Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2014; 21(04): 190
DOI: 10.1055/s-0034-1389135
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. August 2014 (online)

 
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    primum nil nocere …
    … das ist wohl ein Satz, der sich uns im Studium und vor allem in den ersten Jahren der beruflichen Selbstfindung in das Gewissen gebrannt hat. Primum nil nocere? Ist das wirklich oberster Grundsatz medizinischen Handelns? Geht es in erster Linie darum, keinen Schaden zu verursachen? In unserem Beruf müssen wir uns täglich dieser Frage stellen. Aber wie viel medizinischer Fortschritt wäre wohl möglich gewesen, ohne auch ein Risiko einzugehen? Wann wissen wir überhaupt, was schadet und wie viel?

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    (Bild: istockphoto; Nastco)

    Die Frage stellt sich nicht nur im Arzneimittelsektor, in der Forschung, der Entwicklung und Anwendung neuer Verfahren in Diagnostik und Therapie. Weit dringender als wohl von mancher Kollegin oder manchem Kollegen wahrgenommen, stellt sie sich auch in der strukturellen Entwicklung unseres Gesundheitswesens und betrifft Erbringer medizinischer Dienstleistungen genauso, wie Patienten und die für Gesundheit Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft. Und es trifft sie weitgehend unvorbereitet möchte man befürchten.

    Die Rede ist von eHealth, dem Vordringen der Informationstechnologie in das Gesundheitswesen. Die Rede ist von der elektronischen Gesundheitskarte, von der einrichtungsübergreifenden elektronischen Patientenakte, vom (total!) vernetzten Krankenhaus, von Telematik, Telemedizin etc. Die Rede ist von vielen (oft nicht medizinischen) Akteuren, die hier mit innovativer Technik auf den Markt drängen; innovative Technologien, „die Qualität und Wirtschaftlichkeit des Gesundheitswesens erheblich verbessern“, wie es das Gesundheitsministerium in einem Geleitwort zur diesjährigen eHealth-Conference in Hamburg schreibt.

    Unzweifelhaft haben all diese Projekte das Potenzial zu erheblichen Nutzen. Ärzte können verzuglos auf die medizinischen Lebensdaten ihrer Patienten zugreifen und somit gezielter handeln. Patienten können verzuglos Daten übermitteln und Rat oder Hilfe erhalten (zum Beispiel bei der Sturzerkennung) und sie werden in die Lage versetzt, selbstbestimmter an ihrer Gesunderhaltung und Lebensqualität mitzuwirken. Eine schöne neue Welt! Wäre da nicht die Frage nach der informationellen Selbstbestimmung, dem Schutz unserer Daten. Denn bei aller Mühe um Sicherheit bleibt am Ende ein Restrisiko.

    Sachkundig oder nicht stimmt eine neue Generation via Twitter oder Youtube bereits über diese Entwicklung ab und man muss kein Prophet sein, um den weiteren Gang der Dinge abzusehen. Wie schon immer wird es auch hier darauf ankommen, Nutzen und Risiken in ein gutes Gleichgewicht zu setzen.

    In der Seefahrt haben wir ‚Telemedizin’ seit mehr als 100 Jahren mit der Einführung des Seefunks. Die heutigen telemedizinischen Assistenzdienste sind eine unverzichtbare Komponente der Behandlung von Krankheit und medizinischen Notfällen an Bord. Mit der Einführung des AED auf deutschen Kauffahrteischiffen, aber auch mit der Übersendung von Fotos via Smartphone sind erste Schritte auf den Austausch objektiver Befunde gemacht. Auf Kreuzfahrt- und Forschungsschiffen wird der Onlinedatenaustausch von Ultraschallbildern, von Überwachungsinstrumenten der Vitalparameter, von otoskopischen und ophthalmoskopischen Bildern bald zur Selbstverständlichkeit gehören. Dies alles wird das Niveau der medizinischen Versorgung in entlegenen Seegebieten deutlich anheben – zum Wohle der betroffenen Seeleute, der Passagiere und des medizinischen Personals an Bord!

    Vielleicht wird es eines Tages auch die an Land schon zunehmend übliche Vernetzung von Seemannsambulanzen geben und sogar eine – weltweit nutzbare – elektronische Gesundheitskarte.

    Dies alles werden wir als nationale medizinische Fachgesellschaft kritisch begleiten und da fördern müssen, wo sich eine Risiko-Nutzen-Korrelation zugunsten unserer Patienten erkennen lässt. Wir werden dies Ziel aber vor dem Hintergrund der Internationalität der maritimen Wirtschaft nur im Schulterschluss mit anderen nationalen Gesellschaften und vor allem mit der International Maritime Health Association erreichen können.

    Mit herzlichen Grüßen
    Ihr
    Klaus Seidenstücker, Tarp

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    Klaus Seidenstücker

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    (Bild: istockphoto; Nastco)
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    Klaus Seidenstücker