PPH 2014; 20(01): 6-7
DOI: 10.1055/s-0033-1363921
Szene
Brunos Welt
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Offener Brief an die Bundeskanzlerin

Bruno Hemkendreis
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Publication Date:
24 January 2014 (online)

Liebe Frau Dr. Merkel,

ich arbeite in der Pflege in einem psychiatrischen Krankenhaus. Es wird in der Politik viel über die Wichtigkeit der Pflege und den drohenden Pflegemangel geredet und in den Medien darüber berichtet. Da ich die Haltung Ihrer Regierung zur Pflege an vielen Stellen nicht verstehe, wende ich mich hiermit Hilfe suchend an Sie.

Vor einiger Zeit beispielsweise las ich, dass nun – um dem Pflegemangel zu begegnen – Pflegekräfte aus verschiedenen Ländern weltweit angeworben werden, allerdings nicht in den gleichen Ländern, in denen schon viele Ärzte angeworben wurden. Diese Ärzte haben jetzt schon oft Probleme, sich mit den Patienten oder den Pflegenden zu verständigen. Wie soll das erst funktionieren, wenn wir demnächst auf einer Station zum Beispiel deutsche Patienten, einen russischen Arzt und griechische und vietnamesische Schwestern und Pfleger haben? In einem psychiatrischen Krankenhaus ist das mit der Kommunikation ja besonders wichtig.

Übrigens erzählte mir mein Friseur letztens, er achte sehr darauf, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut deutsch sprächen, das sei wichtig für sein Geschäft. Diese beherrschten auch recht gut die sogenannte „Laienpsychotherapie“, sie könnten zuhören, auf jemanden eingehen und seien kommunikativ. Seine an Demenz erkrankte Mutter sei zurzeit im Krankenhaus. Dort existiere nach seiner Erfahrung dieser Minimalstandard nicht.

Weckt die Rekrutierung medizinischen Fachpersonals aus aller Welt nicht Erinnerungen an ein ehrgeiziges, doch gescheitertes Turmbauprojekt zu Babel?

Es gibt böse Stimmen, die behaupten, das alles geschehe nur, um für die Pflege möglichst wenig Geld ausgeben zu müssen. Fordern wir Pflegenden eventuell – auch wenn eine angemessene Bezahlung den Pflegeberuf für junge Menschen attraktiver machen würde – zu viel Geld für unsere Arbeit?

Als beispielsweise die 12-jährige Schulbildung als Zugangsvoraussetzung für Pflegeberufe in der EU diskutiert wurde, hat Ihr Gesundheitsminister, Herr Bahr, sich für Deutschland klar dagegen positioniert und die Ärztekammer hat sich gemeinsam mit Arbeitgebern und der Gewerkschaft ver.di ebenfalls vehement dagegen ausgesprochen. Seitdem vermute ich auch, dass ver.di in Wirklichkeit gar keine Arbeitnehmervertretung ist.

Es heißt ja, Wissen sei Macht, soll vielleicht die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen nicht mit für einen typischen Frauenberuf unnötigem Wissen belastet werden, weil das auch bestehende Machtverhältnisse destabilisieren könnte?

Ich würde mich sehr freuen, von Ihnen als Regierungschefin eine Antwort zu erhalten, die etwas Licht in diese wichtigen Fragen bringen könnte. Dafür möchte ich mich schon im Voraus herzlich bedanken.

PS: Wenn Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen der FDP haben, von denen etliche nunmehr keine Aufgabe mehr haben, könnte man diese, ähnlich wie einst bei den „Schlecker-Frauen“ angedacht, motivieren, in die Pflege zu wechseln. Einerseits brächten sie Sprachkenntnis, andererseits eine wertvolle Fähigkeit mit: Sie könnten dafür sorgen, dass die Pflege in Deutschland eine Lobby bekäme.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Bruno Hemkendreis