Gastroenterologie up2date 2014; 10(03): 154-155
DOI: 10.1055/s-0034-1377621
Klinisch-pathologische Konferenz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

IgG4-assoziierte sklerosierende Cholangitis als Differenzialdiagnose des hilären Gallengangskarzinoms

Thilo Welsch
,
Jürgen Weitz
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Publication Date:
04 September 2014 (online)

Sicht des Chirurgen

Einleitung

Das Cholangiokarzinom (CCC) ist eine seltene maligne epitheliale Erkrankung und kann von verschiedenen anatomischen Abschnitten des Gallengangsystems ausgehen. Man unterscheidet meist intrahepatische, (peri)hiläre und distale CCC, wobei CCC in der Hilusregion am häufigsten vorkommen (50 – 66 %) [1] [2].

Klassifikationen. Zur Unterscheidung der hilären CCC (Klatskin-Tumoren), insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung der Resektabilität und Operationsplanung, wird am häufigsten die Bismuth-Corlette-Klassifikation verwendet, die die anatomische Beziehung der Tumoren zur Gallengangsgabel berücksichtigt. Mittlerweile haben internationale Experten eine modifizierte Klassifikation mit Berücksichtigung einer möglichen Gefäßinfiltration und des Metastasierungsmusters erarbeitet [1].

Differenzialdiagnose IgG4-SC. In den meisten Fällen werden CCC erst in den fortgeschrittenen Bismuth-Corlette Stadien III und IV diagnostiziert und bedürfen bei Resektabilität einer erweiterten Hemihepatektomie rechts [3]. Wir wissen jedoch, dass sich bei 8 – 24 % der Patienten, die unter Verdacht auf ein CCC chirurgisch reseziert werden, in der endgültigen Histologie eine benigne Erkrankung herausstellt, und zunehmend wird in diesem Rahmen die IgG4-assoziierte Cholangitis (IgG4-SC) diagnostiziert [4] [5]. Die IgG4-SC kann ähnlich wie die autoimmune Pankreatitis (AIP) mittels der üblichen Diagnostik kaum von einem Karzinom unterschieden werden [6]. Charakteristischerweise ist die Mehrzahl der Patienten mit IgG4-SC männlich mit einem medianen Alter um die 60 Jahre [7].


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Symptomatik

Meist werden die Patienten mit IgG4-SC wie auch Patienten mit CCC durch einen schmerzlosen Verschlussikterus auffällig, hervorgerufen durch eine intrahepatische oder extrahepatische Gallengangsstenosierung [8]. Im vorliegenden Fall war die initiale Symptomatik mit rechtsseitigen Oberbauchschmerzen durch eine akute Cholezystitis bei Cholezystolithiasis geprägt und die Stenosierung der Gallengänge wurde nachvollziehbar zunächst als Mirizzi-Syndrom und Begleitentzündung bzw. als konkrementbedingte Cholestase gedeutet. Der überwiegende Teil der Patienten mit IgG4-SC scheint synchron Zeichen einer AIP aufzuweisen [7].


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Diagnostik

HISORt-Kriterien. Aus der Mayo-Klinik in Rochester (USA) gingen die sog. HISORt-Kriterien (Histology, Imaging of Bile Duct, Serology, Other Organ Involvement, Response to Steroid Therapy) hervor, nach denen die Patienten in die 3 Gruppen A – C eingeteilt werden können, entsprechend der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer IgG4-SC [7]. Wesentlich für die Diagnosestellung durch die HISORt-Kriterien sind neben einer Gallengangsstenosierung in der Bildgebung z. B. ein früherer histologischer Nachweis von lymphoplasmazellulären Infiltraten oder eine Erhöhung der IgG4-Subklasse im Serum. Es können also bei unklaren intra- oder extrahepatischen Gallengangsstenosen sowohl eine exakte Anamnese (Vorbefunde) als auch die zusätzliche Serum-IgG4-Bestimmung zielführend sein.

Bildgebung. Zur Differenzialdiagnose und evtl. Operationsplanung wünscht sich der Chirurg eine Schnittbildgebung mit eindeutiger Darstellung der Gefäßversorgung (Leberarterien, Pfortader- und Lebervenenanatomie) sowie der extra- und intrahepatischen Gallengangsanatomie (MRCP oder ERCP).


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Therapie

Auch nach Anwendung der HISORt-Kriterien bleibt in einigen Fällen die Differenzialdiagnose zwischen einer IgG4-SC und einem CCC schwierig. In einer retrospektiv ausgewerteten Serie von 48 Patienten mit unklarer Gallengangsstenose wurden nach den HISORt-Kriterien 13 Fälle zunächst als IgG4-SC eingestuft und konservativ behandelt. Von diesen 13 Patienten hatten schließlich 3 ein malignes CCC. Insgesamt betrug das mediane Zeitintervall in dieser Studie bis zur Diagnosestellung einer IgG4-SC 12,4 Monate [5].


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Operatives Vorgehen

Diese Daten demonstrieren den Grad der Ungewissheit, mit der die behandelnden Ärzte zwischen einer radikalen Operation und einer konservativen Steroidtherapie beim Verdacht auf ein CCC entscheiden müssen. Im vorliegenden Fallbeispiel gab es weder eine Histologie des Pankreas noch bildgebende Anzeichen eines aufgetriebenen Pankreas im Sinne einer AIP, die den Verdacht zugunsten der IgG4-SC gelenkt hätten.

Erweiterte Hemihepatektomie rechts. Da die vollständige chirurgische Resektion mit tumorfreien Resektionsrändern (R0) bei Vorliegen eines hilären CCC die einzige kurative Therapieoption darstellt, erfolgte bei der Patientin unter Berücksichtigung der Beziehung der Stenosierung zum Gallengangssystem die erweiterte Hemihepatektomie rechts. Intraoperativ ist die Tumorausdehnung im Gallengangssystem palpatorisch wegen eines oftmals diffus infiltrierenden Tumorwachstums und einer desmoplastischen Begleitreaktion kaum sicher zu bestimmen, sodass tumorfreie Resektionsränder mittels intraoperativer Schnellschnittuntersuchung nachgewiesen werden müssen [3]. Der Nachteil der radikalen Resektion im Sinne einer erweiterten Hemihepatektomie rechts (Trisektorektomie) ist der große Leberparenchymverlust mit drohender postoperativer Leberinsuffizienz. Bei ausgeprägter Cholestase der verbleibenden Lebersegmente 2 und 3 sollte deshalb präoperativ eine Konditionierung durch eine Galleableitung (z. B. PTCD) vorangestellt werden.

Fazit

Der vorliegende Fall erinnert vor allem an das „Daran-Denken“, wenn ein Patient mit unklarer Gallengangsstenosierung vorgestellt wird. Trotz strukturierter Algorithmen zur Differenzialdiagnose einer IgG4-SC und eines CCC gelingt in einigen Fällen keine sichere Diagnose, sodass entweder eine Steroidtherapie eines Malignoms oder eine radikale Leberresektion einer gutartigen Erkrankung resultiert. Beunruhigend sind zudem die hohen Rekurrenzraten der IgG4-SC nach Beendigung der Steroidtherapie, und es bleibt abzuwarten, welche Patienten mit IgG4-SC auch von einer chirurgischen Resektion im Langzeitverlauf profitieren.


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  • Literatur

  • 1 Deoliveira ML, Schulick RD, Nimura Y et al. New staging system and a registry for perihilar cholangiocarcinoma. Hepatology 2011; 53: 1363-1371
  • 2 Razumilava N, Gores GJ. Cholangiocarcinoma. Lancet 2014; 383: 2168-2179
  • 3 Seehofer D, Kamphues C, Neuhaus P. [Resection of Klatskin tumors]. Chirurg 2012; 83: 221-228
  • 4 Corvera CU, Blumgart LH, Darvishian F et al. Clinical and pathologic features of proximal biliary strictures masquerading as hilar cholangiocarcinoma. J Am Coll Surg 2005; 201: 862-869
  • 5 Lytras D, Kalaitzakis E, Webster GJ et al. Cholangiocarcinoma or IgG4-associated cholangitis: how feasible it is to avoid unnecessary surgical interventions?. Ann Surg 2012; 256: 1059-1067
  • 6 Kleeff J, Welsch T, Esposito I et al. Autoimmune pancreatitis – a surgical disease?. Chirurg 2006; 77: 154-165
  • 7 Ghazale A, Chari ST, Zhang L et al. Immunoglobulin G4-associated cholangitis: clinical profile and response to therapy. Gastroenterology 2008; 134: 706-715
  • 8 Silveira MG. IgG4-associated cholangitis. Clin Liver Dis 2013; 17: 255-268