Zahnmedizin up2date 2015; 9(05): 387
DOI: 10.1055/s-0035-1558125
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwere PA – anti-infektiöse Therapie oder chirurgisches Vorgehen?

Contributor(s):
M. Kebschull
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Publication Date:
21 September 2015 (online)

Miremadi SR, de Bruin H, Steyaert H et al. A randomized controlled trial comparing surgical and non-surgical periodontal therapy: a 3-year clinical and cost-effectiveness analysis. J Clin Periodontol doi 10.1111/jcpe.12434.

Die Frage, welches der beste und effektivste Weg eine schwere Parodontitis zu behandeln sei, wurde in den letzten Jahren intensiv wissenschaftlich untersucht. Trotz großer Fortschritte im Bereich der antiinfektiösen Therapie hat die korrektive Chirurgie noch eine wesentliche Bedeutung bei der Behandlung gerade schwerer Parodontitisfälle, insbesondere bei Kombination mit anatomischen Defekten wie intraossären Knochentaschen oder fortgeschrittenem Furkationsbefall. Traditionell erfolgt auch bei chirurgischem Vorgehen immer eine vorherige anti-infektiöse Therapie. Nur wenn bei der darauf folgenden Reevaluation noch Resttaschen vorliegen, wird das operative Vorgehen erwogen. Auf der anderen Seite kann ein solches Vorgehen vor dem Hintergrund der erheblichen Prävalenz schwerer Parodontalerkrankungen aber auch kritisch gesehen werden. Ist eine derartige Aufteilung sinnvoll, oder wäre eine sofortige chirurgische Therapie bei Patienten, die wahrscheinlich sowieso operiert werden, müssten nicht zielführender?

Um diese Frage zu beantworten, hat die belgische Arbeitsgruppe um Jan Cosyn 39 Patienten rekrutiert und nach Mundhygieneinstruktionen in eine Kontrollgruppe (anti-infektiöse Therapie) und eine Testgruppe (sofortige chirurgische Therapie im quadrantenweisen Vorgehen, Access-Flap mit Knochenrekonturierung) randomisiert. Die Patienten aus beiden Gruppen, die nach 6 Monaten noch Resttaschen ab 6 mm Sondierungstiefe aufwiesen, wurden einem geschlossenen Debridement unterzogen und erhielten eine adjuvante systemische Antibiose (Azithromycin). Die klinischen Parameter wurden bis 3 Jahre nach Therapie jährlich untersucht, und die gesamte „Stuhlzeit“ des Patienten als Maß für die Kosteneffizienz der Therapie aufgezeichnet.

Sechs Monate nach Therapie benötigten nur sechs von 19 Patienten der Testgruppe eine weitergehende Therapie mit Debridement und systemischem Azithromyzin, während diese Therapie bei fast 3/4 der Kontrollgruppen-Patienten (14 von 20) notwendig war. Nach dieser sekundären Therapie waren beide Behandlungsmodalitäten ähnlich effektiv im klinischen Ergebnis, beide Gruppen zeigten weniger als 2 % Resttaschen nach 3 Jahren. Sondierungstiefen, Plaqueindex und Blutung auf Sondierung waren ähnlich, auch der Attachmentverlust, der bei der chirurgischen Gruppe gerade bei geringen Ausgangssondierungstiefen aufgetreten war, war nach 3 Jahren gleich dem der Kontrollgruppe.

In der initialen Behandlungsphase wurde für die Testgruppe ca. 2 Stunden mehr Behandlungszeit aufgewendet. In der folgenden Nachsorgephase wurden durch die geringeren Resttaschen nach Chirurgie etwa 40 Minuten weniger Zeit aufgewendet als in der nicht-chirurgischen Kontrollgruppe.

Fazit Diese Studie zeigt, dass sowohl nicht-chirurgisches als auch primär chirurgisches Vorgehen geeignet ist, schwere Parodontalerkrankungen zu behandeln. Durch chirurgische Therapie wurde bei etwas erhöhtem Zeitaufwand vorhersehbarer eine Reduktion der Taschensondierungstiefen erreicht, sehr viel weniger Patienten benötigten die Folgebehandlung mit einem systemischen Antibiotikum. Über einen Zeitraum von 3 Jahren musste bei der chirurgischen Behandlung 80 Minuten mehr Behandlungszeit aufgebracht werden, sie ersparte den Patienten aber signifikant Nachbehandlungsaufwand und die Einnahme eines systemtischen Antibiotikums.