Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(04): 164
DOI: 10.1055/s-0034-1387754
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gastkommentar

Ergebnisqualität in Perinatalzentren
Helmut D. Hummler
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Publication Date:
15 August 2014 (online)

Für werdende Eltern und deren betreuenden Ärztinnen/Ärzte ist eine drohende Frühgeburt vor allem an der Grenze der Lebensfähigkeit immer eine erhebliche Herausforderung. Die Vollständigkeit und die Struktur der Kollektive ist für die vergleichende Bewertung von Behandlungsergebnissen sehr wichtig – ggf. muss für ein unterschiedliches „baseline“-Risiko adjustiert werden. Trotter et al. verwendeten Daten des statistischen Bundesamtes über die jährliche Anzahl von Lebend- und Totgeburten, sowie der neonatalen und Säuglingstodesfälle und berechneten daraus die entsprechenden Raten für verschiedene Bundesländer [1].

Eine Adjustierung für unterschiedliches „baseline“-Risiko und die Berücksichtigung von prä- und postnatalen Verlegungen war hierbei nicht möglich. Eine Zuordnung von Wohnort (statistisches Bundesamt) und Behandlungsort ist sicherlich nicht immer geografisch kongruent, zumal die Patientenbehandlung einschließlich prä- und postnataler Verlegungen auch Landesgrenzen-überschreitend erfolgt.

Bei erheblicher Variabilität der gewählten Zielgrößen, wurde eine signifikant höhere neonatale und Säuglingssterblichkeit in den „westlichen“ Bundesländern im Vergleich zu den „östlichen“ Ländern, sowie eine höhere Totgeburtenrate in den „östlichen“ Ländern gefunden. Bei einem früher durchgeführten Vergleich von Daten der Neonatalerhebung mit Daten des statistischen Bundesamtes war aufgefallen, dass ein relevanter Anteil der verstorbenen extrem unreifen Frühgeborenen nicht in der Neonatalerhebung gelistet wurden [2]. Weiterhin war beim Vergleich mit früheren Jahrgängen war ein dramatischer Anstieg von Todesfällen von Neugeborenen/Säuglingen ohne Gewichtsangabe in den Daten des statistischen Bundesamtes in manchen Bundesländern zu verzeichnen [2], welcher bisher ungeklärt ist und eine belastbare vergleichende Analyse der Mortalität aus Daten des statistischen Bundesamtes erheblich erschwert. Trotter et al. fanden keinen Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Zahl behandelter Frühgeborener pro Perinatalzentrum und Bundesland mit der Sterblichkeit der jeweiligen Bundesländer und schlussfolgern daraus, dass es eine Korrelation zwischen Behandlungsfallzahl und neonataler Sterblichkeit nicht gibt. Allerdings dürfte es in vielen Bundesländern sicherlich Perinatalzentren mit größerer und geringerer Fallzahl geben; und die Beschränkung auf einen landestypischen Mittelwert für Fallzahl und eine landestypische Sterblichkeitsrate muss daher zu einem erheblichen Verlust an Informationen führen. Die EPICure Studien aus England sind sicherlich methodisch wertvollere Analysen der Sterblichkeit von Hochrisikofrühgeborenen, weil sie prospektiv komplette nationale Jahreskohorten von Hochrisikofrühgeborenen untersuchten, dabei ab 22 Schwangerschaftswochen sowohl prä- als auch postnatale Todesfälle und den Einfluss der Fallzahl einzelner Perinatalzentren unabhängig von der geografischen Lokalisation auf die Überlebensrate auch in Abhängigkeit von deren Versorgungsauftrag analysierten [3] [4]. Bei der EPICure 2 Studie wurde eine signifikant niedrigere (adjustierte) Mortalität in Perinatalzentren der höchsten im Vergleich zu niedrigeren Versorgungsstufen gefunden [4]. Darüber hinaus hatten Perinatalzentren mit „high activity“, definiert als ≥ 2 000 Beatmungsstunden pro Jahr und mehr als 4 neonatologischen Consultants im Vergleich zu Zentren mit „median activity“ (500–1 999 Beatmungsstunden und ≥ 1 Consultant) bzw. zu Zentren mit „low activity“ ( < 500 Beatmungsstunden und keinem zugeteilten Consultant) eine signifikant niedrigere Mortalität [4].

Sowohl werdende Eltern, die Gesellschaft, Gesundheitspolitiker als auch Kostenträger verlangen von Gesundheitsdienstleistern eine ressourcenorientiert verantwortliche und zugleich bestmögliche Versorgung von Hochrisikofrühgeborenen. Diese Versorgung kann nur mit methodisch hochwertigen Studien bewertet werden. Die EPICure 2 Studie sollte hierfür einen Referenzstandard darstellen.

Prof. Dr. med. Helmut D. Hummler, MBA
Sektion Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Universitätsklinikum Ulm

 
  • Literatur

  • 1 Trotter A, vSchnakenburg C, Pohlandt F. Säuglingssterblichkeit in Deutschland (2008–2012) – niedriger im Osten?. Z Geburtsh Neonatol 2014;
  • 2 Hummler HD, Poets C. Mortalität sehr unreifer Frühgeborener – erhebliche Diskrepanz zwischen Neonatalerhebung und amtlicher Geburten-/Sterbestatistik. Z Geburtsh Neonatol 2011; 215: 10-17
  • 3 Costeloe KL, Hennessy EM, Haider S et al. Short term outcomes after extreme preterm birth in England: comparison of two birth cohorts in 1995 and 2006 (the EPICure studies). BMJ 2012; 345 e7976
  • 4 Marlow N, Bennett C, Draper ES et al. Perinatal outcomes for extremely preterm infants in relation to place of birth in England: the EPICure 2 study. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2014; 99: F181-F188