Sportphysio 2014; 02(04): 190-191
DOI: 10.1055/s-0034-1395887
Notes
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Veranstaltungsbericht · Buchtipp · Termine

Further Information

Publication History

Publication Date:
13 November 2014 (online)

VERANSTALTUNGSBERICHT

Aktuelle Therapiekonzepte für VKB und Meniskus
1. Spätsommersymposium in Frankfurt am Main

Am 29. und 30. August 2014 fand in Frankfurt das 1. Spätsommersymposium statt. Organisiert wurde das Symposium von der sportorthopädischen und chirurgischen Abteilung der BG-Unfallklinik in Frankfurt/Main. Thema des Symposiums war „Aktuelle Therapiekonzepte VKB & Meniskus“. Den ersten Tag widmeten die Organisatoren dem Meniskus, der zweite Tag gehörte dem vorderen Kreuzband (VKB). Das Programm bot den Teilnehmern viele aktuelle Informationen; an beiden Tagen gingen die Redner auf die Anatomie, Biomechanik, Symptomatik, Diagnostik und Therapie der jeweiligen Struktur ein.

Die Vorträge waren ein guter Anlass, seine Kenntnisse bezüglich Anatomie und Funktion aufzufrischen und gegebenenfalls zu ergänzen. Für die Physiotherapeuten, die täglich nicht nur mit den frisch operierten Knien zu tun haben, bot dieses Symposium eine hervorragende Gelegenheit, sich mit den aktuellen Operationstechniken und therapeutischen Möglichkeiten zu beschäftigen. Während des Symposiums wurde klar, dass das Wissen über Anatomie und Biomechanik eines Kniegelenkes eine extrem wichtige Rolle spielt bei der Operationsentscheidung und der anschließenden Therapie. Daher sollte jeder Physiotherapeut sich bemühen, altes Wissen aufzufrischen.

Spannende Infos zum Meniskus und VKB

Highlights der Meniskusvorträge:

  • Die stärkste Innervation des Meniskus ist im Hinterhorn (HH).

  • Das mediale HH ist der Agonist des VKB.

  • Das HH des Außenmeniskus hat eine Verbindung zum hinteren Kreuzband (HKB).

  • Das Heilungspotenzial des AM ist deutlich größer als das Heilungspotenzial des Innenmeniskus (IM).

  • Beide Menisken spielen eine sehr große biomechanische Rolle im Kniegelenk – ein Schaden an den Menisken kann die Biomechanik enorm verändern.

  • Die allgemeine Heilungsrate einer Meniskusverletzung ist abhängig vom Zustand des VKB.

  • Der Operateur kann intraoperativ bei einer ASK die Heilungschancen deutlich verbessern, z. B. mittels Raspeln, Mikrofrakturen, Fibrin Clots oder Platelet Rich Plasma (PRP).

  • Nur symptomatische Meniskenrupturen sollten operiert werden, entweder durch Resektion, Naht oder einen künstlichen Meniskus (CMI). Für jedes Verfahren gibt es Pros und Kontras. Zum Teil gibt es eine klare Indikation, wann welche Methode gewählt werden muss, zum Teil aber auch nicht.

  • Eine hohe tibiale Osteotomie (HTO) kann für bestimmte Patienten (auch Sportler) eine gute Lösung sein. Sollte allerdings eher bei lang anhaltenden Symptomen und unklaren Meniskuszeichen angewendet werden und ist immer befundabhängig.

  • Nicht sehr oft gesehen und im Vortragsraum intensiv diskutiert war die Wurzelläsion mit ihrem „Ghost Sign“ im MRT. Tritt bei 14,04 % der VKB-Rupturen am AM auf.

Highlights der VKB-Vorträge:

  • Die Frage wurde gestellt, ob Double-Bundle (= exaktere, anatomischere Wiederherstellung der Kinematik, Verbesserung der Instabilität und klinischer Ergebnisse – aber auch teurer, zeitaufwendiger und schwieriger) oder Single-Bundle (bewährtes Verfahren, gute klinische Ergebnisse, aber mit subjektivem Instabilitätsgefühl; Kniegelenkskinematik kann nicht komplett wiederhergestellt werden und möglicher negativer Einfluss auf die Arthroseentwicklung) als Plastik zu verwenden ist. Die Literatur zeigt keinen klaren Unterschied in den Ergebnissen.

  • Der Erfolg einer VKB-Plastik steht im deutlichen Zusammenhang mit der Verwendung der anatomischen Rekonstruktion (in Bezug auf den femoralen und tibialen Ansatz/Footprint) – dies führt zu verbesserten Funktionen und Outcomes.

  • VKB-Verletzungen verursachen Defizite im Positionssinn und in der Bewegungsdetektion.

  • Bei Jugendlichen spielen die Präventionsprogramme eine sehr wichtige Rolle – z. B. Prevent Injury and Enhance Performance (PEP), Knee Injury Prevention Program (KIPP) oder FIFA 11+.

  • Welche Plastik sollte man wählen – Ischiokruralen vs. Patellarsehne vs. Quadrizepssehne? Jeder Autograft hat seine Vor- und Nachteile. Die Literatur sagt, dass es im Vergleich zwischen den beiden Sehnen keinen Unterschied bezüglich klinischen Scores und der Stabilität gibt. Es besteht tendenziell eine höhere Arthroseentwicklung bei der Verwendung der Patellarsehne, ebenso klagen die Patienten nach einem Patellarsehnen-Autograft öfter über Anterior Knee Pain.

Erwähnenswert ist der Vortrag zur Geschichte der VKB-Chirurgie. Bereits 1845 stellte man fest, dass meistens der femorale Ansatz des VKB reißt, seltener der tibiale Ansatz. 1900 führten Ärzte die erste erfolgreiche Naht des VKB durch und 1912 die erste Arthroskopie. Im Jahre 1917 wurde erstmals die Semitendinosussehne als Ersatz verwendet, allerdings für den HKB. 1932 testete man erstmals die Patellasehne für den VKB-Ersatz. 1970 operierten Ärzte den ersten richtigen Patellasehnenblock und 1990 die erste Pressfit-Fixierung des Patellasehnenblocks. Die Vorgaben für die anschließende Rehabilitation waren bis 1990 eher statisch. 1990 wurde dann die Accelerated Rehabilitation vorgestellt.

An beiden Nachmittagen fand ein physiotherapeutischer Workshop statt. Hierzu konnte man sich im Voraus anmelden. Die Nachfrage für die praktischen Workshops war größer als erwartet und somit auf die ersten 24 Teilnehmer beschränkt. Während der Workshops konnte man sowohl etwas über die Tätigkeit eines Orthopädietechnikers erfahren als auch bei den Sportlehrern seine Koordination und Kraft testen. Die Physiotherapeuten zeigten, wie in der BG-Unfallklinik die Therapie durchgeführt wird.

Fazit: Ein Blick über den physiotherapeutischen Tellerrand lohnt sich Das Symposium richtet sich zwar überwiegend an Ärzte, dennoch sind alle Themen interessant und relevant für Physiotherapeuten. Man bekommt quasi einen Einblick in die Welt der Chirurgen und Orthopäden. Sehr lobenswert waren der kritische und relevante Umgang mit Evidenzbasierter Medizin sowie die Betonung auf die Notwendigkeit der anschließenden Rehabilitation und physiotherapeutischen Behandlung. Die Take-Home-Message war eindeutig: den Meniskus so lange wie möglich zu erhalten (Save the meniscus!) und die VKB-Plastik so individuell wie möglich zu operieren (personalized ACL).

Das 2. Spätsommersymposium ist für den 4. und 5. September 2015 geplant. Thema des 2. Symposiums wird „Instabilitäten der Schulter – aktuelle Ansätze in Diagnostik sowie konservativer und operativer Therapie“ sein. Jeder, der etwas über seinen Tellerrand hinausschauen und dieses Thema mehr aus Sicht der Ärzte sehen möchte, sollte sich die Mühe machen, nach Frankfurt zu reisen und an diesem Symposium teilzunehmen. Es wird sich lohnen!

Fiona Morrison
E-Mail: fiona.morrison@t-online.de