Der Klinikarzt 2015; 44(3): 133
DOI: 10.1055/s-0035-1549407
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Patient Blood Management (PBM) – eine Alternative zur Bluttransfusion

Kai Zacharowski
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Publication Date:
01 April 2015 (online)

Qualität im Gesundheitswesen gewinnt erfreulicherweise zunehmend an Relevanz, sowohl auf gesundheitspolitischer Ebene als auch in der Versorgungsrealität. Der Schwerpunkt wird vermehrt auf Patientensicherheit und Risikomanagement gelegt. Die Einführung von CIRS (Critical Incidence Report Systems) ist ein Beispiel für diesen Strukturwandel. Ein weiteres Beispiel qualitätssteigernder Konzepte ist das Patient Blood Management (PBM). Die aktuelle Ausgabe des klinikarzt greift in hervorragender Art und Weise das Thema auf und demonstriert neben Vielfalt auch Interdisziplinarität.

Fokus des PBMs ist es, modifizierbare Risikofaktoren für das Auftreten von Komplikationen gezielt positiv zu beeinflussen. Eine unbehandelte Anämie z.B., auch wenn nur im geringen Ausmaß, ist im Rahmen einer Operation mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen und Sterblichkeit assoziiert [1]. Musallam und Kollegen konnten anhand einer Datenbankauswertung von 227 425 Patienten nach großen, nicht-herzchirurgischen Eingriffen zeigen, dass selbst eine milde präoperative Anämie einen unabhängigen Risikofaktor für postoperative Morbidität und Letalität darstellt [2]. Überdies ist die präoperative Anämie größter Prädiktor für eine perioperative Fremdblutgabe [3]. Eine präoperative Anämie tritt in bis zu 50 % der elektiv-operierten Patienten auf. Sie ist auch unabhängig von der Fremdblutgabe mit einem erhöhten Risiko für postoperative Morbidität und Mortalität assoziiert [4].

Vor diesem Hintergrund kommen der Früherkennung und der Behandlung der präoperativen Anämie eine essentielle Bedeutung zu. Die präoperative Anämie wird jedoch präoperativ nur sehr selten therapiert. So wurde im Rahmen der PREPARE-Studie an 17 europäischen Zentren zwar bei 14,1 % der Patienten vor elektiven orthopädischen Eingriffen eine Anämie diagnostiziert, aber nur in < 10 % wurde eine erweiterte Labordiagnostik durchgeführt [5]. Dies ist umso überraschender, als der häufigste Grund für die präoperative Anämie in der Regel Eisenmangel ist [6]. Mittels oraler oder intravenöser Eisentherapie wäre eine präoperative Anämiekorrektur mit relativ wenig Aufwand möglich. Dieser Ansatz würde darüber hinaus auch noch die Anzahl an transfundierten Blutkonserven reduzieren [7, 8]. Die wichtigsten Prädiktoren für eine perioperative Fremdbluttransfusion sind eine präoperative Anämie sowie ein hoher perioperativer Blutverlust. In Kenntnis dieser relativ einfachen Tatsachen könnte das Patient Blood Management (PBM) ein pragmatischer Lösungsansatz sein.

Die Gabe von Fremdblutkonserven hingegen stellt eine nicht-kausale Behandlungsform der unklaren Anämie dar, die vielmehr mit zusätzlichen gesundheitlichen Komplikationen verbunden und zudem kostenintensiv ist. Die Therapie mit allogenen Blutpräparaten weist eine hohe interinstitutionelle Variabilität auf [9–11]. Gombotz und Mitarbeiter z.B. zeigten in ihrer Untersuchung erhebliche Unterschiede bei dem perioperativen Blutverlust sowie bei der Anzahl der transfundierten Erythrozytenkonzentraten (EK) auf [1]. Diese große Variabilität in der Transfusionsmedizinpraxis ist umso überraschender, da zumindest für Deutschland durch die Querschnitts-Leitlinien der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten Empfehlungen vorliegen, ab welchem Trigger Patienten transfundiert werden sollten [12]. Dies deutet auf Optimierungspotential hinsichtlich der adäquaten Indikationsstellung und des Einsatzes fremdblutsparender Maßnahmen hin. Bei richtiger Indikation werden durch eine Fremdbluttransfusion tagtäglich weltweit Tausende von kritisch blutenden Patienten adäquat therapiert. Eine liberale Indikationsstellung hingegen ist mit einem erhöhten Risiko an Infektionen [13, 14], höheren Morbidität und einer erhöhten Letalität assoziiert [15]. Bei Tumorpatienten mit einer Kolon-Resektion scheint die Transfusion von EK sogar mit einem erhöhten Risiko von Tumorrezidiv verbunden zu sein [16]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert daher seit 2011 die Einführung von Alternativen zur Bluttransfusion, insbesondere ein adäquates Patient Blood Management [17].

In den vergangenen 3 Jahrzehnten wurden zahlreiche Strategien entwickelt, um die Gefahren einer Bluttransfusion zu reduzieren. Als Folge sind Bluttransfusionen sicherer als je zuvor und in der Tat ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein unerwünschtes Ergebnis auf eine bestimmte einzelne Konserve zurückzuführen ist, vernachlässigbar gering.

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung zeichnen sich außerdem in den nächsten Jahren erhebliche Engpässe bei der Versorgung mit Blutkonserven ab. Immer mehr älteren chirurgischen Patienten mit einem zunehmenden perioperativen Bedarf an Fremdblutprodukten stehen immer weniger potentielle Blutspender gegenüber. Ein vielversprechender Lösungsansatz ist auch hier sicherlich das PBM. Es ruht auf 3 multidisziplinären Säulen, die evidenzbasierte Maßnahmen bündeln und die in den nachfolgenden Kapiteln ausführlich dargestellt werden.

Das deutsche Gesundheitssystem befindet sich in einem Wandlungsprozess und Patient Blood Management ist ein integraler Baustein in diesem Prozess hin zu mehr Patientensicherheit. Der integrierte Versorgungsansatz stellt den Patienten in den Mittelpunkt aller Bemühungen. Prozesse werden analysiert, systematisch bewertet und nach dem besten verfügbaren Wissen umstrukturiert. PBM ist Fortschritt und Sicherheit! Ich freue mich über Ihr Interesse und hoffe, dass unsere PBM-Reihe Sie inspiriert!

Literatur bei der Redaktion oder unter http://www.thieme.de/klinikarzt