Z Gastroenterol 2015; 53(1): 62-63
DOI: 10.1055/s-0034-1397480
Der bng informiert
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bng-Positionen – Ambulante spezialfachärztliche Versorgung

Albert Beyer
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Publication Date:
26 January 2015 (online)

Es ist seit längerer Zeit erklärter Wille der Politik, Sektorengrenzen abzubauen und den Patienten einen freieren Zugang in den dann ambulant geöffneten stationären Bereich zu ermöglichen. Der „alte“ Paragraph 116 (b) hatte dazu geführt, dass sich durch die einseitige Ermächtigung der Kliniken ohne Beteiligung der niedergelassenen Vertragsärzte Sektorengrenzen eher verschärft haben. Zahlreiche Klagen gegen einzelne Ermächtigungen führten zum Erfolg.

Der Gesetzgeber hat daher in der Novellierung des 116 (b) eine primär intersektorale Struktur vorgegeben, welche – bei der Versorgung von Patienten mit gastrointestinalen Tumoren – eine obligate Beteiligung niedergelassener Vertragsärzte vorsieht. Durch eine kluge vertragliche Ausgestaltung ist es in diesem Rahmen grundsätzlich möglich, eine Kooperation auf Augenhöhe zu erreichen und von freier niedergelassener Seite Mitgestalter dieser neuen Versorgungsform zu werden. Der bng hat hierzu ausführliche Vorschläge und Musterverträge erarbeitet.

Die aktuelle politische Entwicklung jedoch ist desaströs. Das „Versorgungsstärkungs-Gesetz“ soll die im Koalitionsvertrag bereits angedachte weitere einseitige Öffnung der Kliniken zementieren und die fachärztliche Versorgung durch freie Praxen in der Fläche durch zahlreiche weitere Repressalien massiv beschädigen. Hinzu kommt, dass durch die angedachte unbegrenzte Gültigkeit einer 116(b)(alt)-Ermächtigung (statt einer Gültigkeit für nur noch zwei Jahre nach Verabschiedung der diesbezüglichen ASV-Anlage) eine Entwicklung zur ASV für Kliniken vordergründig uninteressanter wird.

Wir erleben aktuell das oft zitierte „tipping-Phänomen“ des Herrn Lauterbach, es beschleunigt sich rasant eine Entwicklung hin zu einer vermehrt staatlich gelenkten Medizin im Sinne einer zunehmenden Zentralisierung. Im Gegensatz zur Staatsmedizin in sozialistischen Ländern sind hierbei insbesondere Gesundheitskonzerne die Nutznießer. Die freiberufliche Tätigkeit bleibt auf der Strecke und wird bewusst ausgehungert.

Diese Entwicklung erfährt eine weitere Beschleunigung durch die aktuelle Problematik der Klinikfinanzierung. Zahlreiche überschuldete Kliniken werden darüber nachdenken, durch ein vermehrtes ambulantes Behandlungsangebot Kosten zu senken und die aktuelle Finanzierungskrise dadurch zu meistern.

Warum positioniert sich der bng angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen dennoch klar für eine aktive Teilnahme an der ASV? Es gibt aus unserer Sicht keine sinnvolle Alternative, längerfristig unsere Freiberuflichkeit in einem System fallender Sektorengrenzen zu erhalten. Eine Teilnahme an einer ASV bietet aus unserer Sicht folgende Vorteile:

  • Mitgestaltung der Gesamtstrukturen der jeweiligen ASV im Rahmen eines geeigneten Vertragskonzeptes,

  • geplante Weiterentwicklung des Honorars in der ASV gemeinsam mit dem stationären Sektor anhand von betriebswirtschaftlichen Kriterien (im Gegensatz zur geplanten EBM-Reform!),

  • raschere Umsetzung von NUB (neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) mit der Möglichkeit, diese Methoden in der Praxis anbieten zu können (im Gegensatz zum jetzigen Erlaubnisvorbehalt),

  • Erhalt der Selbstständigkeit in einem integrierten Konzept.

Die geplante unbegrenzte Gültigkeit einer 116(b)(alt)-Ermächtigung beeinträchtigt unseres Erachtens nur teilweise die Bereitschaft der Kliniken, eine ASV aufzubauen. Der größte Nachteil dieser Ermächtigung ist die Bindung an den EBM, welche eine adäquate Weiterentwicklung des Honorars in diesem Bereich nicht zulässt. Durch die Möglichkeit, 116(b)(alt)-Leistungen und ASV-Leistungen alternativ auch in einem Fachbereich abrechnen zu können, werden zahlreiche Kliniken dennoch Interesse zeigen, sich an dieser neuen Versorgungsform zu beteiligen.

Ein von unseren Mitgliedern oft genannter Einwand gegen die ASV ist die Frage der Bereinigung des fachärztlichen Honorars. Bereinigt werden jedoch primär nur Leistungen innerhalb der MGV (keine extrabudgetären Leistungen wie die Koloskopie). Zahlreiche Landes-KVen haben sich zu den Details der Bereinigung noch nicht geäußert bzw. diese Details noch nicht geklärt. In Hessen herrscht hier bereits Klarheit – bereinigt werden nur die MGV-Leistungen der als Vertragsärzte tätigen ASV-Teilnehmer, nicht gleichzeitig die Leistungen der im stationären Bereich tätigen ASV-Teilnehmer. Wir gehen davon aus, dass auch die übrigen KVen sich dieser Rechtsauffassung anschließen und diese Position gegenüber den Kassen vertreten. Dem „Topf“ der jeweils Niedergelassenen entsteht dadurch kein Schaden.

Ob, wann und wie eine ASV umgesetzt wird, ist sicherlich stets von speziellen regionalen Gegebenheiten abhängig. Jeder von uns sollte die Entwicklungen in seiner Region daher genau im Auge behalten und im Falle einer sich abzeichnenden oder bereits bestehenden ambulanten Behandlung im jeweiligen Krankenhaus selbst die Initiative hin zu einer ASV ergreifen.

Eine Verweigerungshaltung ist unseres Erachtens angesichts der politischen Rahmenbedingungen nicht zielführend. Falls sich der jetzt konstruierte Rahmen der ASV nicht bewährt, wird der Gesetzgeber nicht zögern, weitere alternative Rahmenbedingungen für die ambulante Tätigkeit der Krankenhäuser zu schaffen. Eine Besserung der Situation ist für uns dann in keiner Weise zu erwarten. In wieweit der Ärztemangel an den Krankenhäusern uns hier zugutekommt, ist schwer abzuschätzen. Verlassen möchte ich mich darauf nicht.