Diabetologie und Stoffwechsel 2016; 11(03): 210
DOI: 10.1055/s-0036-1580249
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Referat – HbA1c-Schwankungen schädlich für Patienten

Robert Ritzel
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Publication Date:
07 July 2016 (online)

Hintergrund: Der HbA1c-Wert ist bei der Behandlung des Diabetes mellitus fest als prognostischer Marker etabliert. In jüngster Zeit wird diskutiert, ob neben dem absoluten Wert auch die Schwankungen des Wertes eine Rolle für die Prognose der Patienten spielen. Eine große retrospektive Untersuchung brachte hier neue Erkenntnisse.

Methoden: Die Autoren griffen für ihre Untersuchung auf Daten des Bayerischen DMP (=Disease Management Programms) zurück und analysierten die Dokumentationen von insgesamt 13 777 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die zwischen 2003 und 2008 neu auf eine Insulintherapie eingestellt worden waren. Für alle Patienten wurde die Variabilität des HbA1c-Wertes bestimmt und als Rate der Schwankungen zwischen den einzelnen Messungen angegeben. Im Gegensatz zu anderen vorausgegangenen Studien, die die HbA1c-Variabilität meist als Standardabweichung beschrieben, wird in der vorliegenden Untersuchung somit auch erfasst, wie schnell die Werte abfallen bzw. ansteigen.

Ergebnisse: Die Auswertungen ergaben eine nichtlineare Assoziation zwischen HbA1c-Variabilität und dem Risiko, einen akuten Myokardinfarkt oder zerebralen Insult bzw. eine Hypoglykämie zu erleiden. Das geringste Risiko, einen der genannten Endpunkte zu erreichen, fand sich bei einer Variabilität des HbA1c-Wertes von 0,5 %. Bei einer HbA1c-Variabilität von 1,5 % stieg die Rate der Myokardinfarkte im Vergleich zu 0,5 % innerhalb von 2 Jahren von 1 auf 10 % an, die der zerebralen Insulte von 1 auf 29 %, die der Hypoglykämien von 2 auf 24 % und das Risiko für eine notfallmäßige stationäre Aufnahme von 2 auf 21 %. Die Autoren weisen darauf hin, dass Mortalitätsdaten aufgrund des Studiendesigns nicht berücksichtigt wurden.

Folgerung: Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die neu auf eine Insulintherapie eingestellt wurden, waren schnelle, starke Schwankungen des HbA1c-Wertes mit einer höheren Rate an Myokardinfarkten, zerebralen Insulten und Hypoglykämien vergesellschaftet. Die Autoren schlussfolgern, dass eine zu aggressive Therapie mit schneller, starker Senkung des HbA1c-Wertes mit einer schlechteren Prognose für die Patienten verbunden sein könnte und empfehlen die Durchführung weiterer Studien.

Dr. Katharina Franke, Darmstadt