Z Gastroenterol 2015; 53(11): 1381-1382
DOI: 10.1055/s-0034-1398039
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Der besondere Fall – Diagnose auf Umwegen

Gero Moog
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Publication Date:
17 November 2015 (online)

Wir berichten über einen jetzt 76 Jahre alten Patienten, der sich vor sieben Jahren erstmalig in unserer Praxis vorstellte. Damals wurde er auf Grund einer cholestatischen Leberwerterhöhung zugewiesen, es fand sich zu diesem Zeitpunkt auch bereits ein schmerzloser Ikterus. Sonografisch war eine intrahepatische Gallenwegserweiterung nachzuweisen. Die NMR Untersuchung der Leber und auch die ERCP konnten eine Stenose in dem Bereich des Gallengangs im Bereich der Bifurkation nachweisen, eine zytologische oder histologische Sicherung eines Gallengangskarzinoms gelang nicht. Bei dringendem Verdacht auf ein cholangiozelluläres Karzinom wurde der Patient an die Universitätsklinik in Göttingen überwiesen und dort zunächst laparotomiert. Die Situation wurde von dem operierenden Chirurgen als inkurabel eingestuft, aus dem Grund kein Resektionsversuch durchgeführt.

Nachdem sich der Patient wieder in unserer Praxis vorstellte, war die Verzweiflung groß und der Patient und auch die Angehörigen suchten nach einem Ausweg. Umso erfreulicher war es, dass er wenige Tage später dann das Angebot einer Lebertransplantation bekam und diese als Zentrumsangebot deklarierte Leber verständlicherweise auch nicht ablehnte. Der Hintergrund der damaligen Transplantation ist sicher mit dem heutigen Kenntnisstand zu hinterfragen, aber für den Patienten war es zu diesem Zeitpunkt die einzig kurativ erscheinende Option.

Die orthotope Lebertransplantation verlief ohne Komplikationen, nach kurzer Zeit konnte der Patient wieder nach Hause entlassen werden. Erstaunlicherweise zeigte die Untersuchung der explantierten Leber, dass es sich nicht um ein CCC sondern um einen entzündlichen Pseudotumor gehandelt hatte. Der weitere Verlauf gestaltete sich ebenfalls unauffällig, allerdings musste 2011 bei einer Stenose der Gallengangsanastomose eine biliodigestive Anastomose angelegt werden.

Seit dieser Zeit war der Patient weiter bei uns und gelegentlich auch in der LTX Ambulanz in Göttingen in Betreuung. Die Immunsuppression, die nach einiger Zeit nur noch als Monotherapie mit Tacrolimus durchgeführt wurde, machte keine Probleme, der Spiegel wurde auf Grund einer geringen Niereninsuffizienz im unteren therapeutischen Bereich gehalten.

Anfang dieses Jahres stellte sich der Patient mit periumbilikalen Schmerzen, Krankheitsgefühl und Gewichtsverlust vor. Leicht erhöhte Entzündungszeichen, klinisch kein richtungsweisender Befund. Sonografisch und im MRT kein Hinweis auf eine Ursache, ex juvantibus wurde eine Therapie mit Antibiotika bei V. a. Divertikulitis eingeleitet, allerdings klinisch ohne Erfolg.

Vier Wochen später fiel erstmalig in einer Sonografie eine auffällige Erweiterung der Aorta abdominalis auf, die sonografisch dem Bild eines gedeckten Aortenaneurysmas entsprach. Im CT konnte ein rupturiertes, dissezierendes Aneurysma ausgeschlossen werden, es fand sich hier eher das Bild einer ausgeprägten Periaortitis. Vergleiche mit Voraufnahmen, auch mit dem MRT zeigten den Befund vorher nicht. Schaut man in die Literatur sind folgende Erkrankungen mit der Periaortitis assoziiert:

  • Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse,

  • ankylosierende Spondylitis SLE,

  • Vaskulitiden,

  • medikamentös (Ergotamine),

  • Infektionen (Salmonellen, Mykobakterien),

  • Lungenfibrose,

  • primär biliäre Zirrhose,

  • sklerosiernde Cholangitis.

Wir konnten diese Erkrankungen ausschließen, so dass auch vor dem Hintergrund des damalig zur Lebertransplantation führenden Pseudotumors der Gallenwege nur die Diagnose einer Idiopathischen retroperitonealen Fibrose (M. Ormond) übrigblieb, die mit einem inflammatorischen Aortenaneurysma und perianeurysmatischer retroperitonealer Fibrose einhergeht.

Zur Sicherheit wurde bei dem Patienten noch ein PET CT durchgeführt, die die starke Inflammation um die Aorta erneut zeigen konnte. Heute wissen wir, dass auch der M. Ormond zu den IgG-4 assoziierten Erkrankungen gehört ebenso wie die Autoimmuncholangitits. Aus diesem Grund nahmen wir mit der Pathologie der Universität Göttingen Kontakt auf und baten um eine Nachbefundung des Explantats mit besonderer Berücksichtigung einer IgG4 vermittelten Entzündung. Prof. Schildhaus, Göttingen beschreibt folgenden Befund:

  • Nachweis der für IgG4 RD typischen storiformen Fibrosierung,

  • Nachweis von viel IgG – positiven Plasmazellen, jedoch kein übermäßiger Nachweis von IgG4;

  • Von der Zusammenschau hohe Wahrscheinlichkeit für IgG4-RD.

Allerdings fand sich im Labor nie eine IgG 4 Erhöhung. Der Patient wurde zusätzlich zu dem genommenen Tacrolimus auf eine Steroidtherapie eingestellt, die inzwischen auf 5 mg Prednisolon / Tag reduziert werden konnte. Darunter kam es zu einer auch in der Bildgebung eindrucksvollen Normalisierung des periaortalen Entzündungsprozesses. Der Patient ist beschwerdefrei, die Laborwerte vollständig normalisiert.

Retrospektiv ist der Verlauf deshalb so interessant, weil vermutlich der Autoimmunprozess durch die intensivere Immunsuppression nach der LTX unterbrochen wurde und nach Reduktion der Immunsuppressiven Therapie wieder evident wurde. Der Patient wurde von uns in enger Zusammenarbeit mit unserem am Haus tätigen Angiologen behandelt, dem ich auch die Bilder verdanke.