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DOI: 10.1055/s-0034-1395969
Mitteilungen für die Mitglieder der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege
Publication History
Publication Date:
21 November 2014 (online)

Braucht Pflege Öffentlichkeitsarbeit?
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
braucht Psychiatrische Pflege eigentlich Öffentlichkeitsarbeit? Immerhin ist Pflege im Gespräch und das Prestige der Berufsgruppe Pflege in der Öffentlichkeit ist hoch.
Im Rahmen der Studie „GfK Trust in Professions 2014“ wurden 28 000 Verbraucherinterviews in 25 Ländern geführt, in denen das Vertrauen der Bürger in 32 unterschiedliche Berufsgruppen erfragt wurde. „Krankenschwestern/-pfleger“ genießen das Vertrauen von 94,6 Prozent der Teilnehmer und sind somit auf Platz drei im Ranking [1].
Titel wie „Pflege ohne Lobby“ zieren die Flyer von Kongressen, auf denen über das Image der Pflege, Vergleiche mit anderen medizinischen Berufsgruppen und die Vergütung diskutiert wird. Auch über den Mangel an Pflegenden in Relation zum zukünftigen Pflegebedarf, nicht zuletzt in Bezug auf den demografischen Wandel, wird nahezu täglich in der Zeitung berichtet.
Die vermehrte mediale Auseinandersetzung mit der Pflege bemerkte auch Michael Isfort vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e. V. und stellt fest, dass (sich) „Pflege bewegt“ [2]. Kampagnen wie „Uns reicht´s“ [2] und „Pflege am Boden“ werden von den Medien aufgegriffen. Die Diskussion um Pflegekammern hält sich bundesweit beständig und es wird ein Für und Wider diskutiert. Pflege ist also in aller Munde. Braucht die Pflege vor diesem Hintergrund Öffentlichkeitsarbeit?
Um das zu beantworten soll kurz beleuchtet werden, was Öffentlichkeitsarbeit eigentlich ist. Der Begriff Öffentlichkeitsarbeit wird abgeleitet vom englischen Public Relations (PR) und zielt darauf ab, durch die Erhöhung des Bekanntheitsgrads Vertrauen zu schaffen und somit die Reputation zu steigern [3]. Michael Horst beschreibt, dass gerade die Pflege vor einer Herausforderung stehe, wenn es um Öffentlichkeitsarbeit gehe. Pflege sei gezwungen, diese gezielt zu betreiben, um nicht nur die „bad news“, sondern auch die Alltäglichkeiten publik zu machen [4].
Öffentlichkeitsarbeit für die Pflege muss aber weitaus mehr leisten, als den Pflegealltag abzubilden. Sie muss die Kompetenzen und inhaltlichen Schwerpunkte der Pflege besser ins Licht rücken. Denn Pflege wird öffentlich – und politisch – vorrangig in ihrer kompensatorischen Rolle wahrgenommen: Sie leistet für den Betroffenen das, was er selbst nicht mehr kann.
Zu wenig wird die recoveryunterstützende, beratende, edukative – und damit therapeutische – Rolle der Pflege gesehen. Zu wenig wird wahrgenommen, welche zentrale Bedeutung es für die Genesung hat, wenn der Patient ganz lebenspraktisch darin unterstützt wird, in seinen Alltagshandlungen die Kontrolle wiederzuerlangen. Oder wenn er durch eine Pflegeperson vertrauensvolle Begleitung und Entlastung erfährt.
Das reduzierte Bild von Pflege in ihrer kompensatorischen Rolle hat politisch enorme Auswirkungen: Es führte z. B. zu der stark verrichtungsbezogenen Definition von Pflegebedürftigkeit in der Pflegeversicherung; mit der Konsequenz, dass viele notwendige Pflegeleistungen nicht finanziert werden. Oder: Pflege wird erst seit wenigen Jahren und nur sehr zögerlich an der Versorgungsforschung und -planung beteiligt. Die Pflegeverbände haben noch viel zu tun, bis die tragende Rolle von Pflege öffentlich und politisch besser im Bewusstsein ist.
Ein Problem etlicher Gesundheitsberufe (nicht nur der Pflege) ist, dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland sehr arztzentriert ist: Viele nichtärztliche Gesundheitsberufe in Deutschland haben im Vergleich zu anderen Ländern und im Verhältnis zu den Ärzten weniger Stellen, weniger Bezahlung und weniger Kompetenzen. Die Ausweitung der Verantwortung und der Handlungskompetenzen Pflegender wird ausgebremst, wenn die Autonomie des ärztlichen Berufs sehr ausgeprägt ist [5].
Die Pflege steht noch immer zu sehr im Rang eines ärztlichen Hilfsberufs. Dabei belegen Studien, dass eine Gesundheitsversorgung umso besser ist, je mehr nichtärztliche Berufe gute Bildung und hohe Entscheidungsbefugnisse haben und von den Patienten als Experten bei Gesundheitsfragen um Rat gebeten werden [6]. Durch ihre besondere Nähe zum Patienten bieten sich für die Pflege in Alltagssituationen oder bei sozialer Interaktion zahlreiche Gelegenheiten zu Beratung und alltagsnaher Unterstützung.
Gerade psychiatrische Hilfen sind in aller Regel nur gut, wenn sie multiprofessionell sind. Nicht umsonst führt der Katalog der Operationen und Prozeduren (OPS) bei allen psychiatrischen Kodes die Interdisziplinarität als Merkmal auf. Viele Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen bekommen zu wenig wirksame Hilfe – also zu wenig Pflegeangebote –, um ihren Alltag trotz persistierender Symptome in den Griff zu bekommen.
Nicht nur die Pflege braucht Öffentlichkeit, sondern auch die psychiatrische Arbeit. Detailliertes Wissen über die Arbeit mit Menschen mit psychischen Erkrankungen schützt vor Vorurteilen. Die ambulanten psychiatrischen Hilfen sind in Deutschland sehr unterschiedlich entwickelt, hier scheint vielen Kommunen ihre Aufgabe nicht klar zu sein. Der Vorrang der ambulanten vor der stationären Behandlung steht vielerorts nur auf dem Papier, die mangelnde Finanzierung ambulanter Leistungen verhindert ein flächendeckendes Angebot ambulanter Psychiatrischer Pflege. Die Trennung zwischen den Behandlungssektoren sorgt für Brüche in der Betreuung. Mit der entsprechenden Ausgestaltung des neuen Entgeltsystems könnten hier neue Akzente gesetzt und Anreize geschaffen werden. Hier gilt es für die DFPP, weiterhin für Verbesserungen einzutreten.
Noch mehr aber brauchen die Psychiatrieerfahrenen Öffentlichkeitsarbeit – im Sinne von Antistigmaarbeit. Wir wissen leider, dass die Vorurteile gegenüber psychisch Kranken eher zu- als abnehmen [7]. Erlebte Stigmatisierung wirkt sich leider häufig entscheidend und negativ auf Krankheitsverlauf und Recovery aus. Presseberichte, wie z. B. über den Fall Mollath oder die zahlreichen Publikationen zum Thema Burn-out und Depression, lenken immerhin den öffentlichen Blick auf die Psychiatrie. Vielleicht ist gerade jetzt ein günstiges Zeitfenster für Öffentlichkeitsarbeit?
Die DFPP selbst braucht natürlich auch Öffentlichkeit, denn Verbandsarbeit macht nur Sinn, wenn sie gehört und wahrgenommen wird. Wir freuen uns auf das Gespräch mit Euch/Ihnen und auf Eure/Ihre Unterstützung.
Die Öffentlichkeitsbeauftragten der DFPP: Regine Groß, Dorothea Sauter, Johannes Kirchhof
Aufgaben der Öffentlichkeitsbeauftragten
Ziel der DFPP ist, die Psychiatrische Pflege in Deutschland voranzubringen. Dafür reicht es nicht, wenn Fachwissen vermehrt und verfügbar gemacht wird oder Leitlinien und Standards für die Psychiatrische Pflege formuliert werden. Genauso wichtig ist, dass Psychiatrische Pflege die erforderlichen Rahmenbedingungen für ihre Arbeit erhält. Bezüglich Bildung, Stellenbemessung, Arbeitsbedingungen, Anerkennung im multiprofessionellen Team und Wertschätzung in Politik und Gesellschaft muss sich noch vieles verbessern.
Die DFPP ist nur stark, wenn sie in der Politik und in der (Fach-)Öffentlichkeit Gehör findet. Stellungnahmen, Forderungen oder Positionspapiere müssen nicht nur der Öffentlichkeit bekannt werden, sondern gezielt die relevanten Entscheidungsträger in der Politik und in Organisationen erreichen. In den letzten beiden Jahren wurde die DFPP u. a. angefragt, bei der Aktualisierung der DGPPN-S3-Behandlungsleitlinie Schizophrenie, bei der Novellierung des Psych-KG in NRW, bei der Ethikkommission der Bundesärztekammer u. v. m mitzuwirken. Das gilt es fortzusetzen.
Und: Die DFPP ist nur stark, wenn sie viele Mitglieder hat, viele aktive und viele passive. In der Gründungssitzung im Februar 2012 zählte die DFPP 43 Mitglieder, heute sind es deutlich über 200. Das ist eine gute Entwicklung, zumal bekannt ist, dass Pflegende sich (leider) generell wenig in Verbänden organisieren. Aber: Wir müssen noch viel mehr werden! Fortlaufende Mitgliederakquise ist das zweite Ziel der Öffentlichkeitsarbeit.
Die Öffentlichkeitsbeauftragten der DFPP unterstützen den Vorstand und das Präsidium bei der Wahrnehmung all dieser Aufgaben. Außerdem machen sie Vorschläge für die Verbandsseiten in der PPH, sorgen sich um die Präsenz der DFPP auf Kongressen und anderen Veranstaltungen und unterstützen den Administrator bei allen Online-Aktivitäten.
Auch für die Öffentlichkeitsbeauftragten gilt: Jede Form von Unterstützung und Mitwirkung ist willkommen! Wer sich einbringen will, der melde sich gerne per E-Mail an pr@dfpp.de.
Expertengespräch AQUA-Institut
Das AQUA-Institut wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragt, Merkmale für die „Entwicklung eines sektorenübergreifenden Qualitätssicherungsverfahrens zur Versorgung bei psychischen Erkrankungen“ zu erstellen. Die DFPP wurde um die Stellungnahme seitens der Psychiatrischen Pflege gebeten, im September 2014 fand das Expertengespräch mit der DFPP statt (https://www.sqg.de/projekte/versorgung-bei-psychischen-erkrankungen.html).
Taskforce Strukturqualität
Die Taskforce Strukturqualität befasst sich mit den Auswirkungen des neuen Entgeltsystems auf die Personalstandards der Kliniken. Prof. Dr. Michael Löhr vertritt die DFPP. U.a. werden Vorschläge erarbeitet, wie die Strukturqualität in der Psychiatrie gesichert werden kann. Der Wegfall der Psych-PV ist gerade für die Psychiatrische Pflege ein nicht zu unterschätzender Faktor. Die Arbeitsgruppe der DFPP sowie der BFLK hat über verschiedene Pflegewissenschaftler leitlinienbezogene und normative Aspekte identifiziert, die innerhalb einer Neubewertung von Personalstandards wichtig sind. Die Ergebnisse aller Arbeitsgruppen der Taskforce werden in Artikeln einer Ausgabe des Nervenarztes Anfang 2015 abgebildet.
Video zu Forschungsergebnissen der Intensivbetreuung
André Nienaber, Bruno Hemkendreis, Prof. Dr. Michael Schulz und Prof. Dr. Michael Löhr haben ihre Forschungsergebnisse zum Thema Intensivbetreuung in einem kurzen YouTube-Video zusammengefasst (https://www.you tube.com/watch?v=deU7VFIBJcY und http://www.dfpp.de/index.php/component/content/article/13-news/152-intensivbetreuung).
Mitgliederversammlung am 20. Februar 2015 – bitte Termin vormerken!
Die Mitgliederversammlung 2015 findet am Freitag, 20. Februar, von 11 bis 15 Uhr in der Universitätsklinik Köln statt. Neben der Diskussion der DFPP-Aktivitäten, der Vorstandwahl und der erforderlichen Vereinsformalitäten wird ein Fachvortrag zu hören sein.
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Literatur
- 1 GfK Verein. GfK Verein veröffentlicht internationale Studie zum Vertrauen in Berufe. Im Internet: http://www.gfk-verein.de/index.php?article_id=349&clang=0 Stand: 16.08.2014
- 2 Isfort M. Öffentlichkeitsarbeit. Pflege in den Medien Die Schwester/Der Pfleger 2009; 48 (7) 1
- 3 Springer Gabler Verlag Hrsg. Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Öffentlichkeitsarbeit. Im Internet: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/142160/oeffentlichkeitsarbeit-v6.html Stand: 16.08.2014
- 4 Faust V. Öffentlichkeitsarbeit im Gesundheitswesen. Im Internet: www.psychosoziale-gesundheit.net/pdf/faust1_oeffentlichkeitsarbeit.pdf Stand: 16.08.2014
- 5 Bundesministerium für Bildung und Forschung. Bestandsaufnahme der Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen im europäischen Vergleich. Band 15 der Reihe Berufsbildungsforschung. o. O.: Bundesministerium für Bildung und Forschung 2014
- 6 Aiken LH, Sloane DH, Bruyneel L et al. Nurse staffing and education and hospital mortality in nine European countries: a retrospective observational study. Lancet 2014; (Epub ahead of print)
- 7 Schomerus G, Angermeyer MC. Psychiatrie – endlich entstigmatisiert? Einstellungen der Öffentlichkeit zur psychiatrischen Versorgung 1990-2011. Psychiatrische Praxis 2013; 40: 59-61