ergopraxis 2014; 7(02): 14-16
DOI: 10.1055/s-0034-1370370
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


Subject Editor:
Further Information

Publication History

Publication Date:
05 February 2014 (online)

 

Demenz – Ergotherapie wirkt!

Strukturierte, klientenzentrierte ergotherapeutische Interventionen wirken sich positiv auf Lebensqualität, Affekte und Funktionen von Menschen mit mittlerer oder schwerer Demenz aus. Zu diesem Ergebnis kommt ein HTA-Bericht, an dem die Ergotherapeutin Carola Habermann von der Berufsfachschule für Ergotherapie in Rosenheim mitgearbeitet hat.

Die beteiligten Forscher recherchierten in 32 elektronischen Datenbanken und werteten insgesamt 14 Arbeiten aus. Elf dieser Studien untersuchten die Wirksamkeit ergotherapeutischer Behandlungen, drei die Kosteneffektivität. Den Ergebnissen zufolge profitieren Betroffene von einem aktivitätsorientierten Funktions- und Fertigkeitstraining, das mentale, physische und affektive Funktionen anspricht oder der Sturzprävention dient. Gezieltes kognitives Training wirkt zudem bei leichten und mittleren Demenzformen. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium erzielt dieses Angebot aber nur noch geringe Effekte. Multikomponentenprogramme kombinieren verschiedene therapeutische Angebote miteinander wie Entspannungsmaßnahmen, Erinnerungsarbeit oder Umfeldanpassung. Je nach Zusammensetzung wirken sie sich positiv auf das Verhalten oder die Lebensqualität der Betroffenen aus. Eine wichtige Rolle spielen außerdem die Beratung und das Training von Angehörigen. Ein gezieltes Angebot kann sie entlasten und ihre Betreuungskompetenzen verbessern, zum Beispiel mit dem „Tailored Activity Program“. Es vermittelt den Angehörigen Strategien, um angemessen mit den Klienten zu kommunizieren und sie zu ausgewählten Aktivitäten anzuleiten. Trainieren und unterstützen Therapeuten die Angehörigen mit einem solchen Multikomponentenprogramm, können sie zudem die Heimeinweisung von Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung hinauszögern.

Die Forscher geben zu bedenken, dass elf der 14 Studien deutliche methodische Mängel aufweisen. Trotz dieser Einschränkung empfehlen sie den Einsatz ergotherapeutischer Verfahren, um die Symptome einer mittleren oder schweren Demenz zu verringern.

fk

Schriftenreihe Health Technology Assessment 2013; doi: 10.3205/hta000115L


#

Klientenzentrierung – Doch kein Allheilmittel?

Die Klientenzentrierung hat sich mittlerweile in der Ergotherapie etabliert. Sie besitzt in der Theorie viele Vorteile gegenüber herkömmlichen Herangehensweisen und führt beispielsweise zu einer größeren Klientenzufriedenheit und Compliance. Positive Auswirkungen auf funktionale Voraussetzungen, Gesundheitsverhalten oder Gesundheitsstatus lassen sich bisher allerdings nicht ausreichend belegen. Daher untersuchte die Ergotherapeutin Isaline Eyssen in ihrer Doktorarbeit am VU Medisch Centrum in Amsterdam, welche Effekte die klientenzentrierte Ergotherapie bei Menschen mit Multipler Sklerose erreicht.

An der Cluster-randomisierten Studie nahmen insgesamt 269 Klienten und 29 Ergotherapeuten teil. 156 Klienten erhielten eine auf dem Canadian Practice Process Framework (CPPF) basierende klientenzentrierte ergotherapeutische Behandlung, während 113 das reguläre Angebot durchliefen. Die Forscher setzten vor der Intervention sowie nach vier Monaten verschiedene nicht näher bezeichnete Assessments ein und führten nach acht Monaten eine Follow-up-Messung durch. Den Ergebnissen zufolge steigert die klientenzentrierte Ergotherapie die Qualität des Therapieprozesses und die Lebensqualität, sie wirkt sich im positiven Sinne stärker auf die Gesundheit der Klienten aus und erreicht höhere Effekte im Hinblick auf Partizipation und Autonomie. Die reguläre Behandlung reduziert hingegen physische Symptome wie Ermüdung und erhöht die Lebensqualität hinsichtlich Schmerz und Vitalität. Die Forscher schlussfolgern, dass die reguläre Ergotherapie zu besseren funktionellen Ergebnissen führt als der klientenzentrierte Ansatz. Dies könnte daran liegen, dass die klientenzentrierte Befunderhebung viel Zeit einnimmt und so weniger Raum für die eigentliche Behandlung bleibt. Außerdem besteht bei der klientenzentrierten Vorgehensweise die Gefahr, dass die Therapeuten ihre Klienten überfordern, indem sie ihnen zu viel Verantwortung für funktionelle Verbesserungen aufbürden.

Die Forscher empfehlen, die klientenzentrierte Ergotherapie verstärkt auf die Wünsche und Möglichkeiten des Klienten bezüglich der eigenen Therapiegestaltung abzustimmen. Dabei sollten Befund- und Behandlungsphase zeitlich in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

Saja

WTvE 2013; 1: 26–33


#

Massgeschneiderte Intervention – Tailored Activity Program

Ergotherapeuten führen das strukturierte „Tailored Activity Program“ (TAP) in drei Phasen im Hausbesuch durch. In Phase 1 kommen standardisierte neuropsychologische und ergotherapeutische Beobachtungsformen zum Einsatz. Diese dienen dazu, Fähigkeiten, Defizite, Rollen, Gewohnheiten und Interessen der an Demenz erkrankten Klienten zu evaluieren. Zudem analysiert die Therapeutin das Kommunikationsverhalten der Angehörigen, die Hilfsmittelsituation sowie potenzielle Barrieren. In Phase 2 wählen die Beteiligten drei Aktivitäten aus, die individuell auf das mögliche Potenzial des Klienten zugeschnitten werden. Die Therapeutin leitet Klient und Angehörige intensiv an. In Phase 3 unterstützt sie entweder beim Transfer der Techniken oder bei weiteren Herausforderungen.

GS

Schriftenreihe Health Technology Assessment 2013; doi: 10.3205/hta000115L


#

Complex regional pain syndrome (CRPS) – Wirkung von Ergotherapie begrenzt beweisbar

Menschen mit komplexem regionalem Schmerzsyndrom (CRPS) können von einer allgemeinen ergo- und physiotherapeutischen Behandlung, einer Spiegeltherapie und motorischen Imaginationsübungen profitieren. Auch wenn die Evidenz gering ist, unterstützen diese Therapieformen Betroffene darin, ihre Schmerzen zu reduzieren und ihre motorischen Funktionen zu verbessern. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um den Physiotherapeuten Neil O‘Connell von der Brunel University London.

In ihrem Cochrane Review werteten die Forscher 19 systematische Übersichtsarbeiten aus. Die Arbeiten fassten die Ergebnisse von Interventionsstudien zusammen, die neben der pharmakologischen Behandlung auch die Wirkung von Ergo- und Physiotherapie, Spiegeltherapie und motorische Imaginationsübungen untersuchten. Die Forscher bewerteten mithilfe des Grade-Systems, welche empirischen Beweise für die Wirksamkeit der einzelnen Interventionen vorliegen. Demnach besteht zwar eine Evidenz dafür, dass Ergo- und Physiotherapie zu positiven Effekten führen, jedoch mit schwacher Beweiskraft. Erste Belege zeigen zudem, dass Klienten mit CRPS-I stärker von abgestuften motorischen Imaginationsübungen profitieren als von einer konventionellen Behandlung. Auch die Wirkung der Spiegeltherapie lässt sich beschränkt beweisen. Tritt die CRPS infolge eines Schlaganfalls auf, kann sie die Schmerzen reduzieren und die motorischen Funktionen verbessern.

Auch wenn die Forscher bestätigen, dass Menschen mit CRPS von Ergo- und Physiotherapie profitieren können, bewerten sie die Evidenz als gering, da die zugrunde liegenden Interventionsstudien deutliche methodische Mängel aufweisen. Sie sehen einen großen Bedarf an qualitativ hochwertigen Belegen, um evidenzbasierte Empfehlungen für die Behandlung des komplexen regionalen Schmerzsyndroms entwickeln zu können.

fk

Cochrane Database of Systematic Reviews 2013; doi: 10.1002/14651858.CD009416.pub2


#

CRPS – Eine Schmerzerkrankung, zwei Erscheinungsformen

Das komplexe regionale Schmerzsyndrom bezeichnet verschiedene Funktionsstörungen, die nach einer Verletzung der Weichteile oder Nerven auftreten. Charakteristisch sind unverhältnismäßig starke Schmerzen, die mit verschiedenen motorischen und vegetativen Symptomen einhergehen. Dabei lassen sich zwei Typen unterscheiden:

  • > CRPS I: Dieser Typus bezeichnet eine sympathische Reflexdystrophie oder ähnliche Beschwerden ohne Nervenschädigung.

  • > CRPS II: Diese Erscheinungsform tritt nach einer peripheren Nervenläsion auf.

fk

Autoimmun Rev 2013; 12: 1016–1021


#
#