Ernährung & Medizin 2013; 28(4): 145
DOI: 10.1055/s-0033-1361505
editorial
Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Editorial

Faszination Spurenelemente und Mineralstoffe
Lutz Schomburg
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Publication Date:
17 December 2013 (online)

 
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    Wenn es um die menschliche Ernährung geht, werden gerne Kalorien gezählt, die Eigenschaften von Gemüse, Fleisch und Sättigungsbeilagen diskutiert und Pläne zur maßvollen Portionsgröße und abwechslungsreichen Küche aufgestellt. Für das gewichtige Kernproblem gibt es eine reiche Auswahl an Diäten, von A wie Atkins, über G wie Glyx, bis T wie Trennkost. Kohlenhydrate, Eiweiß, Fette, Ballaststoffe und Vitamine werden bedacht und je nach Überzeugung berechnet, vermieden, getrennt oder kombiniert. Spurenelemente und Mineralstoffe fristen demgegenüber ein Schattendasein, denn bei einer ausgewogenen Ernährung werden sie sich schon in angemessenen Mengen einfinden. Diese Einschätzung ist nicht unberechtigt, gilt aber nicht automatisch für alle der benötigten Elemente. Deshalb lohnt es sich, diese sog. Mikronährstoffe genauer zu betrachten, denn die einzelnen Vertreter unterscheiden sich gewaltig. Es sind individuelle Charaktere. Eine Dysbalance kann eher von diagnostischer Bedeutung sein oder muss als Risikofaktor für Volkskrankheiten angesehen werden.

    Im September fanden hierzu zwei hochkarätige Konferenzen in Berlin statt, die Jahrestagung der Gesellschaft für Mineralstoffe und Spurenelemente e.V. (GMS) und das 10th International Symposium on Selenium in Biology and Medicine (Internationales Selensymposion). Ein weiterer Selenkongress folgte im November in Hefei, China. Die GMS-Tagung stand unter dem Motto „Den Elementen auf der Spur – Diagnostik und medizinische Bedeutung der Spurenelemente“ und spannte den Bogen von der instrumentellen Analytik über Biomarker, Toxizität und Essentialität, neuen Tiermodellen bis zu epidemiologischen Studien und Metaanalysen. Unter den Elementen dominierten Kalzium, Jod, Selen und Zink die konstruktiven Diskussionen. Der Münchner Ernährungsepidemiologe J. Linseisen beleuchtete den Zusammenhang von Kalzium und kardiovaskulär bedingter Mortalität. T. Ittermann aus Greifswald stellte unsere ausreichende Jodversorgung vor, warnte aber auch vor dem sich abzeichnenden Trend zum Defizit bei Jugendlichen. L. Rink aus Aachen präsentierte die enorme Bedeutung von Zink für das Immunsystem und bemängelte das Fehlen geeigneter Biomarker. Angesichts vergleichbarer Effekte eines Selenmangels unterstrich dieser Beitrag die Notwendigkeit von Interaktionsstudien. Dieses Konzept wurde von G. Banuelos aus den USA in einem geobiologischen Vortrag untermauert, der anhand der salzreichen und niederschlagsarmen Küstenregionen Kaliforniens die Problematik der Spurenelementkreisläufe für die Landwirtschaft darlegte.

    Die GMS-Tagung ging nahtlos in das Internationale Selensymposion über; V. Gladyshev aus Harvard verglich speziesübergreifend die Evolution von Selenoproteinen und des Biosyntheseapparats. D. Söll aus Yale erläuterte die Möglichkeiten der Umprogrammierung des Systems. E. Arner vom Karolinska Institut stellte den Zusammenhang von Selenoproteinen und Zellfunktionen vor. Wissenschaftler aus der Charité Berlin erörterten die Bedeutung von Selenoproteinen und Selenstatus für grundlegende Erkrankungen des endokrinen Systems.

    Aber was macht Selen so einmalig, dass sich Wissenschaftler aus der ganzen Welt für eine volle Arbeitswoche treffen und sich der Gefahr geistiger Selenosis aussetzen? Der Übersichtsartikel von J. Martitz et al. in diesem Heft kann vielleicht ein wenig dieser Faszination vermitteln. Selenoproteine kontrollieren sowohl grundlegende als auch reaktive Signalwege unseres Körpers und sind somit für fast alle Erkrankungen relevant. Die Selenverteilung ist weltweit extrem ungleich, sodass endemische Mangel- und Vergiftungssymptome bekannt sind, besonders aus China, das die weltweit selenreichsten und selenärmsten Regionen beherbergt. Seit sechs Jahren hat sich in China eine Internationale Gesellschaft zur Selenerforschung formiert, die bei ihren Tagungen geobiologische Probleme wie Phytoremidiation, endemische Fehlversorgungen und neue Supplementationswege adressiert.

    Als Mitorganisator dieser drei hier erwähnten Konferenzen hatte ich das Vergnügen, diesen Themenfeldern sukzessive ausgesetzt zu sein und mich von dieser weltweiten Begeisterung für die Selenforschung anstecken zu lassen. Wenn auch Sie sich einen umfassenden Überblick verschaffen möchten, dann lege ich Ihnen neben diesem Heft die entsprechenden Webseiten ans Herz: www.gmsev.de; www.selenium2013.com; www.seleniumresearch.org. Viel Vergnügen bei der Lektüre. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung!

    Herzliche Grüße, Ihr

    Prof. Dr. Lutz Schomburg


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