Der Klinikarzt 2013; 42(12): 546-547
DOI: 10.1055/s-0034-1368107
Medizin & Management
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Service braucht Ziele – Wandel von der Funktions- zur Prozessorientierung in Krankenhäusern

A Goepfert
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
20. Januar 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Seit über 10 Jahren übt Dr. med. Andreas Goepfert Managementfunktionen im Krankenhaus aus. Nach Abschluss seines Zweitstudiums in Gesundheitsökonomie übernahm er zunächst die Leitung des Qualitätsmanagements, dann die kaufmännische Leitung im Herzzentrum Lahr. Nach weiteren Stationen auf Vorstandsebene in 2 Häusern leitet er heute die Geschicke des ANregiomed Klinikverbunds mit über 2100 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 135 Millionen Euro. 40 000 Patienten werden jährlich akutstationär versorgt. Dem fränkischen Klinikverbund in kommunaler Trägerschaft mit Sitz in Ansbach gehören 3 Klinikstandorte, 5 MVZ und eine Praxisklinik an. Die Fusionierung wurde 2013 abgeschlossen. Der Verbund versteht sich heute als moderner Gesundheitsdienstleister für die Patienten, der Kompetenz mit Service und Charme verbindet.


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Herr Dr. Goepfert, was bedeutet Ihr Vergleich, dass die Zusammenarbeit im Krankenhaus wie ein Tanz-Ensemble funktionieren müsse?

Dr. Andreas Goepfert: Die Arbeit im Krankenhaus basiert auf sehr komplizierten Prozessabläufen. Ähnlich wie beim Tanzen stolpern alle anderen, wenn einer nicht die richtige Schrittfolge einhält. Daher ist es so wichtig, im Vorfeld die Prozessabläufe genau abzustimmen. Wir müssen von einer individualisierten zu einer interdisziplinären, teamorientierten Leistungserbringung kommen. Allein im OP-Bereich arbeiten 15 verschiedene Berufsgruppen zusammen, von der Reinigung über die Technik bis zum Chirurg. Wenn hier die Prozesse stimmen, besteht weniger personenbezogener Klärungsbedarf und die Arbeit wird für jeden leichter.

Welchen Impuls hat die Fusionierung für die Patientenorientierung gegeben?

Dr. Goepfert: Vor der Fusionierung waren die 4 Standorte eigenständig und regional auf ihr Versorgungsgebiet ausgerichtet. Heute denken wir in abgestimmten Versorgungsstufen – von der ambulanten Behandlung im MVZ oder einer Ambulanz bis zur nachstationären Versorgung. Wir können unseren Patienten die gesamte Versorgungskette aus einer Hand anbieten. Ein Patient kann je nach medizinischer Notwendigkeit innerhalb unseres Verbundes in ein Haus mit höherer Versorgungsstufe verlegt werden, ohne deswegen das Gefühl haben zu müssen, „wegüberwiesen“ worden zu sein. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Ärzte untereinander kennen und IT-basierte Kommunikationsprozesse verbundsintern leichter umzusetzen sind als zwischen unabhängigen Einrichtungen.

Haben sich die Managementstrukturen verändert?

Dr. Goepfert: Wir haben eine Matrixorganisation eingeführt. Das war nicht ganz einfach, weil jeder zunächst versucht war, seine Insellösungen fortzuführen. Ein Verbund benötigt hingegen aufeinander aufbauende Strukturen und Prozesse. Für zentrale Bereiche haben wir Dienstleistungszentren eingeführt, zum Beispiel für Personal, Controlling, Patientenversorgung und Technik, um diese effizienter steuern zu können. In Dienstleistungsverträgen ist genau festgelegt, welche Leistung in welchem Zeitfenster erbracht werden soll und was das kosten darf. Wir schaffen damit eine klare Struktur, die weniger hierarchisch ist als vorher. Für die Mitarbeiter ist es zunächst allerdings schwer, sich zu orientieren. Sie müssen grundlegend informiert werden und die neuen Prozesse verstanden haben. Bis sich die Vorteile von zentralen Dienstleistungsbereichen und dezentraler Verantwortung in der Patientenversorgung bemerkbar gemacht haben, hat es etwa ein Jahr gedauert. Inzwischen arbeiten wir schneller und reibungsloser als vor der Fusionierung. Obwohl wir größer geworden sind, hat sich unsere Leistungsfähigkeit verbessert.

Wie ist es gelungen, die verschiedenen Berufsgruppen von der Hauswirtschaft bis zum OP-Team für mehr Serviceorientierung zu gewinnen?

Dr. Goepfert: Im Gesundheitswesen ist es nicht ganz einfach, die Beschäftigten hiervon zu überzeugen. Sie sehen sich nicht in einer Dienstleistungsbranche. Unser Ansatz war zu zeigen, dass Dienstleistungen ein hohes Gut sind. Es geht darum, die Leistungen am Patienten so zu erbringen, wie man es sich für seine Angehörigen wünschen würde. Außerdem befürchteten viele Mitarbeiter am Anfang, dass die Serviceorientierung mehr Arbeit verursachen würde, da wir definierte Leistungen und Servicelevel erarbeitet haben, die die Tätigkeiten überprüfbar machen. Hier war es uns wichtig einen positiven Wert von Kritik zu vermitteln, da sie notwendig ist, um sich weiterzuentwickeln.

Welchen Service bieten Sie Patienten?

Dr. Goepfert: Wir möchten die Ansprüche unserer Patienten so erfüllen, dass sie zufrieden sind, seien es Wartezeiten, Hotelleistungen, Speisen oder die verständliche Vermittlung von Informationen. Bei Bedarf bieten wir zum Beispiel individuelle Gesprächszeiten nach 18.00 Uhr an. In medizinischer Hinsicht bedeutet Service, dass wir den gesamten Patienten sehen, nicht nur seine Hauptdiagnose. Viele haben Begleiterkrankungen und nehmen bis zu 8 verschiedene Medikamente ein. Hier ist vollständige Information wichtig. Dies gelingt nur, wenn die beteiligten Ärzte der verschiedenen Versorgungsstufen und Fachgebiete gut zusammenarbeiten und die Behandlung abstimmen, was im Verbund weit fortgeschritten ist. Die Prozesse in der Strahlentherapie haben wir so aufeinander abgestimmt, dass sichergestellt ist, dass jeder Patient nur einen Arzt und damit nur einen Ansprechpartner über die gesamte Behandlungszeit hat. Wir verändern auch bisherige Stationsstrukturen. Patienten mit Baucherkrankungen werden nun gemeinsam von Internisten und Chirurgen betreut. Ähnliches planen wir für Patienten mit Gefäßerkrankungen.

Welches sind die nächsten Schritte?

Dr. Goepfert: Unser wichtigstes Bestreben ist es, das hohe Versorgungsniveau zu halten, das wir erreicht haben. Wir werden uns intensiv mit Personalentwicklung und der Aus- und Weiterbildung befassen müssen und hierbei nicht nur Fachwissen, sondern auch die grundlegenden Regeln der Serviceorientierung ansprechen: Dies sind Zuwendung und Freundlichkeit, Kompetenz und Individualität. Unser Ziel ist die komplette Ausrichtung des Klinikbetriebs an den Bedürfnissen der Patienten. Bei dem Paradigmenwechsel von der Funktions- zur Prozessorientierung müssen wir die Mitarbeiter mitnehmen.

Ist Service- und Patientenorientierung teuer?

Dr. Goepfert: Ja, Serviceorientierung ist teuer, wenn sie keiner klaren Zielorientierung folgt. Erst wenn klar definierte Ziele vorhanden sind und vor allem der Ressourceneinsatz gut geplant ist, kann sich der Service für das Krankenhaus rechnen, weil die Patienten zufriedener sind und uns weiterempfehlen.

Gibt es Kennziffern, anhand derer Sie den Erfolg messen?

Dr. Goepfert: Zum einen gibt es die bereits angesprochenen Servicelevel, die wir bei den Dienstleistungsverträgen vereinbart haben. Sie sind mit Leistungs- und Zeitvorgaben verbunden. Zum anderen gibt es die betriebswirtschaftlichen Kennziffern und die Ergebnisse der Patienten-, Mitarbeiter- und Zuweiser-Befragungen. Ferner werten wir Daten des Meinungsmanagements aus, das wir statt eines Beschwerdemanagements eingeführt haben, da wir auch positive Rückmeldung erhalten.

Wie schätzen Sie die Effekte der Serviceorientierung auf die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter ein?

Dr. Goepfert: Die angespannte Situation am Anfang hat sich inzwischen gelegt. Das positive Feedback der Patienten führt dazu, dass sich die Zufriedenheit insgesamt eher erhöht hat. Hinzu kommt, dass wir auch Wert auf Serviceorientierung unseren eigenen Mitarbeitern gegenüber legen, damit sie ihren Kernaufgaben nachkommen können.

Herr Dr. Goepfert, herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Dr. Adelheid Weßling, Düsseldorf.


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