Ultraschall Med 2015; 36(04): 401-402
DOI: 10.1055/s-0035-1552136
DEGUM-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aus dem Ultraschallmuseum der DEGUM – Zur Entwicklung der deutschen Ultraschallgesellschaften in der Medizin:

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Publication Date:
04 August 2015 (online)

 

1. Teil: die „DAUD“

Am 27.11.1971 trafen sich 15 Wissenschaftler in Erlangen und beschlossen die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft für Ultraschalldiagnostik, die dann 1972 mit Erstellung der Satzung und Eintrag am Registergericht unter dem Namen Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Ultraschalldiagnostik (DAUD) vollzogen wurde.


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Die Fachgebiete der Gründungsmitglieder ([Abb. 1]) waren Neurologie (3), Neurochirurgie (4), Unfallchirurgie (1), Gynäkologie / Geburtshilfe (3), Innere Medizin (2), ZMK (1) und Physik (1).

Die Zusammensetzung der von vorne herein interdisziplinär ausgerichteten DAUD entsprach somit nur teilweise den damals schon wesentlichen Anwendungsgebieten. Diese waren die eindimensionale Echoenzephalografie zur Erkennung einer Verschiebung ([Abb. 2]) des Mittelechos infolge einer intrakraniellen Raumforderung (z. B. durch traumatische Blutung oder Tumor) in der Neurochirurgie und des zweidimensionalen Compoundscan-Verfahrens in Geburtshilfe ([Abb. 3]) und Gynäkologie. Die routinemäßige Anwendung dieser zeitaufwändigen Technik auf dem Gebiet der Inneren Medizin, in 1. Linie im Abdomen, war noch begrenzt.

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Abb. 1 Gründungsmitglieder der DAUD
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Abb. 2 Verschiebung des Mittelechos nach rechts bei linksseitigem Tumor (oben: Raumforderungszeichen im sog. Echoenzephalografie) Karotisangiogramm, unten A-Mode.
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Abb. 3 Compound-Scan: Zwillinge

Bemerkenswert war das anfängliche Fehlen der Augenmediziner ([Abb. 4]), die seit 1964 international in der Societas Internationalis pro Diagnostica ultrasonica in Ophthalmologia (SIDUO) organisiert waren sowie der Kardiologen. Letztere nutzten damals schon in der Routine das eindimensionale A-Scan Verfahren, zeitlich fortlaufend registriert als sog. TM-mode (syn. time motion) zur Erkennung von Herzklappenfehlern. Sie waren jedoch wissenschaftlich von vorne herein und auch weiterhin vorwiegend in einer eigenen Fachgesellschaft tätig.

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Abb. 4 A-Mode: Netzhautablösung.

Die Arbeitsgemeinschaft betonte in ihrer 1. Presseerklärung die Ungefährlichkeit der Methode und nannte als ihre Ziele:

  • die Weiterentwicklung der großen technischen und medizinischen Fortschritte (des Ultraschalls) der letzten Jahre,

  • die Verbreitung der Ultraschallverfahren.

Weiterhin will die Arbeitsgemeinschaft den internationalen Austausch fördern und die BRD auch formal in der ebenfalls 1972 von 13 nationalen Verbänden gegründeten European Federation of Societies for Ultrasound in Medicine and Biology (EFSUMB), sowie international vertreten.

Die Gründung der DAUD an sich und der Anspruch, die Ultraschalldiagnostiker in der BRD nach außen zu vertreten war insofern bemerkenswert, als damals bereits eine Gesellschaft in Deutschland existierte, die sich mit Ultraschall in der Medizin befasste (s. Kasten). Deren Vorsitzender bedauerte die Gründung einer weiteren Gesellschaft in einem Schreiben an die neue Arbeitsgemeinschaft.

Zweifellos war die 1. weltweite Tagung der Ultraschalldiagnostiker in Wien 1969 die Initialzündung für die Gründung vieler nationaler Ultraschallgesellschaften, wie der DAUD, während in anderen Ländern bestehende wissenschaftliche Gesellschaften von den Ultraschalldiagnostikern weitergeführt und gewissermaßen „übernommen“ wurden, was an den „älteren“ Gründungsdaten abzulesen ist. Die treibende Kraft zur Gründung der DAUD war der Erlanger Neurochirurg E. Kazner, der auch zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde. Sekretär wurde G. Rettenmaier.

Unter der wissenschaftlichen Leitung von H. Hickl und E. Kazner organisierte E.-G. Loch als Tagungssekretär die 1. Tagung der DAUD in Wiesbaden am 6. und 7. Mai 1972. 95 Teilnehmer hörten 13 Übersichtsvorträgen aus den wichtigen Bereichen, die durch 18 „freie“ Vorträge in fachspezifischen (Geburtshilfe / Gynäkologie und Innere Medizin) Arbeitssitzungen ergänzt wurden.

In den folgenden Jahren nahm die Mitgliederzahl der DAUD kontinuierlich zu (1973: 35, 1974: 55, 1977: 113 ordentliche Mitglieder) und die anfängliche Idee einer elitären Arbeitsgemeinschaft von Wissenschaftlern wurde zugunsten auch interessierter Anwender durchbrochen. Aufgrund der großen Nachfrage wurden die ersten Fortbildungskurse von Mitgliedern der DAUD in Böblingen (ab 1973 G. Rettenmaier) und Erlangen (ab 1974 H. Lutz) durchgeführt.

Die 2. Jahrestagung wurde von P. Otto in Hannover 1974 (16.–18. Mai) organisiert. Der Schwerpunkt der insgesamt 36 Vorträge zeigte eine deutliche Verschiebung zur Inneren Medizin. Zugleich waren zum letzten Mal engagierte Diskussionen über Vor- und Nachteile der Compound-Scan- Technik versus real-time (damals noch ausschließlich Vidoson) zu hören.

U. Haller organisierte 1976 (17./18. Sept.) in Heidelberg die 3. Tagung der DAUD. Mit 84 Vorträgen war der Umfang erheblich angewachsen. Der stilvolle Festabend auf dem Heidelberger Schloss war der bemerkenswerten Entwicklung der Ultraschalldiagnostik angemessen. Dort wurde der für die weitere Entwicklung der Ultraschalldiagnostik im deutschsprachigen Raum wesentliche Beschluss gefasst, die jährlichen Treffen der deutschen, österreichischen (ÖGUM) und schweizerischen (SGUMB) Ultraschallverbände als deutschsprachiges Dreiländertreffen gemeinsam und abwechselnd in jedem Land zu veranstalten. Der 1. Vorsitzende E. Kazner trat in vorbildlicher Weise von seinem Amt zurück, „da die Echo-Encephalografie nicht mehr im Zentrum der Entwicklung des medizinischen Ultraschalls steht“. Er wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt und damit zum 1. Ehrenmitglied der DEGUM. Nachfolger als 1. Vorsitzender der DEGUM wurde folgerichtig der Internist G. Rettenmaier.

Das 1. Dreiländertreffen fand dann 1977 in Wien statt, organisiert von Alfred Kratochwil und Emil Reinold. Auf der Mitgliederversammlung der DAUD während dieses Kongresses wurde am 8.12.1977 die Umbenennung der DAUD in Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V. (DEGUM) mit Wirkung vom 5. Juli 1978 beschlossen. Zu diesem Zeitpunkt (5.3.78) zählte die DEGUM 152 ordentliche Mitglieder.

Wissenschaftliche Gesellschaften, die sich vor 1971 mit Ultraschall befassten

Zwischen 1. und 2. Weltkrieg hatte sich aus Anfängen in den Fächern Physik und Akustik international das Forschungsgebiet „Ultraschall“ zunehmend entwickelt und neben technischen, militärtechnischen und industriellen Anwendungen auch biologische und medizinische Wirkungen des Ultraschalls bearbeitet. In Deutschland erschien 1949 bereits die 4. Auflage (1. Neuauflage nach dem Krieg) des umfassenden Werkes „Der Ultraschall und seine Anwendung in Wissenschaft und Technik“ von Ludwig Bergmann, Wetzlar, Honorarprofessor der Physik an der Universität Gießen. Im Jahre 1954 verzeichnete die 6. Auflage bereits über 5000 Einzelveröffentlichungen. Im Jahre 1949 fand in Erlangen die internationale Ultraschall-Tagung über Ultraschall in Medizin und Biologie statt, die sich besonders der jüngsten der physikalischen Heilmethoden, der Ultraschalltherapie, widmen wollte. Im Tagungsband (später als Band 1 der Reihe DER ULTRASCHALL in der MEDIZIN bezeichnet), heißt es (Der Ultraschall in der Medizin, S.Hirzel, Zürich 1949, S. 365), dass die Gründung einer „Ultraschall-Arbeitsgemeinschaft“ vorgeschlagen wurde mit dem Vorstand Bergmann (Wetzlar), Rajewski (Frankfurt) und Gruetz (Univ. Hautklinik Bonn). Eine eigene Ultraschall-Zeitschrift sei noch verfrüht. Es wurde vielmehr vorgeschlagen, das Angebot von Prof. Meyer, Herausgeber der „Strahlentherapie“ aufzugreifen, diese Zeitschrift für Veröffentlichungen zu nutzen.

Schon der 2. und 3. Band der Reihe „Der Ultraschall in der Medizin“ erschien aber 1952 bei Hirzel mit dem Dermatologen KH Woeber, Bonn, als Herausgeber. Der 3. Band erschien „im Einvernehmen mit der Wiss. Vereinigung für Ultraschallforschung e. V. Bonn“. Woeber war deren Mitbegründer im Jahre 1948, und Herausgeber der Zeitschrift „Ultraschall in Medizin und Grenzgebieten“, zunächst im Hirzel-Verlag. Ab etwa 1954 wurde diese Zeitschrift zum Vereinsorgan. Auch manche Pioniere der Ultraschalldiagnostik, z. B. K. Dussik, publizierten in dieser Zeitschrift. KH Woeber war 1968 auch Mitbegründer der bis heute bestehenden Ges. für angewandte Ultraschallforschung e.V. (GEFAU) am Ultraschall-Institut von R. Pohlmann an der TH Aachen, die sich mit Geräteentwicklung, Normung und Sicherheit befasste.

H. Lutz (Bayreuth), H.-G. Trier (Bonn)


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Abb. 1 Gründungsmitglieder der DAUD
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Abb. 2 Verschiebung des Mittelechos nach rechts bei linksseitigem Tumor (oben: Raumforderungszeichen im sog. Echoenzephalografie) Karotisangiogramm, unten A-Mode.
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Abb. 3 Compound-Scan: Zwillinge
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Abb. 4 A-Mode: Netzhautablösung.