PPH 2014; 20(06): 346
DOI: 10.1055/s-0034-1395970
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publikationsdatum:
21. November 2014 (online)

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Ada Borkenhagen, Aglaja Stirn, Elmar Brähler: Body Modification – Manual für Ärzte, Psychologen und Berater. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2014. ISBN 978-3-941468-88-7, 303 Seiten, 39,95 Euro (Foto: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft)

Im Alltag mag man sich immer wieder fragen, welchen Sinn Körpermodifikationen machen. Dass sich Wissenschaftler zu Körpermodifikationen äußern, ist eher selten. Mit dem Buch „Body Modification“ gibt es ein seltenes Dokument der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk Körper. Die Autorinnen und Autoren um die Herausgeber haben einen medizinischen und teilweise psychologischen Zugang zu dem Phänomen gesucht. Es ist auf seine Weise ein Zeitdokument, es bildet Gegenwart ab, zeigt, wie Menschen heutzutage ticken.

Mit Sachlichkeit und Gelassenheit schauen sie auf Tätowierungen, Piercings und Schönheitsoperationen. Mit Ruhe erklären sie die Details und die Hintergründe von dento-oralem Tuning, Adipositas-Chirurgie und männlicher Genitalbeschneidung. Sie füllen inhaltliche Lücken, wenn sie über seelische Aspekte bei Patienten schreiben, die den Wunsch nach operativer Korrektur der Genitalien haben. Quasi gebetsmühlenartig schließen sämtliche Beiträge mit einem „Fazit für den Umgang im klinischen Alltag“ ab.

Welche Relevanz das Buch für den psychiatrischen Alltag haben könnte, mag man sich fragen. Während der Lektüre verstärkt sich der Eindruck, dass es einen Zugang zu den Menschen ermöglicht, die ihren Körper korrigieren lassen. Es macht letztendlich wenig Sinn, ohne jegliche Empathie über deren Handeln zu lächeln, sich hysterisch aufzuregen oder gar ein moralisches Urteil zu formulieren.

Wer darüber nachdenkt, den eigenen Körper korrigieren zu lassen, klopft quasi an die Türen psychiatrisch-psychotherapeutischer Versorgung. Subjektiv scheint es ein Leiden zu geben, das die Integrität des Einzelnen zu bedrohen scheint. Wie in den Beiträgen deutlich wird, mag jede körperliche Korrektur jedoch abgewogen werden. Man blickt nach der Lektüre des Buchs sachlicher auf Körpererleben, -wahrnehmung und -passungen. Es sollte ein Anstoß sein, über die medizinisch orientierte Sichtweise hinaus einen sozialwissenschaftlichen und psychotherapeutischen Blick auf das Phänomen zu werfen. Für den psychiatrisch Pflegenden mögen solche Bücher eine Möglichkeit sein, scheinbar Fremdes besser zu verstehen.

Christoph Müller