Schlüsselwörter
Ventrikulitis - Meningitis - pyogen
Keywords
ventriculitis - meningitis - pyogenic
Einleitung
Pyogene Ventrikulitiden sind eine seltene Komplikation intrakranieller Infektionen,
die eine Ansammlung eitriger Flüssigkeit im Ventrikelsystem aufweisen. Als synonyme
Begriffe werden häufig Ventrikelempyem, Pyocephalus oder Ependymitis verwandt. Häufige
Ursachen einer pyogenen Ventrikulitis sind vorangegangene invasive diagnostische oder
therapeutische Prozeduren (z. B. die Anlage eines Liquorshuntes oder Lumbalpunktionen),
Rupturen intrakranieller Abszesse oder seltener die direkte Ausbreitung einer bakteriellen
Meningitis, deren Erreger schwierig zu eradizieren sind. Klinisch können sie mit geringen
oder atypischen Symptomen einhergehen und daher schwierig zu diagnostizieren sein,
bei nicht rechtzeitiger Erkennung aber dennoch tödlich verlaufen. Eine zerebrale Bildgebung
kann in der Diagnosestellung hilfreich sein, wobei nur wenige Berichte über kraniale
CT- und MRT-Befunde bei erwachsenen Patienten mit pyogenen Ventrikulitiden existieren.
Wir berichten über 2 Meningitis-Patienten, bei denen eine pyogene Ventrikulitis mithilfe
von bildgebenden Verfahren diagnostiziert wurde und geben eine aktuelle Literaturübersicht
zu dieser seltenen Komplikation.
Kasuistik
Fall 1
Eine 73-jährige Frau stellte sich aufgrund von starken Kopfschmerzen in unserer Notaufnahme
vor. 3 Tage zuvor war eine zervikale und lumbale Infiltrationsbehandlung erfolgt.
In der Nacht vor der stationären Aufnahme war sie im häuslichen Umfeld rezidivierend
gestürzt. Klinisch zeigte sich ein ausgeprägter Meningismus, darüber hinaus jedoch
kein fokal neurologisches Defizit. Während des stationären Aufenthaltes entwickelte
sie Fieber. Laborchemisch bestanden eine Leukozytose von 13 000/µl sowie ein CRP-Wert
von 17,4 mg/dl bei normwertigem Procalcitonin. Liquordiagnostisch zeigte sich der
typische Befund einer bakteriellen Meningitis mit einer Zellzahl von 10 789/µl, einem
Gesamtprotein von 693,4 mg/dl, einem erhöhten Lactatwert von 10 mmol/l und einem deutlich
erniedrigtem Glukosewert von 6 mg/dl. CT-morphologisch fand sich eine hyperdense Spiegelbildung
im Hinterhorn des linken Seitenventrikels ([Abb. 1]). Hals-Nasen-Ohrenärztlich zeigte sich ein Normalbefund, der Urinstatus war unauffällig,
das Röntgenbild des Thorax zeigte eine Belüftungsstörung des linken Unterlappens,
welche differenzialdiagnostisch als beginnendes Infiltrat gedeutet wurde. Ein Erregernachweis
gelang in den Blut- sowie Liquorkulturen nicht, auch das Grampräparat zeigte sich
negativ. Die Patientin wurde intravenös antibiotisch mit Ceftriaxon über 10 Tage behandelt.
Eine Kontrollpunktion am zehnten Behandlungstag zeigte 119/µl Zellen, einen Proteinwert
von 822 mg/l, einen Lactatwert von 4,4 mmol/l und normale Glukosewerte. Aufgrund des
guten klinischen Ansprechens der antibiotischen Behandlung innerhalb der ersten 48
Stunden wurde auf eine weitergehende spinale Bildgebung nach der Infiltrationsbehandlung
verzichtet. Ein lokaler spinaler oder paraspinaler Klopfschmerz fand sich nicht. Nach
2 Wochen wurde die Patientin beschwerdefrei in das häusliche Umfeld entlassen.
Abb. 1 Kraniales CT mit hyperdenser Spiegelbildung im Hinterhorn des linken Seitenventrikels.
Die Abbildung wurde mit freundlicher Genehmigung der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie,
Alfried Krupp Krankenhaus Essen, zur Verfügung gestellt.
Fall 2
Ein 86-jähriger Mann wurde aufgrund einer Ungeschicklichkeit der rechten Hand sowie
eines Hängenbleibens am Boden mit dem rechten Bein während des Gehens aus einer internistischen
Klinik mit dem Verdacht auf Schlaganfall zugewiesen. Bei Aufnahme bestand kein fokal
neurologisches Defizit mehr. 6 Stunden nach der Übernahme entwickelte der Patient
allerdings eine hochgradige motorische Aphasie, eine rechtsseitige Hemiparese sowie
Fieber bis 39°C. Laborchemisch zeigte sich eine Leukozytose von 25 000/µl sowie ein
CRP-Wert von 6,3 mg/dl und ein erhöhter Procalcitoninwert von 0,82 ng/ml (Normbereich<0,5 ng/ml).
Liquordiagnostisch bestanden eine grenzwertig erhöhte Zellzahl von 6/µl (Normbereich<4/µl)
und normale Gesamtprotein-, Glukose- und Lactatwerte. 2 native CCT-Untersuchungen
am ersten und zweiten Behandlungstag blieben unauffällig. MR-tomografisch zeigte sich
am dritten Behandlungstag eine sedimentierte Signalanhebung in beiden Hinterhornspitzen
in den diffusionsgewichteten Aufnahmen mit geringer Absenkung in der ADC-Map und leicht
hyperintensem Signalverhalten in der T1-Wichtung ([Abb. 2]). Der Patient wurde intravenös antibiotisch mit Ceftriaxon und Ampicillin sowie
bis zum Eintreffen einer negativen Herpesvirus-PCR mit Aciclovir behandelt. Die durchgeführte
Fokussuche mittels Urinstatus, Röntgenbild vom Thorax, Sonografie des Abdomens, transösophagealer
Echokardiografie sowie konsiliarischer Hals-Nasen-Ohrenärztlicher Untersuchung blieb
ohne Nachweis eines Entzündungsfokus. Hinweise auf Abszesse der Zahnwurzeln als mögliche
Erregerquelle zeigten sich ebenfalls nicht. Die transkranielle Duplexsonografie zeigte
bis auf eine leichte Strömungsbeschleunigung am Übergang des M1-/M2-Segmentes links
keine Auffälligkeiten, die MRT-Angiografie der intrakraniellen Gefäße zeigte sich
unauffällig, sodass sich kein Hinweis für eine begleitende Meningovaskulitis ergab.
Das Grampräparat zeigte gram-positive Kokken. In den Blut – und Liquorkulturen wurden
schließlich Ampicillin-sensible orale Streptokokken nachgewiesen. Eine erneute Liquorpunktion
am fünften Behandlungstag ergab eine Zellzahl von 982/µl, ein Gesamtprotein von 1 221 mg/l
sowie einen Lactatwert von 3,7 mmol/l bei weiterhin normwertiger Glukose. Im weiteren
Verlauf zeigte der Patient intermittierend weiter leicht erhöhte Körpertemperaturen,
bis auf eine Dysarthrie aber keine fokalen neurologischen Symptome mehr und wurde
zur weiteren komplex-geriatrischen Behandlung verlegt. Die Antibiose mit Ampicillin
wurde über insgesamt 10 Tage fortgeführt.
Abb. 2 Kraniales MRT mit sedimentierter Signalalteration in den diffusionsgewichteten Aufnahmen
a, korrespondierendem Signalabfall im ADC-Map b und leicht hyperintensem Signalverhalten in der T1-Sequenz c. Die Abbildung wurde mit freundlicher Genehmigung der Klinik für Radiologie und Neuroradiologie,
Alfried Krupp Krankenhaus Essen, zur Verfügung gestellt.
Diskussion
Pyogene Ventrikulitiden sind seltene, aber in 30–70% tödliche Begleiterscheinungen
bei intrakraniellen Infektionen. Sie werden häufig durch vorangegangene invasive Eingriffe
wie der Anlage von Liquorshunts, aber auch durch Liquorpunktionen oder durch Ruptur
eines intrakraniellen Abszesses hervorgerufen, seltener spontan oder durch die direkte
Ausbreitung einer bakteriellen Meningitis. Das Erregerspektrum reicht dementsprechend
von am häufigsten nach neurochirurgischen Eingriffen nachgewiesenen koagulase-negativen
Staphylokokken und S. aureus sowie gramnegativen Bakterien bis hin zu Mikroorganismen,
die vornehmlich bei immunkompromittierten Patienten auftreten, wie Zytomegalieviren
oder Nocardien [1]. Bildgebende Verfahren können bei der Diagnose wichtige Hinweise liefern, obwohl
bisher nur wenige Berichte über kraniale CT- und MRT-Befunde bei erwachsenen Patienten
mit Ventrikulitiden veröffentlicht wurden. Häufigster Befund ist der Nachweis eines
ventrikulären Zelldebris in 94% der Fälle. Des Weiteren können häufig ein Hydrocephalus,
periventrikuläre hyperintense Signale in der FLAIR-Sequenz der MRT-Bildgebung oder
ein ependymales Kontrastmittelenhancement nachgewiesen werden [2]
[3]. Bei den geschilderten Fällen konnten bis auf den Zelldebris keine der anderen Auffälligkeiten
nachgewiesen werden, wobei Aussagen zum Kontrastmittelverhalten des Ependyms bei keinem
der Patienten getroffen werden können, da die erste Patientin keine MRT-Untersuchung
erhielt und beim zweiten Patienten keine Kontrastmittelapplikation erfolgte. Der Zelldebris
findet sich aufgrund der Lageabhängigkeit am häufigsten in den Hinterhörnern der Seitenventrikel
und imponiert leicht hyperintens in den T1-gewichteten und leicht hypointens in den
T2-gewichteten Aufnahmen. Bedingt durch die hohe Viskosität der eitrigen Flüssigkeit
mit Hyperzellularität sowie Wasserbindung an den Makromolekülen fällt der Zelldebris
– ähnlich wie ein intrakranieller Abszess – durch ein hyperintenses Signal in den
diffusionsgewichteten Sequenzen mit entsprechendem Signalabfall in den ADC-Aufnahmen
als Ausdruck einer eingeschränkten Protonendiffusion auf [4]. Diese intraventrikulären Signalveränderungen fanden sich in einer rezenten retrospektiven
Studie bei 54,7% der Patienten mit bakterieller Meningitis, die eine kraniale MRT
erhielten und damit deutlich häufiger als in älteren Studien [6]. Procalcitonin im Serum kann hilfreich in der Abgrenzung einer bakteriellen von
einer andersartigen Meningitis bzw. Ventrikulitis sein. Spezifische Liquorparameter
sind hierfür nicht etabliert [1]
[5].
Der erste Fall der 73-jährigen Patientin zeigte typische klinische und liquordiagnostische
Befunde, die rasch die Diagnose einer bakteriellen Meningitis nahelegten. CT-morphologisch
wurde die pyogene Ventrikulitis inzidentell als Begleitbefund nachgewiesen. Anamnestisch
lag hierfür mit den vorangegangenen zervikalen und lumbalen Infiltrationen ein typischer
Provokationsfaktor vor. Wir gingen trotz des fehlenden Keimnachweises und des bestehenden
Infiltrates im Röntgenbild des Thorax am ehesten von den vorangehenden infiltrierenden
Eingriffen als Eintrittspforte und Ursache der Meningitis bzw. Ventrikulitis aus.
Im zweiten Fall des 86-jährigen Mannes war die zur Aufnahme führende klinische Symptomatik
zunächst als fokale zerebrale Ischämie gedeutet worden. Liquordiagnostisch zeigte
sich nach Auffieberung mit einer Zellzahl von 6/µl bei normwertigen Glukose- und Lactatwerten
eingangs ebenfalls ein für eine bakterielle Meningitis untypischer Befund. Hierbei
handelte es sich am ehesten um einen sog. Status bacillosus, d. h. eine hohe Bakteriendichte
im Liquor bei niedriger Zellzahl, der einen ungünstigen Verlauf anzeigen kann. In
diesem Fall erbrachte erst die am dritten Behandlungstag durchgeführte MRT-Untersuchung
die typischen bildgebenden Befunde einer Ventrikulitis bei fehlendem Nachweis einer
Ischämie. Die in der Blutkultur und im Liquor nachgewiesenen oralen Streptokokken
sind eher ungewöhnliche Erreger einer bakteriellen Meningitis oder Ventrikulitis,
da sie zur normalen menschlichen Keimflora gehören und per se nur gering pathogen
sind. Als Auslöser von Meningitiden nach spinalen Eingriffen wie einer Anästhesie
oder Lumbalpunktion (die bei unserem zweiten Patienten aber nicht durchgeführt worden
waren) machen sie jedoch bis zu 60% der Fälle aus. Hierbei konnten viele der Fälle
zur oralen kommensalen Flora eines medizinischen Angestellten, der an einer invasiven
Prozedur des Patienten beteiligt war, zurückverfolgt werden. Dies belegt nochmals
nachdrücklich den Stellenwert einer strikt aseptischen Liquorpunktion sowie der Verwendung
eines Mundschutzes gemäß den Leitlinien [7]
[8]. Weitere Risikofaktoren können Komorbiditäten sowie potentiell immunkompromittierende
Erkrankungen oder Konditionen wie hohes Alter, Diabetes mellitus, Alkoholismus, sanierungsbedürftiger
Zahnstatus, Malignome, Endokarditiden oder Sinusitiden sein [9]
[10]. Einschränkend muss erwähnt werden, dass eine genauere Keimdifferenzierung, welche
Hinweise auf den zugrunde liegenden Fokus hätte bieten können, nicht durchgeführt
wurde. Der genaue Fokus blieb bei dem Patienten daher ungeklärt, bis auf das hohe
Alter ließen sich keine Risikofaktoren eruieren.
In unseren Fällen sprachen beide Patienten gut auf die intravenöse Antibiotikagabe
an, häufig können Ventrikulitiden allerdings auch die Ursache einer therapierefraktären
Meningitis sein. Ihr Nachweis in den bildgebenden Untersuchungen rechtfertigt dann
den Einsatz einer intraventrikulären Antibiose über ein Ommaya Reservoir als Therapieoption.