physioscience 2014; 10(1): 41
DOI: 10.1055/s-0034-1366067
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf Max Zusman

M. Egan Moog
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Publication Date:
03 March 2014 (online)

Am 28.12.2013 verstarb Associate Professor Max Zusman im Alter von 79 Jahren in seiner Heimatstadt Perth, West Australien.

Mit seinem Tod verliert die Manuelle Therapie eine weltweit anerkannte Autorität im Bereich Schmerzphysiologie und Manuelle Therapie. Sein Thema, das er seit den 80er-Jahren pionierhaft in der Physiotherapie verfolgte, waren das fundierte Verständnis von neurologischen Schmerzmechanismen, damit verbundene Funktionsstörungen und evidenzbasierte Erklärungsansätze für manualtherapeutische Strategien. Dabei hatte er die Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse aus Forschungsbereichen, die auf den ersten Blick etwas physiofremd erscheinen, für den klinischen Alltag relevant und anwendbar zu übertragen. Diese komplexen Zusammenhänge hat er umfangreich publiziert. Viele seiner Veröffentlichungen, in denen er manualtherapeutische Argumente auch immer wieder kritisch hinterfragte, haben einen hohen Stellenwert in den verschiedenen Manuelle-Therapie-Weiterbildungen.

Max begann seine Physiotherapieausbildung 1953 im 3. Ausbildungsjahrgang, der damals überhaupt erst am „Western Australian Institute of Technology“ angeboten wurde. 1956 startete er seinen klinischen Werdegang in der Neurologie. Von 1959 bis 1988 arbeitete er in eigener Praxis mit orthopädischen und neurologischen Patienten, davon die letzten 2 Jahre ausschließlich in einem Rehabilitationsprogramm für chronische Schmerzpatienten. Seit 1988 unterrichtete er an der Curtin University in Perth in Physiotherapie und Ergotherapie und seit 2000 regelmäßig in Europa den Kurs „Der problematische Schmerzpatient“. 2008 wurde Max von der Universität pensioniert – doch er blieb weiterhin mit Veröffentlichungen und weltweiten Vorträgen beruflich aktiv.

Mit dem Hintergrund seiner langen klinischen und Unterrichtstätigkeit versteht man vielleicht auch seinen Appell, den er 2011 im Abstrakt des Artikels „The Modernisation of Manipulative Physiotherapy“ [1].

Wer Max einmal live im Unterricht erlebte, konnte dabei 2 Dinge erfahren: zum einen, wie umfangreich sein Wissen in der Neurophysiologie war und zum anderen, wie leidenschaftlich er dieses Wissen seinen Schülern vermitteln wollte. Wer im Unterricht genauer nachfragte, wurde nicht nur mit einer sehr detaillierten Antwort bedacht, sondern im Anschluss an den Unterricht auch noch mit den entsprechenden Artikeln versorgt.

Max polarisierte, forderte kritisches Denken heraus, aber das Faszinierende war: Er konnte mit den im deutschsprachigen Raum zu findenden konkurrierenden „Fraktionen“ der Manuellen Therapie gleichermaßen in Diskussion treten. Unter dem Schirm der Neurophysiologie waren die propagierten Unterschiede der verschiedenen „Schulen“ fast nicht mehr auffindbar. Max war davon überzeugt, dass passive Bewegungstherapien klinisch enorm hilfreich waren, aber die Wirkungsweise eher über neurologische als mechanische Mechanismen zu begründen war. Seiner Meinung nach werden über die verschiedenen Stimuli-Parameter endogene schmerzhemmende Mechanismen aktiviert. Als Folge davon entsteht eine schmerzfreie Periode (sogenanntes „Therapiefenster“), in dem sich dann über aktive Übungen das Bewegungsverhalten langfristig verbessern lässt. Selbst bei chronischen Schmerzpatienten, bei denen immer wieder die Frage nach „Hands-on“ oder „Hands-off“ gestellt wird, kann vielleicht erst über den Umweg der passiven Bewegungsstrategien der Prozess zur „Überschreibung“ eines Schmerzgedächtnisses angestoßen werden.

Die Schmerzphysiologie war aber nicht die einzige Leidenschaft von Max. Er war über 34 Jahre glücklich mit seiner Frau Barbara verheiratet und ein begeisterter Golf- und Poolspieler. Im Gegenteil zu vielen Australiern seiner Generation verfolgte er – neben den klassischen australischen Football-Arten – auch mit Interesse den europäischen Soccer.

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M. Zusman

Noch im Sommer 2013 war Max zum Unterrichten in Europa unterwegs. Mit Kollegen in unterschiedlichen Ländern verbanden ihn viele freundschaftliche Kontakte. Dabei nutzte er auch im deutschsprachigen Raum die Gelegenheit, ehemalige Master-Studenten aus den letzten Jahrzehnten an der Curtin Universität wiederzusehen, und ein Abstecher für ein Bismarckbrötchen bei der „Nordsee“ war obligatorisch.

Max hat viele Physiotherapeuten nachhaltig in ihrer beruflichen Ausrichtung beeinflusst. Eine irische Kollegin hinterließ im Kondolenzbuch der Zeitung „The West Australian“ das folgende Zitat: “A teacher affects eternity; he can never tell where his influence stops” (Henry Adams).

Der Einfluss seiner Beiträge wird sicherlich auch noch bis weit in die Zukunft andauern; besonders lesenswert: “Belief reinforcement: one reason why costs for low back pain have not decreased” [2].