das im psychischen Bereich seine Spuren hinterlässt. Als verstehendes Wesen schafft sich der Mensch stets Sinnbezüge. Bei schweren Unfällen drängt sich der Sinn förmlich auf als Untergangserlebnis mit To-desangst und kann schließlich zum Störungsbild der so genannten „Posttraumatischen Belastungsstörung“ führen. Spätfolgen sind oft persistierende Schmerzen ohne somatisches Korrelat, welche an das Erlebnis mit Todesnähe erinnern und in Form von Angstäquivalenten im leiblichen Be-reich weiterhin präsent sind. Solche psychosomatischen Entwicklungen sind auch bei leichteren Unfällen häufig zu beobachten. Hier schafft nicht die Todesnähe einen “Zwang zur Sinnentnahme“, sondern dem Unfallereignis wird eine ganz subjektive Bedeutung beigemessen. Diese Bedeutung steht mit der Biografie, Persönlichkeit und aktuellen Lebenssituation des Verunfallten in einem engen Zusammen-hang; sie kann auch der Schlüssel sein für schwer vesteh-bare Symptome und Reaktionen während der Rehabilitation.

Summary

Every accident is not only a physical event with an injury of the body, it is also a very subjective experience. Human beings always connect meaning to the experience. Very severe accidents are connected with the fear of dying that can lead to “Post-traumatic stress disorder“. The consequences often come in the form of persisting pain without somatic evidence. That can be caused from a specific association with the accident which triggers the fear of death and different somatic forms of fear. Such psychosomatic developments are also observed after minor accidents. Here, it is not the fear of death that would trigger the reaction, but the personal meanings associated with the accident. The subjective meaning of the accident is closely linked to the personal biography, personality and the present life circumstances. This personal meaning may be the key to understand unusual symptoms and reactions during rehabilitation.

 
  • Literatur

  • 1 Buber M. Ich und Du. Schriften zur Philosophie. Zürich: Lizenzausgabe Ex Libris; 1962
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  • 3 Heidegger M. Sein und Zeit. 12. Auflage. Tübingen: Niemeyer; 1972
  • 4 Heidegger M. Zollikoner Seminare. Boss M. Hrsg. Frankfurt: Klostermann; 1987
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  • 6 Straus E. Geschehnis und Erlebnis. Zugleich eine historiologische Deutung des psychischen Traumas und der Renten-Neurose. Berlin: Springer; 1930