physioscience 2016; 12(04): 133-134
DOI: 10.1055/s-0035-1567136
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ethik in der Physiotherapie

A. K. Rausch
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Publication Date:
07 December 2016 (online)

Ethik ist ein wichtiger Aspekt für Integrität in der physiotherapeutischen Klinik und Forschung. Die Auseinandersetzung mit und Reflexion der Ethik unserer Arbeit ist auch für den Professionalisierungsprozess unerlässlich. Wer Verantwortung übernimmt, muss wissen, wie er zu einer klinisch und moralisch fundierten Entscheidung findet.

Der Weltverband für Physiotherapie (WCPT) verabschiedete im Jahr 1995 eine Grundsatzerklärung mit ethischen Prinzipien für Physiotherapeuten [5]. Auch die nationalen Abschlusskompetenzen für Physiotherapiestudierende in der Schweiz beinhalten die Verpflichtung der Ethik. Alle Professionsangehörigen tragen diesbezüglich eine große Verantwortung in der Klink und Forschung.

An der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) sind sowohl im Studium der Physiotherapie auf Bachelor-, als auch auf Master-Ebene die klinische Ethik und die Forschungsethik wichtige Bestandteile der Lehre. Diese beinhaltet unter anderem die Aufklärung über gesetzliche Grundlagen, Sensibilisierung kultivieren und Reflexion üben, um ethische Fragen lösen zu können. Wichtige Grundlage für eine Entscheidungskompetenz sind die 4 Prinzipien von Beauchamp und Childress [1]: Respekt vor der Autonomie, Nichtschaden, Fürsorge und soziale Gerechtigkeit.

Muriel Keller stellte das Konzept ihres Unterrichts im Bachelor-Studiengang Physiotherapie an der ZHAW und ein von ihr und ihrem Team der Lehrbeauftragten für Ethik entwickeltes Reflexionsinstrument im Rahmen des physioswiss-Kongresses im Juni in Basel vor. Wer mehr über das Reflexionsinstrument erfahren möchte, sollte sich auf das Buch Medizinethische Fallanalyse: Reflexionshilfe für den medizinischen Berufsalltag von Ivo Wallimann-Helmer und Muriel Keller freuen, welches im kommenden Jahr im Versus-Verlag Zürich erscheint.

Ethische Standards für die Physiotherapieforschung sind auf internationaler Ebene (WCPT [6], WHO [7]) und nationaler Ebene in der Schweiz klar gegeben. In der Schweiz ist Forschung mit Menschen durch das Bundesgesetz über die Forschung am Menschen (Humanforschungsgesetz [2]) und die Verordnung über klinische Versuche in der Humanforschung (KlinV [4]) gesetzlich geregelt. Orientierung zu medizinethischen Fragen gibt außerdem auch die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Die Schweizer Ethikkommissionen für die Forschung am Menschen haben sich zu dem Verein „swissethics“ zusammengeschlossen. Swissethics ist die Koordinationsstelle für die Eingabe von Gesuchen und die Ausbildung der Forschenden mittels (für alle Forschenden obligatorischen) Kursen zu Good Clinical Practice (GCP).

Die gesetzlichen Vorgaben gelten für alle Forschungsprojekte, einschließlich studentischer Arbeiten. Aus diesem Grund führen die Studierenden an der ZHAW zur Erlangung des Bachelor-Abschlusses keine empirische, sondern eine Literaturarbeit durch. Auf Master-Ebene besteht der Anspruch, dass Studierende eigene empirische Forschungsprojekte durchführen, was auch die Erarbeitung eines Ethikantrags und das Tragen der entstehenden Gebühren von 100 – 500 CHF (ist die Arbeit als Master-Arbeit deklariert, gibt es einen „Studentenrabatt“) einschließt. Am Departement für Gesundheit der ZHAW gibt es eine interne Vorprüfungskommission, welche bei der Erstellung des Ethikantrags unterstützt.

Alexandra Hummel wird im Rahmen ihrer Master-Thesis unter Betreuung von Dr. Rouven Porz eine qualitative Studie zur Wahrnehmung von ethischen Herausforderungen in der Physiotherapieforschung durchführen. In dieser Ausgabe stellt sie ihr Studienprotokoll vor (S. 161 f.), das Mandy Scheermesser (Sozialwissenschaftlerin und auf dem Gebiet der qualitativen Forschungsmethoden erfahren) kommentiert.

Autoren, Herausgeber und Verlag tragen gleichermaßen eine Verantwortung für die Integrität ihrer Publikationen. Dies macht eine Überprüfung der Forschungsprojekte unter ethischen Aspekten unbedingt erforderlich. Aus diesem Grund hat das Herausgeberteam der physioscience das Ziel formuliert, Publikationen nur unter Einhaltung und Deklaration ethischer Standards anzunehmen. Die Deklaration beinhaltet das Ethikvotum durch eine Ethikkommission (bzw. ein Erklärung, dass dies nicht erforderlich war) mit namentlicher Nennung der Ethikkommission, der ID-Nummer der Bewilligung und Erklärung, dass alle Studienteilnehmer eine Einverständniserklärung nach erfolgter Aufklärung unterzeichneten. Dem Herausgeberteam ist bewusst, dass es für physiotherapeutische Forschungsprojekte an deutschen Hochschulen oder Kliniken oft schwierig ist, eine zuständige Ethikkommission zu finden bzw. für die Durchführung von studentischen Arbeiten kein Ethikvotum verlangt wird. Die nationalen Rahmenbedingungen in Deutschland erfordern bisher kein Ethikvotum für Physiotherapieforschung. Kirstin-Friederike Heise und Kathrin Reichel beschreiben in ihrem Artikel die aktuelle Situation ethischer Standards für die Physiotherapieforschung in Deutschland und geben konkrete Vorschläge für das Vorgehen bei Forschungsvorhaben ohne Ethikvotum (S. 152 ff.).

Die Änderung von Autorenrichtlinien ist schnell gemacht, doch der für die Umsetzung erforderliche Prozess in der Physiotherapieforschung in Deutschland ist langwierig. Wir möchten diesen Prozess anstoßen und begleiten.

Die Konzeption und Durchführung klinischer physiotherapeutischer Studien gemäß GCP zeichnen sich auch durch die Auseinandersetzung mit den ethischen Aspekten aus. Dafür möchten wir plädieren und werden in Zukunft unsere Autorenrichtlinien diesbezüglich den internationalen Standards für Publikationsorgane [3] anpassen.

Forschung mit Menschen ist ein sensibles Thema, und transparente Regeln sind unverzichtbar.