Einleitung
Der M. Crohn als chronisch entzündliche granulomatöse Darmerkrankung zeigt neben der intestinalen Symptomatik ein breites Spektrum assoziierter Dermatosen (> 20). Zu den häufigsten kutanen Manifestationen bei Zweidrittel aller an M. Crohn Erkrankten zählen perianale Läsionen in Form von Fisteln und Abszessen [1]
[2]
[3]. Granulomatöse Entzündungsreaktionen treten nicht nur im Gastrointestinaltrakt auf, sondern zeigen sich vielgestaltig auch perianal und oral, in seltenen Fällen sogar weit von den betroffenen Darmabschnitten entfernt [4]. Im hier präsentierten Fall einer Patientin mit M. Crohn kam es seit 6 Monaten zur Neuentwicklung granulomatöser Hautveränderungen des Oberschenkels.
Kasuistik
Anamnese
Vor ca. 6 Monaten bemerkte unsere Patientin erstmalig eine schmerzlose ovale Braunverfärbung der rechten Oberschenkelvorderseite mit zunehmender Größe und Pigmentierung. Primär erfolgte die Zuweisung in unsere Praxis vom betreuenden Hausarzt aufgrund einer Fissur im Analbereich und Erosionen im Genitalbereich. Seit 15 Jahren ist ein Morbus Crohn bekannt, der letzte schwere Schub mit gastrointestinalen Beschwerden und einer Medikation mit Infliximab lag ein Jahr zurück. Ohne Dauermedikation war der Verlauf aktuell nahezu stabil, mit durchschnittlich einer Exazerbation im Jahr.
Dermatologischer Befund
Bei der Erstvorstellung sah man in der klinischen Untersuchung eine bis zur Diagnosesicherung unveränderte, scharf begrenzte, braun-livide schmerzlose Pigmentierung, 10 × 14 cm durchmessend mit subkutaner Schwellung der rechten Oberschenkelvorderseite ([Abb. 1]). Zu diesem Zeitpunkt fanden sich neben der primär beschriebenen Hautveränderung multiple Papulopusteln teils follikulär gebunden entlang der Oberschenkelinnenseite bis zur Leiste, Erosionen der Labien und eine Fissur im Analbereich. Nach zweiwöchiger Therapie mit Diltiazem-Salbe kam es zur Abheilung der Fissur. Die Papulopusteln zeigten ein gutes Ansprechen auf Gentamycin-Salbe mit Komplettremission nach 3 Wochen.
Abb. 1 Klinischer Befund einer granulomatösen Hautveränderung im Rahmen des M. Crohn vor Therapie.
Internistischer Befund
Im Labor fand sich ein Eisen- und ein Vitamin B12-Mangel mit Werten von 20 µg/l bzw. 281 ng/l, vereinbar mit der chronischen Entzündungsreaktion der Darmschleimhaut und damit einhergehender Resorptionsstörung. Großes Blutbild, ACE, CRP und ANA sowie deren Differenzierung in Histone-Antikörper, RNP, SCL-70, Sm-Antikörper, SS-A, SS-B, ds-DNS fanden sich im Normbereich bzw. negativ. Die Mykologie ergab keinen Hinweis für Pilzelemente. Die Borrelienserologie war negativ.
Histologie
Weichteilexzidat, welches in den oberen korialen Anteilen fibrohistiozytäre Zellelemente und mehrkernige Riesenzellen zeigt. Um die granulomatösen Proliferate fand sich ein sehr geringgradig begleitendes lymphozytäres Infiltrat. Im tiefen Korium ebenfalls Darstellung eines lymphozytär betonten perivaskulären und interstitiellen Infiltrates. In der papillären Dermis ektatische kapilläre Gefäße mit vereinzelten extravasierten Erythrozyten. Fibrosierung des Papillarkörpers.
Beurteilung: granulomatöse Entzündungsreaktion im Rahmen der Grunderkrankung.
Therapie und Verlauf
Eine initiale antimykotische Lokaltherapie mit Lamisil-Creme bei Verdacht auf Tinea corporis für 10 Tage erbrachte keine Veränderung. Nach Diagnosesicherung behandelten wir die granulomatösen Hautveränderungen mit Momegalen 1 mg/g Creme für 4 Wochen einmal täglich. Bei der Verlaufskontrolle nach 4 Wochen war eine Teilremission mit deutlichem Rückgang der Schwellung zu sehen ([Abb. 2]). Zu diesem Zeitpunkt entwickelte die Patientin erstmalig Schwellungen der großen Labien und eine der Pigmentierung am Oberschenkel ähnelnde, unscharfe, münzgroße Pigmentierung des Mons pubis. Eine Reduktion der Lokaltherapie auf Prednitop-Salbe einmal täglich für 2 weitere Wochen führte am Oberschenkel zu einer Reduktion der Pigmentierung, jedoch nahm die bereits zurückgegangene Schwellung nochmals zu. Im Genitalbereich konnte eine Komplettremission erzielt werden. Wir führten eine Umstellung auf Protopic 0,1 Salbe einmal täglich zur Lokaltherapie des Oberschenkels durch. Bei der Wiedervorstellung 2 Wochen später zeigte sich ein unveränderter Hautbefund mit fortbestehender Schwellung, brauner Pigmentierung im Randbereich und zentraler, netzartiger, braun-livider Zeichnung. Die Lokaltherapie mit Protopic 0,1 Salbe wurde aufgrund des fehlenden Ansprechens beendet. Die weitere Therapie mit Momegalen-Creme 1 mg/g führte im Verlauf zur Komplettremission. Eine Eisen- und Vitamin B12-Substitution wurde eingeleitet.
Abb. 2 Klinischer Befund einer granulomatösen Hautveränderung im Rahmen der M. Crohn nach topischer Kortikosteroidtherapie.
Diskussion
Der Begriff „metastatischer Morbus Crohn“ (MCD) beschreibt die kutane granulomatöse Entzündungsreaktion bei gleichnamiger Erkrankung ohne Kontinuität der Läsionen zum Gastrointestinaltrakt. Erstmalig beschrieben wurde diese Form der Hautbeteiligung 1965 von Parks et al. [5] bei einer 70-jährigen Patientin mit Morbus Crohn und nicht mit dem Gastrointestinaltrakt in Zusammenhang stehenden granulomatösen Hautulzerationen unterhalb der Brust. Als seltene Manifestation mit einer geringen Anzahl (ca. 90) bisher veröffentlichter Kasuistiken [4] sind die Hauptlokalisationen periorifiziell und genital, in Einzelfällen mit generalisiertem Befall am gesamten Integument. Pathogenetisch wird eine Fehlrekrutierung von Leukozyten angenommen. Diese bilden mit aus dem Gastrointestinaltrakt stammenden Antigenen Immunkomplexe und lagern sich in der Haut in Form einer granulomatösen Entzündungsreaktion ab. Genauere Mechanismen sind bisher unbekannt [6].
Die Diagnosestellung stellt aufgrund des zeitlich versetzten Auftretens von Hautveränderungen und gastrointestinaler Aktivität häufig eine Herausforderung dar, zudem präsentieren sich die kutanen Läsionen sehr vielgestaltig in Form von lividen Schwellungen mit Papeln bis zu Plaques mit Ulzerationen. Bei unserer Patientin bestand kein Zusammenhang zwischen intestinaler Aktivität und kutaner Veränderung, der letzte gastrointestinale Schub lag bereits einige Monate zurück. Aus diesem Grund ist eine histologische Sicherung für die Diagnosestellung unabdingbar. Charakteristisch für die histologische Untersuchung ist der Nachweis nicht-verkäsender Granulome, Riesenzellen und einer granulomatösen Perivaskulitis [7]. Der histologische Nachweis von Riesenzellen ergab in Zusammenschau mit der Grunderkrankung und der Morphologie der kutanen Manifestation die Diagnose eines MCD. Differenzialdiagnostisch wurden eine Sarkoidose, eine Fremdkörperreaktion, eine Mykobakteriose und tiefe Mykose als Erkrankungen mit kutaner Granulombildung histologisch und laborchemisch ausgeschlossen. Die Therapieoptionen sind vielseitig, jedoch nicht standardisiert und nur in Fallstudien publiziert. Hierzu zählen Kortikosteroide (topisch, intraläsional und systemisch) Sulfasalazin, Metronidazol, Azathioprin, Ciclosporin, Methotrexat, Thalidomid, Metronidazol, Infliximab, Adalimumab, Tacrolimus und chirurgische Exzision, teils auch als Kombinationstherapien durchgeführt. Aufgrund der moderat vorangeschrittenen Entzündungsreaktion ohne Ulzerationen führte das gute Therapieansprechen auf topische Kortikosteroide, primär der Klasse III in Form von Momegalen-Creme (4 Wochen) und im Verlauf auf Prednitop-Salbe (2 Wochen) als Klasse-I-Präparat bei unserer Patientin innerhalb von 6 Wochen zum Rückgang der Entzündungsreaktion mit kurzzeitiger Exazerbation bei Umstellung auf das Klasse-I-Präparat. Bei der Anwendung von Protopic 0,1 Salbe einmal täglich zeigte sich keine Veränderung des Hautbefundes. Die Therapie mit Momegalen-Creme 1 mg/g führte im Verlauf zur Abheilung.
Die Manifestation eines MCD der Extremität ist bisher in Einzelfällen literarisch beschrieben. Tatnall et al. berichteten 1985 [8] von einem 15-jährigen Jungen mit multiplen knotigen Hautveränderungen der Unterschenkel und dem histologischen Nachweis nicht-verkäsender Granuloma und Riesenzellen. Eine weitere Kasuistik [9] von Farhi et al. 2007 stellte eine 25-jährige M. Crohn-Patientin mit ulzerierten Plaques und Pusteln des Unterschenkels vor. Die Beteiligung des Oberschenkels ist bisher im Rahmen des MCD nicht erwähnt.
Im vorliegenden Fall handelt sich um eine außergewöhnliche Manifestation der ohnehin seltenen Erkrankung eines MCD. Auch bei Gastrointestinaltrakt-fernen Hautveränderungen sollte frühzeitig an eine M. Crohn-assoziierte Dermatose gedacht werden, um dem Patienten eine adäquate Therapie zu ermöglichen. Dem Dermatologen kann durch die richtige Einordnung kutaner Veränderungen auch ohne bekannte Systemerkrankung bei der Erstdiagnose einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung die Schlüsselrolle zukommen. Lange Zeit verkannte oder unklare gastrointestinale Beschwerden in Kombination mit granulomatösen Hautveränderungen vielgestaltiger Morphologie sollten auch darmfern differenzialdiagnostisch an einen metastatischen M. Crohn denken lassen.