intensiv 2015; 23(02): 57
DOI: 10.1055/s-0035-1547194
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

Rita Hofheinz
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Publication Date:
06 March 2015 (online)

Alles nun was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.

(Matthäus 7,12)

Sie nehmen Zeit und Geduld in Anspruch, sie stellen lästige und kritische Fragen, sie möchten getröstet und beruhigt, unterstützt und informiert werden. Sie benötigen dringend Hilfe, da sie mit ihrer Situation vollkommen überlastet und überfordert sind. Sie fühlen sich hilflos und bedroht. Neben dem Patienten befinden sich auch seine Familie und Angehörige mit der Aufnahme auf der Intensivstation in einem Ausnahmezustand, in einer Krise. Auch sie brauchen Pflege.

„Angehörige fallen oft erst auf, wenn sie stören oder wenn sie nicht da sind“, dieser Satz stammt aus einem Vortrag von Dr. Michael Wunder, Mitglied des Deutschen Ethikrates, und er ist mir nie wieder aus dem Kopf gegangen. Dabei spielen gerade die Angehörigen eine wesentliche Rolle für die Genesung des Patienten. Sie sind aufmerksame Beobachter der Krankheitsentwicklung, psychische Stütze und Co-Pflegekraft zugleich.

Die Bedürfnisse der Familie müssen von Pflegenden berücksichtigt werden, da es sonst zu erhöhtem Stress für die Angehörigen kommt, der bei einer guten Betreuung reduziert werden kann. Auch eine Reihe von bedeutenden Arbeiten zeigt, dass ein bewusster und offener Umgang und eine pro-aktive Gesprächsführung die betroffenen Angehörigen erheblich entlasten. In der professionellen Pflege hat man diesen Stellenwert zunehmend erkannt und bemüht sich vermehrt um eine adäquate Integration der Angehörigen.

Intensivstationen erkennen diesen Stellenwert ebenfalls, nicht zuletzt werden immer mehr mit dem Zertifikat „Angehörige jederzeit willkommen“ vom Verein Pflege e. V. ausgezeichnet.

Ich möchte den Mitarbeitern der Intensivstationen mit dieser Ausgabe sowohl die Situation der Angehörigen näherbringen als auch ihre Fachkompetenzen im Umgang mit diesen erweitern. Das liegt mir nicht nur als Leitung der Fachweiterbildung für Intensivpflege und Anästhesie am Herzen, sondern auch, weil ich als Angehörige schon häufig eigene traurige Erfahrungen machen musste. Nicht zuletzt ist es ausschlaggebend für mein Engagement in der Deutschen Sepsis-Hilfe e. V. Unsere Mitglieder sind Betroffene und Angehörige – und ich erhoffe mir, größtmögliches Verständnis für die Erwartungen der Angehörigen zu schaffen.

Mit besten Grüßen aus München,

Ihre

Rita Hofheinz