Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(4): 139-140
DOI: 10.1055/s-0033-1362672
Journal Club
Neonatologie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kortikosteroide 1 – Dexamethason bei Frühgeborenen begünstigt funktionelle Defizite im Schulalter

Further Information

Publication History

Publication Date:
20 August 2014 (online)

Hintergrund: Seit den 1990er Jahren erhalten Frühgeborene zur Prophylaxe der Bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) Dexamethason. Dieses zum Teil in sehr hohen Dosen verabreichte Glukokortikoid beeinträchtigt jedoch die Gehirnentwicklung und ist mit einem erhöhten Risiko für Zerebralparesen assoziiert. Die niederländische Arbeitsgruppe untersucht, inwieweit eine hochdosierte Dexamethason-Therapie die Motorik, kognitive Fähigkeiten sowie das Verhalten ehemaliger Frühgeborener im Schulalter beeinflusst und identifiziert weitere Risikofaktoren für ungünstige Verläufe.

Methoden: In die observationale Kohortenstudie wurden 53 Frühgeborene < 32 SSW, die zwischen 1999 und 2001 nach der ersten Lebenswoche mit hochdosiertem Dexamethason (Startdosis 0,5 mg / kg / d) behandelten worden waren, eingeschlossen. Im Alter zwischen 6 und 12 Jahren wurden die Kinder umfangreich neuropsychologisch untersucht. Dies umfasste die Beurteilung der Motorik, der Intelligenz, der Aufmerksamkeit, des verbalen Gedächtnis, der visuellen Wahrnehmung, der visuomotorischen Koordination, der exekutiven Funktionen sowie des Verhaltens.

Ergebnisse: Im Vergleich zur Normalbevölkerung schnitten die mit Dexamethason behandelten Kinder in allen motorischen Kategorien schlechter ab. 51 % hatten auffällige Gesamtscores, und die größten Defizite lagen in den Bereichen Feinmotorik (59 %), Ballgeschick (47 %) und Gleichgewicht (30 %). Zudem hatten diese Kinder häufiger erniedrigte (< 85) Gesamt- (36 %) verbale (32 %) sowie Performance-IQs (55 %) (p < 0,001; p = 0,002 bzw. p < 0,001). Außer beim verbalen Langzeit- und Wiedererkennungs-Gedächtnis erzielten die ehemaligen Frühgeborenen zudem in allen kognitiven Bereichen schlechtere Scores. Bei 19 % der Kinder wurden Verhaltensauffälligkeiten beobachtet (p < 0,001). Am häufigsten wurde von den Eltern internalisierendes Verhalten (33 %; p < 0,001) berichtet, 10 % zeigten Aufmerksamkeitsdefizite, 21 % Hyperaktivität und 12 % Impulsivität. Eine BPD war mit Auffälligkeiten der Feinmotorik (p = 0,002), zerebrale Pathologien mit anormalem Ballgeschick (p = 0,009) assoziiert. Eine längere Beatmungs- oder Behandlungsdauer sowie höhere kumulative Dexamethason-Dosen wurden als Risikofaktoren für ein schlechteres verbales Langzeitgedächtnis identifiziert (p = 0,005; p = 0,017 bzw. p = 0,005). Ein später postnataler Beginn der Dexamethason-Therapie war mit pathologischem externalisierendem (p = 0,04) sowie impulsivem Verhalten (p = 0,004) assoziiert. Ferner zeigten Kinder mit einem kleineren Kopfumfang im Follow-up häufiger Auffälligkeiten der Feinmotorik (p = 0,013).

Fazit

Mit hohen Dexamethason-Dosen behandelte ehemalige Frühgeborene zeigten im Schulalter häufiger als die Normalbevölkerung Auffälligkeiten in den Bereichen Motorik, Intelligenz, Kognition und Verhalten. BPD, zerebrale Pathologien, mechanische Ventilation, längere Behandlungsdauer, höhere kumulative Dexamethason-Dosis, späterer Therapiebeginn sowie kleinerer Kopfumfang im Follow-up wurden als mit der Dexamethason-Therapie assoziierte Risikofaktoren, welche die ungünstigen Auswirkungen der Glukokortikoid-Behandlung potenzieren, identifiziert. Seit 2002 werden in der Neonatologie zwar niedrigere Dexamethason-Dosen eingesetzt, die Erkenntnisse der Untersuchung, so die Autoren, seien jedoch für eine optimale Förderung der in den 90er Jahren geborenen Kinder von Bedeutung.

Dr. Christian Weber, Künzel