Z Sex Forsch 2015; 28(02): 176-177
DOI: 10.1055/s-0035-1553063
Nachruf
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Jutta Resch-Treuwerth (1941 – 2015)

Kurt Starke
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Publikationsdatum:
17. Juni 2015 (online)

In der alten BRD kannte sie fast niemand, in der DDR fast jeder. Ihre sachkundigen, freimütigen, aufschließenden Texte zu Partnerschaft und Sexualität begleiteten Generation um Generation, manchmal bis ins hohe Alter.

Jutta hatte in Leipzig Journalistik studiert und war dann als Redakteurin der auflagenstarken Jugendzeitung „Junge Welt“ durch die Artikelreihe Unter vier Augen bekannt geworden. Diese wöchentliche Rubrik entwickelte sich zu einer beliebten Beratungsinstitution insbesondere für 14- bis 25-Jährige. In ihrer 20-jährigen Autorenschaft erreichten sie mehr als 22.000 Problembriefe. Dieser Schatz – meist handgeschriebene Briefe mit Namen und Adresse, die nicht nur Fragen, sondern oft ganze Liebes- und Lebensgeschichten enthalten und Zeugnis von dem damaligen Denken und Fühlen ablegen, ist vorhanden und wäre noch zu heben.

Jutta Resch-Treuwerth war aktives Mitglied der Arbeitsgemeinschaft „Medizinische und pädagogische Probleme der Sexualität“, die von der Leipziger Ehe- und Sexualberaterin Prof. Dr. med. Lykke Aresin geleitet wurde und bei der Sektion Ehe und Familie der Gesellschaft für Sozialhygiene angesiedelt war. Aus dieser Arbeitsgemeinschaft entstand 1990 die Gesellschaft für Sexualwissenschaft e. V. Leipzig (GSW). Jutta Resch-Treuwerth war Gründungsmitglied dieser Gesellschaft und gehörte von 1993 bis 2000 dem Vorstand an, zuletzt als Zweite Vorsitzende. Mit ihr erhielt die GSW viel Aufwind, nicht zuletzt bei der Organisation von sieben Jahrestagungen. Jutta Resch-Treuwerth stand voll und ganz hinter dem interdisziplinären Konzept der Gesellschaft und arbeitete eng mit den einschlägigen Fachdisziplinen zusammen.

Nach 1990 arbeitete sie als freie Autorin und Publizistin, und sie wurde zugleich eine gefragte Zeitzeugin für Presse, Funk, Film, Fernsehen, so 1994 in Uta Kolanos berühmten Film und Buch „Der nackte Osten“, genauso wie fast 20 Jahre später im „kollektiv d’amour“ derselben Herausgeberin. Fünf Jahre führte sie ein eigenes Partnerinstitut, das der Vermittlung und Beratung diente und Untersuchungen zum Partnerverhalten von Frauen und Männern ermöglichte. Dies floss in ihre Tätigkeit in unserer wissenschaftlichen Gesellschaft ein.

In den letzten zwei Jahren kehrten Jutta Resch-Treuwerth und ihre Rubrik Unter vier Augen in die „Junge Welt“ zurück. Die letzte Kolumne erschien am 21. Februar 2015 nach ihrem Tod. Sie trug den Titel „Ich kann schreiben“.

Es wäre einseitig, Jutta Resch-Treuwerth lediglich als Sexualaufklärerin zu bezeichnen. Sie hat sich zwar vor keiner sexuellen Fragestellung gedrückt, aber doch immer die Kontexte gesehen und vor allem diesen ihre Aufmerksamkeit geschenkt – der Partnerbeziehung vor allem, der Lust und der Liebe, der Familie, den Bezugspersonen. Für sie war Sexualität Teil der Persönlichkeit und wie diese gesellschaftlich determiniert. Blanken Sex gab es für sie nicht, und sie verdunkelte und verdächtigte Sexualität auch nicht, genauso wenig wie sie sexuelles Agieren technizistisch interpretierte oder annahm, dass sich die große Lust rein durch Körpermanipulationen erreichen ließe.

In ihrer journalistischen Arbeit nahm sie Frage und Fragesteller ernst, sie traute ihnen, sie traute ihnen etwas zu, sie setzte auf Vernunft und Verstand – und auf das Gefühl. Ihrer sachlichen Art und der unprätentiösen Eleganz ihrer Formulierungen konnte sich niemand entziehen, genauso wenig wie ihrer Sprechweise, in der unverfälscht ein weibliches Ehrgefühl mitschwang und immer ein gewisser Berliner Charme und eine hauptstädtische Großgeistigkeit beteiligt waren. Bleibende Belege für ihre unnachahmliche Art zu denken und zu schreiben sind ihre acht Bücher, vom Kinderbuch „Ich hab Dich lieb“ über „Das Leben zu zweit“ und die Schrift „Alles nur Sex- und sonst nichts?“ bis zum Buch „Warum denn nicht! Frauen über die Liebe ab 50“. Jutta Resch-Treuwerth war eine lebens- und liebeszugewandte Gesellschaftsaufklärerin.