1 Methodik
Die vorliegende Leitlinie ist eine Weiterentwicklung der DGEM-Leitlinien enterale
[1] und parenterale Ernährung [2] in der Gastroenterologie sowie der ESPEN-Leitlinien zur enteralen [3] und parenteralen [4] Ernährung bei Pankreatitis. Es handelt sich hierbei um eine S3-Leitlinie der DGEM
(AWMF-Registernummer 073/025). Die Methodik ist im Leitlinienreport ausführlich beschrieben,
wo sich auch die Suchstrategien und Evidenztabellen finden. Der Leitlinienreport ist
über die Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften e. V. (AWMF) abrufbar (www.awmf.org, AWMF-Registernummer der Fachgesellschaft 073). Ein Auszug zum methodischen Vorgehen
bei der Leitlinienerstellung wurde bereits in der Aktuellen Ernährungsmedizin veröffentlicht [5].
Neben dem Empfehlungsgrad wird auch die Outcome-Bewertung bei den Empfehlungen mit
angegeben (Biomedizinische Endpunkte [BM], Patientenzentriertes Outcome [PC], Gesundheitsökonomische
Parameter [HE], Medizinische Entscheidungsfindung [DM], Mehr-Komponenten-Outcome-Modelle
[MC]) [6].
2 Akute Pankreatitis
2.1 Welche Methode ist am besten geeignet, den Ernährungszustand bei Patienten mit
akuter Pankreatitis zu objektivieren?
Zur Evaluation des ernährungsmedizinischen Risikos bzw. des vorliegenden Ernährungszustands
von Patienten mit akuter Pankreatitis können die allgemeinen in der klinischen Praxis
etablierten Methoden, wie z. B. Nutritional Risk Screening (NRS-2002) oder Subjective
Global Assessment (SGA), zusammen mit dem Verlauf des Body-Mass-Indexes (BMI) eingesetzt
werden.
[C (BM, QL, HE); starker Konsens]
Bei klinisch kritischem Verlauf kann im Einzelfall auch eine Bioelektrische Impedanzanalyse
(BIA-Messung) eingesetzt werden.
[C (BM, QL, HE); starker Konsens]
Kommentar: Da es in der vorliegenden Literatur keine systematischen Untersuchungen zum Einfluss
des Ernährungszustands auf den klinischen Verlauf und die Prognose von Patienten mit
akuter Pankreatitis gibt, können hierzu keine spezifischen Angaben gemacht werden.
In Analogie zu Untersuchungen bei anderen schwerwiegenden akuten Erkrankungen ist
es wahrscheinlich, dass bei Patienten mit akuter nekrotisierender Pankreatitis das
Vorliegen einer relevanten Unter-/Mangelernährung den klinischen Verlauf und die Prognose
der Erkrankung negativ beeinflusst.
Patienten mit leichter akuter Pankreatitis haben in der Regel keinen relevant erhöhten
Nährstoff- und Energiebedarf und der individuelle Ernährungszustand wird mit Ausnahme
protrahierter Verlaufsformen nicht relevant beeinflusst [3] (II).
Bei Patienten mit schwerer nekrotisierender Pankreatitis führen inflammatorischer
Stress und Schmerz zu einer Erhöhung der basalen Stoffwechselaktivität mit entsprechend
gesteigertem Energieumsatz und Proteinkatabolismus [7]
[8] (II). Je nach Schwere und Verlauf der Erkrankung kann es zu einer progredienten
Verschlechterung des Ernährungszustands betroffener Patienten kommen.
Zur Bestimmung des individuellen Ernährungszustands bei Patienten mit akuter Pankreatitis
wird auf die allgemeinen in der klinischen Praxis etablierten Methoden verwiesen [9].
2.2 Wann ist eine Ernährungstherapie indiziert bzw. kontraindiziert?
Patienten mit milder akuter Pankreatitis benötigen keine gezielte Ernährungsintervention
und sollen unabhängig vom Verlauf der Lipase- und/oder Amylaseaktivität frühzeitig
eine leichte Vollkost bekommen; eine Ernährung über enterale Sondensysteme oder über
parenterale Zugänge ist nicht indiziert.
[A (BM); starker Konsens]
Kommentar: Die meisten Patienten präsentieren sich mit einer leichten oder moderaten akuten
Pankreatitis, die innerhalb von 5 – 7 Tagen mit einer Restitutio ad integrum ausheilt.
Hier wurde früher ein eher zurückhaltendes Vorgehen bei der Wiederaufnahme der oralen
Kostzufuhr unter der Vorstellung der Vermeidung der Stimulation der Pankreassekretion
empfohlen. Prospektive Daten, die dieses Vorgehen stützten, lagen allerdings nicht
vor.
Aktuelle Studien haben jetzt ein vereinfachtes und patientenzentriertes Vorgehen bei
einem Kostaufbau nach Pankreatitis untersucht [10]
[11]. In einer deutschen offenen randomisierten Multicenterstudie konnte gezeigt werden,
dass bei milder akuter Pankreatitis der Wunsch des Patienten nach Wiederaufnahme der
oralen Ernährung eine wichtigere Rolle spielen kann als bisher und dass dieses unabhängig
von der Normalisierung der Serumlipase erfolgen kann [12]. Des Weiteren zeigt eine Studie mit 101 Patienten, dass weiche Nahrung im Vergleich
zu einer flüssigen Nahrung von Vorteil ist [13]. Der Kostaufbau kann demnach mit einer leichten Vollkost erfolgen.
Bei Patienten mit schwerer nekrotisierender Pankreatitis soll frühzeitig (innerhalb
von 24 – 48 Stunden) eine enterale Ernährungsstrategie begonnen werden.
[A (BM); starker Konsens]
Der Stellenwert und der Zeitpunkt einer dualen (enteralen und parenteralen) Ernährung
sind nicht klar. Der Beginn einer kombinierten Ernährung sollte nach 3 Tagen erwogen
werden und spätestens nach einer Woche hypokalorischer Ernährung begonnen werden.
[KKP (BM); starker Konsens]
Eine totale parenterale Ernährung soll nur in dem sehr seltenen Fall einer klinisch
nicht durchführbaren minimalen enteralen Ernährung erfolgen.
[A (BM); Konsens]
Kommentar: Eine Vielzahl von prospektiven klinischen Studien und mittlerweile auch mehrere systematische
Metaanalysen u. a. auch nach Cochrane-Standard [14]
[15]
[16]
[17] belegen überzeugend, dass eine innerhalb von 24 – 48 Stunden begonnene enterale
Ernährungstherapie mit nährstoffdefinierter, hochmolekularer Sondennahrung signifikant
die Infektionsrate sowie signifikant die Mortalität von Patienten mit akuter nekrotisierender
Pankreatitis senkt. Die aktuellste Metaanalyse von Al-Omran et al. [17] nach Cochrane-Standard hat 8 randomisierte kontrollierte klinische Studien mit 348
Patienten analysiert und fand bei frühzeitiger enteraler Ernährung im Vergleich zur
bisher durchgeführten totalen parenteralen Ernährung eine Senkung der Mortalität um
50 % (OR 0,50 [95 %-KI: 0,28 – 0,91]). Wenn nur Studien mit Patienten mit schwerer
akuter nekrotisierender Pankreatitis eingeschlossen werden, wird die Odds Ratio (OR)
sogar auf 0,18 (95 %-KI: 0,006 – 0,58) signifikant gesenkt. Neben der signifikanten
Senkung der Mortalität findet sich auch eine signifikante Senkung der Infektionsrate
(OR 0,39 [95 %-KI: 0,23 – 0,65]), des Multiorganversagens (OR 0,55 [95 %-KI: 0,37 – 0,81])
sowie der Operationsnotwendigkeit (OR 0,44 [95 %-KI: 0,29 – 0,67]). Unter kritischer
Würdigung der jetzt vorliegenden randomisierten kontrollierten Studien zur Frage der
klinischen Effizienz einer frühzeitigen enteralen Ernährungsstrategie im Vergleich
zur bisher durchgeführten konventionell totalen parenteralen Ernährung sowie der aktuell
verfügbaren großen Metaanalysen ist wissenschaftlich überzeugend belegt, dass die
frühzeitige enterale Ernährung bei Patienten mit akuter nekrotisierender Pankreatitis
signifikant die harten klinischen Outcomeparameter Infektionsrate, Operationsnotwendigkeit,
Multiorganversagen und vor allen Dingen auch Mortalität beeinflusst. Li et al. [18] konnten in einer Metaanalyse von 11 Studien mit insgesamt 775 Patienten zeigen,
dass eine frühzeitige, innerhalb der ersten 48 Stunden durchgeführte enterale Ernährung
die Endpunkte Morbidität und Mortalität im Vergleich zu Patienten, die innerhalb von
72 Stunden enteral ernährt werden, deutlich senkt. Diese Studie bestätigt, dass bei
klinisch stabilen Patienten so früh wie möglich mit der enteralen Ernährung begonnen
werden sollte. Damit ist unter klinischen Gesichtspunkten die frühzeitige enterale
Ernährung bei Patienten mit akuter nekrotisierender Pankreatitis hocheffektiver, integraler
Bestandteil der medizinisch notwendigen Therapiestrategie.
Es sind keine Kontraindikationen für den Beginn einer minimalen enteralen Ernährung
bei Patienten mit akuter Pankreatitis bekannt, die über die allgemeingültigen Kontraindikationen
zur enteralen Ernährung hinausgehen [15]
[16] (II).
In Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung weisen Patienten mit akuter Pankreatitis
sehr häufig Subileus-/Ileussymptome auf. Das Vorliegen einer Ileussymptomatik im Rahmen
einer akuten Pankreatitis ist per se keine Kontraindikation für die Durchführung einer
minimalen enteralen Ernährung. Im Gegenteil: Wie bei anderen schweren Erkrankungen
sowie in der postoperativen Betreuung fördert eine frühzeitige enterale Ernährung
auch bei Patienten mit akuter Pankreatitis den Erhalt der gastrointestinalen Integrität
und damit die Barrierefunktion, steigert die intestinale Motilität und hat in mehreren
Studien und Metaanalysen nachgewiesenermaßen einen relevanten Einfluss auf klinisch
wichtige Outcomeparameter wie Komplikationsrate, Morbidität und Mortalität [14]
[15]
[16]
[17].
Dezidierte Studien zur Beeinflussung des Ernährungszustandes unter einer enteralen
Ernährung bei Patienten mit akuter Pankreatitis liegen nicht vor. Aufgrund indirekter
Daten der parenteralen Ernährung und der Verbesserung der Outcomeparameter kann jedoch
von einem positiven Effekt auf den Ernährungszustand ausgegangen werden.
Nach unseren heutigen wissenschaftlichen Vorstellungen besteht der klinische Nutzen
einer frühzeitigen enteralen Ernährung primär darin, den Magen-Darm-Trakt strukturell
und funktionell in Takt zu halten, um seine Integrität als klinisch wichtige Grenzfläche,
insbesondere in Bezug auf eine Translokation von Darmkeimen, zu erhalten. Unter dieser
Vorstellung ist die frühzeitige enterale Ernährung primär Teil einer präventiven Behandlung
und weniger Teil einer bloßen Ernährungsstrategie. Aufgrund der klinischen Erfahrung
sowie der Daten aus Studien mit anderen intensivmedizinischen Krankheitsbildern kann
für die klinische Praxis davon ausgegangen werden, dass eine im Rahmen des Postaggressionsstoffwechsels
adäquate enterale oder kombinierte enteral-parenterale Ernährung den Ernährungszustand
der betroffenen Patienten positiv beeinflusst.
Im Rahmen der akuten Pankreatitis ist eine Besserung der Pankreasfunktion durch eine
enterale Ernährung nicht möglich. Gleichwohl scheint eine enterale Ernährung die Pankreasfunktion
nicht negativ zu beeinflussen, da eine etwaige Stimulation der Pankreassekretion im
Rahmen einer akuten Pankreatitis keine klinisch erkennbare Relevanz zeigt.
2.3 Wie soll die enterale Ernährung durchgeführt werden?
Für eine enterale Ernährung sollen hochmolekulare (nährstoffdefinierte) Diäten verwendet
werden [A (BM); starker Konsens]; nur bei Unverträglichkeit kann auf niedermolekulare (chemisch definierte) Diäten
ausgewichen werden [KKP; starker Konsens].
Die Datenlage bezüglich Immunonutrition und Prä-, Pro- und Synbiotika ist aktuell
kontrovers. Die Gabe kann daher derzeit nicht empfohlen werden.
[KKP; starker Konsens]
Kommentar: Es liegen mehrere prospektive randomisierte Studien vor zur Frage, welche Sondennahrungen
bei akuter Pankreatitis eingesetzt werden sollen. Jedoch nur eine Studie mit relativ
geringer Fallzahl (n = 30) vergleicht direkt eine hochmolekulare (nährstoffdefinierte)
Sondennahrung mit einer niedermolekularen (chemisch definierten) Sondennahrung zur
enteralen Ernährung bei milder/moderater akuter Pankreatitis [19]. Obwohl diese Studie einen leichten Vorteil für eine niedermolekulare Sondennahrung
zeigt, kommt eine indirekte adjustierte Metaanalyse mit 428 Patienten zu dem Schluss,
dass kein Unterschied bzgl. Toleranz, Infektionsraten und Letalität zwischen nieder-
oder hochmolekularer Sondennahrung besteht [20].
Die vorliegenden Studien zur Gabe von Pro- und Präbiotika bei Patienten mit schwerer
akuter Pankreatitis zusammengefasst in einer Metaanalyse [21] konnten keinen klinischen Vorteil in Bezug auf infektiöse und nicht infektiöse Komplikationen,
Mortalität oder die Krankenhausaufenthaltsdauer belegen. Einige Studien weisen sogar
signifikante negative Effekte durch Prä-/Probiotika auf [22]. Ebenso ist der klinische Nutzen einer Immunonutrition zusammengefasst in einer
Metaanalyse [23] nicht belegt. Auch hier gibt es Studienergebnisse mit einem Trend zu eher negativen
Effekten, z. B. durch gezielte Substitution mit Selen, N-Azetylzysteinen und Vitamin
C [24].
Eine enterale Sondenernährung soll primär gastral erfolgen.
[A (BM); starker Konsens]
Bei gastraler Intoleranz soll die Ernährung über ein nasojejunales Sondensystem bevorzugt
werden.
[A (BM); starker Konsens]
Kommentar: In mehreren prospektiven klinischen Studien sowie mittlerweile in 2 Metaanalysen
[25]
[26] konnte überzeugend belegt werden, dass eine nasogastrale Ernährung ebenso gut verträglich,
sicher und effektiv ist wie eine nasojejunale Ernährung bei Patienten mit schwerer
akuter Pankreatitis. Aufgrund dieser Daten kann primär mit einer gastralen Ernährung
bei Patienten mit schwerer akuter Pankreatitis begonnen und diese bei guter Verträglichkeit
fortgeführt werden. Sollte es zum Auftreten einer gastralen Intoleranz kommen, soll
auf eine Ernährung über ein nasojejunales Sondensystem gewechselt werden.
2.4 Wie soll die orale Ernährung nach enteraler Sondenernährung (inkl. Kostaufbau
und ggf. Fermentsubstitution) durchgeführt werden?
Ein spezifischer Kostaufbau sowie eine passagere Fermentsubstitution sollte in der
Regel nicht durchgeführt werden.
[B (BM); starker Konsens]
Nach Aufbau der enteralen Sondenernährung kann in Abhängigkeit vom klinischen Verlauf
auf eine leichte orale Vollkost umgestellt werden.
[C (BM); starker Konsens]
Belege für die klinische Notwendigkeit eines spezifischen Kostaufbaus im Übergang
zur oralen Ernährung liegen nicht vor. Bei Hinweisen auf eine klinisch relevante Maldigestion
im Verlauf einer schweren akuten Pankreatitis kann eine Fermentsubstitution erfolgen.
[C (BM); starker Konsens]
Kommentar: Spezifische Daten oder Untersuchungen zum Kostaufbau bzw. Umstellung von einer enteralen
Ernährung auf eine orale Kost liegen nicht vor. Die vorliegende Empfehlung basiert
auf dem Analogschluss unter Berücksichtigung der Datenlage beim Kostaufbau bei leichter
und moderater Pankreatitis (siehe 3.2; Empfehlung 3). Ein weiteres Argument für die Empfehlung für einen vereinfachten Kostaufbau liegt
darin, dass die enterale Sondenernährung in der Regel mit einer hochmolekularen Sondennahrung
gastral durchgeführt wird, was in der Zusammensetzung einer normalen Ernährung entspricht.
2.5 Wie soll die parenterale Ernährung durchgeführt werden?
Die Art und Weise der parenteralen Ernährung bei akuter Pankreatitis soll nach den
allgemeinen Regeln der parenteralen Ernährung erfolgen.
[KKP; starker Konsens]
Die zugeführte Energiemenge sollte der metabolischen Situation angepasst werden. Der
Flüssigkeitsbedarf sollte individuell an die klinische Situation angepasst werden.
[KKP; starker Konsens]
Glukose soll aufgrund der sofortigen Verfügbarkeit für die Energiegewinnung als ein
wesentlicher Makronährstoff für die parenterale Ernährung bei akuter Pankreatitis
verwendet werden und stimuliert die Pankreassekretion nicht. Die Zufuhrrate soll bei
2 – 4 g pro kg Körpergewicht liegen.
[A; starker Konsens]
Zur Abwendung eines Proteinkatabolismus soll in Abhängigkeit vom Ernährungszustand
die Zufuhr von 1,2 – 1,5 g Protein pro kg Körpergewicht erfolgen.
[A; starker Konsens]
Die intravenöse Gabe von Fetten soll erfolgen, da sie essenziell zur Deckung des Energiebedarfs
und der Zufuhr essenzieller Fettsäuren ist.
[KKP; starker Konsens]
Die Infusionsraten von Lipiden sollten zwischen 0,8 und 1,5 g pro kg Körpergewicht
liegen und nur unter strengem Monitoring der Plasmatriglyzeride erfolgen. Plasmatriglyzeridspiegel
über 12 mmol/L (unter laufender Infusion) sollten vermieden werden und können zum
Pausieren der Lipidinfusion Anlass geben.
[C; starker Konsen]
Kommentar: Die Grundprinzipien der parenteralen Ernährung bei einer akuten Pankreatitis entsprechen
dem Vorgehen bei kritisch kranken Patienten, daher wird hier auf die DGEM-Leitlinie
„Klinische Ernährung in der Intensivmedizin“ verwiesen.
Der Gesamtenergieumsatz im Rahmen einer akuten Pankreatitis entspricht in der Regel
etwa 25 – 30 kcal/kg KG/Tag [7]. Die parenterale Zufuhr von Lipidemulsionen hat nach der derzeitigen Studienlage
keinen negativen Effekt auf die Pankreasfunktion und den Verlauf der Erkrankung. Durch
eine parenterale Ernährung kann der Ernährungszustand des Patienten erhalten oder
verbessert werden [4]
[27] (IIb). Eine Stimulation der exokrinen Pankreasfunktion unter parenteraler Ernährung
ist aufgrund der derzeitigen Daten nicht zu erwarten.
Patienten mit akuter Pankreatitis, die längere Zeit ausschließlich parenteral ernährt
werden, profitieren von einer zusätzlichen intravenösen Gabe von Glutamin in einer
Dosis von 0,2 – 0,5 g/kg KG/Tag. Die Gabe von Glutamin in dieser Patientengruppe ist
mit einer Reduktion von infektiösen Komplikationen und einer reduzierten Mortalität
assoziiert [28].
Die Supplementierung von Mikronährstoffen sowie Mineralien und Spurenelementen in
Höhe der allgemein empfohlenen Zufuhrrate kann in jedem Fall täglich erfolgen.
[C; starker Konsens]
Eine hoch dosierte generelle Supplementierung, besonders von antioxidativ wirkenden
Vitaminen, sollte nicht erfolgen.
[B; starker Konsens]
Kommentar: In 2 prospektiven randomisierten klinischen Studien war kein erkennbarer Vorteil
einer Substitution von antioxidativen Substanzen in pharmakologischen Dosen (z. B.
Vitamin C 1000 – 2000 mg/Tag; Vitamin E 200 mg/Tag, Selen 200 – 1000 μg/Tag) zu erkennen
[24]
[29].
Während bei einer enteralen Ernährung von 1500 mL oder mehr in der Regel die Zufuhr
der empfohlenen Tagesdosis von Vitaminen und Spurenelementen gedeckt ist, ist es notwendig
bei einer geringeren enteralen Ernährung mit oder ohne parenteraler Ernährung die
Tagesdosis von Vitaminen und Spurenelementen entsprechend zu substituieren.
2.6 Monitoring
Auf ein spezifisches Monitoring der enteralen sowie parenteralen Ernährungstherapie
bei Patienten mit akuter Pankreatitis im Vergleich zu anderen Intensivpatienten kann
verzichtet werden.
[C; starker Konsens]
Davon ausgeschlossen ist das Monitoring der Volumensubstitution. Dieses sollte bei
schweren Verläufen mit besonderer Sorgfalt erfolgen.
[B; starker Konsens]
3 Chronische Pankreatitis
3.1 Welche Methode ist am besten geeignet, den Ernährungszustand bei Patienten mit
chronischer Pankreatitis zu objektivieren?
Der Ernährungszustand bei chronischer Pankreatitis kann mit anthropometrischen, biochemischen,
klinischen und diätetischen Parametern evaluiert werden.
[KKP; starker Konsens]
Kommentar: Das Ausmaß von Mangelernährung bei chronischer Pankreatitis korreliert mit der Komplikationsrate
und ist mit einer erhöhten Mortalität assoziiert [30] (IIb). Daten aus einer deutschen Rehabilitationsklinik (74 % alkoholische chronische
Pankreatitis) zeigen bei 32 % der Patienten einen BMI < 20 kg/m2, 57 % hatten Diarrhö und 24 % eine schwere Steatorrhö (fäkaler Fettverlust > 30 g
Fett/Tag) [31]. Ebenfalls ein hoher Anteil an unterernährten Patienten (23 % BMI < 20 kg/m2) fand sich in einer Gruppe von Patienten mit chronischer Pankreatitis, die zu einer
Operation (Pankreaskopfresektion) anstanden. Auch nach der Operation fand sich nur
eine mediane Gewichtszunahme von 2 kg [32].
Untersuchungen zur Körperzusammensetzung bei Patienten mit chronischer Pankreatitis
dokumentieren eine Reduktion der fettfreien Masse sowie der Fettmasse und erniedrigte
Serumspiegel für fettlösliche Vitamine in Abhängigkeit vom Ausmaß der exokrinen Insuffizienz
[33].
Gewichtsverlust ist mit einer Reduktion der funktionellen Reserve und der Lebensqualität
assoziiert [34]. 34 % der Patienten zeigten relevanten Gewichtsverlust und 46 % berichteten über
Fatigue und körperliche Schwäche. Durch den Mangel an Mikronährstoffen und zusätzlich
durch die chronische Entzündung ist das Risiko einer Osteoporose und Osteopenie erhöht
[33].
Vergleichende spezielle Untersuchungen, welche Methode zur besten Charakterisierung
des Ernährungszustands geeignet ist, liegen nicht vor, sodass hier allgemeine Empfehlungen
[9] gelten.
3.2 Wann ist eine Ernährungstherapie indiziert bzw. kontraindiziert?
Sollte es bei Patienten mit Malnutrition trotz individualisierter Ernährungsberatung
und adäquater Pankreasenzymsubstitutionstherapie zu keiner Besserung der Nahrungszufuhr
und der Nährstoffabsorption kommen, kann der Beginn einer enteralen Ernährungstherapie
mit einer hochmolekularen oder auch niedermolekularen Sondennahrung erwogen werden.
[KKP; starker Konsens]
Eine parenterale Ernährungstherapie kann bei Kontraindikation für eine enterale Ernährung
oder unzureichender enteraler Ernährungstherapie begonnen werden.
[C (BM); starker Konsens]
Die Kontraindikationen für eine enterale und parenterale Ernährungstherapie bei chronischer
Pankreatitis entsprechen den allgemeinen Kontraindikationen für enterale und parenterale
Ernährung.
[KKP; starker Konsens]
Kommentar: Die progressive exokrine und endokrine Pankreasdysfunktion bei chronischer Pankreatitis
beeinträchtigt nachhaltig Digestion und Absorption von Nährstoffen. Patienten in der
terminalen Phase der chronischen Pankreatitis weisen häufig eine Eiweißmangelernährung
auf. Bis zu 50 % der Patienten mit chronischer Pankreatitis haben einen erhöhten Ruhe-Energieumsatz.
Darüber hinaus besteht bei schwerer exokriner Pankreasinsuffizienz häufig ein Vitamin-A-,
-D-, -E- und -K-Mangel sowie einen Mangel an Kalzium, Magnesium, Zink, Thiamin und
Folsäure [30] (III).
Eine orale Nahrungssupplementation aber auch eine individuelle Ernährungsberatung
kann den Ernährungszustand verbessern, die Fettmaldigestion reduzieren und die Schmerzen
positiv beeinflussen [35]
[36]
[37] (Ib). Wenn eine orale Nahrungszufuhr nicht möglich ist, scheint eine nasojejunale
enterale Ernährung den Ernährungszustand und die Schmerzen zu verbessern [35]
[36]
[37] (III).
Neben einer Enzymsupplementation beinhaltet die Therapie der chronischen Pankreatitis
eine individuelle Ernährungsberatung. Wesentliche Eckpunkte der Beratung sind eine
ausreichende Kalorienzufuhr mit 25 – 30 kcal/kg KG/Tag (ggf. bis 35 kcal/kg KG/Tag)
und eine Eiweißzufuhr von 1,5 g/kg KG/Tag. Hierbei ist auf eine adäquate Fettzufuhr
im Rahmen der individuellen Verträglichkeit zu achten, ggf. kann die Kohlenhydratzufuhr
angepasst werden. Wenn diese Ziele nicht über diätetische Maßnahmen erreicht werden
können, besteht die Möglichkeit des Einsatzes von Trinknahrung (orale bilanzierte
Diäten) [35].
In prospektiven unkontrollierten Untersuchungen [36]
[37] konnte eine signifikante Gewichtszunahme und Abnahme der Schmerzsymptomatik unter
einer längerfristigen enteralen Sondenernährung bei Patienten mit chronischer Pankreatitis
und unzureichender oraler Nahrungsaufnahme gezeigt werden.
3.3 Wie soll die orale Ernährung (inkl. Fermentsubstitution) durchgeführt werden?
Eine prinzipielle Fettrestriktion sollte nicht erfolgen, wenn die exokrine Pankreasinsuffizienz
durch Enzymgabe ausreichend kompensiert ist. Eine Alkoholabstinenz sowie die Einnahme
kleiner häufiger Mahlzeiten sollte erfolgen.
[B (BM, QL); starker Konsens]
Siehe hierzu die Leitlinie der DGVS zum Thema chronische Pankreatitis [38].
3.3.1 Enzymsubstitution
Pankreasenzyme sollen supplementiert werden bei Patienten, bei denen eine deutliche
Steatorrhö besteht bzw. anzunehmen ist (Nachweisverfahren: Stuhlfette > 15 g/Tag,
sofern verfügbar; sonst: pathologische qualitative Stuhlfettausscheidung oder pathologischer
Pankreasfunktionstest in Kombination mit klinischen Zeichen der Malabsorption) [38].
[A (BM, QL); starker Konsens]
Auch bei geringerer pathologischer Stuhlfettausscheidung (7 – 15 g/Tag) soll Pankreatin
supplementiert werden, wenn Zeichen der Malabsorption bestehen (z. B. Gewichtsverlust)
oder der Patient abdominelle Symptome hat, die auf die Maldigestion und Malabsorption
zurückgeführt werden können [38].
[A (BM, QL); starker Konsens]
Der Enzymgehalt von Pankreasenzympräparaten wird anhand der Lipaseaktivitat gemessen.
Pro Hauptmahlzeiten sollten mindestens 20 000 – 40 000 Einheiten (Ph. Eur.) verabreicht
werden, für die Verdauung kleinerer Zwischenmahlzeiten mindestens 10 000 (bis 20 000)
Lipaseeinheiten [38].
[B (BM, QL); Konsens]
Kommentar: Eine Reduktion der Nahrungsfette erhöht das Risiko einer hypokalorischen Ernährung
und sollte daher vermieden werden. Bei Patienten mit chronischer exokriner Pankreasinsuffizienz,
rezentem Gewichtsverlust, einer erhöhten fäkalen Fettexkretion (> 7 g/Tag) unter einer
Diät mit maximal 100 g Fett pro Tag und relevanten Steatorrhö-bedingten klinischen
Symptomen sollte eine Pankreasenzymsubstitutionstherapie begonnen werden [38]
[39]. Eine frühzeitige Pankreasenzymsubstitutionstherapie bei asymptomatischer Steatorrhö
und laborchemischen Zeichen einer Resorptionsstörung (z. B. erniedrigte fettlösliche
Vitaminspiegel) kann zu einer Normalisierung dieser Laborparameter führen [40]. Die Pankreasenzymsubstitutionstherapie sollte vorwiegend in Form der modernen magensaftresistenten
Mikropellets und zeitgleich während jeder Nahrungsaufnahme verabreicht werden [41] [IV].
Siehe hierzu auch die Leitlinie der DGVS zum Thema chronische Pankreatitis [38].
3.4 Wie soll die enterale Ernährung durchgeführt werden?
Die enterale Ernährungstherapie sollte primär mit einer Standardsondennahrung und
bei Verdacht auf Magenentleerungsstörung initial ggf. über eine nasojejunale Sonde
durchgeführt werden.
[B (BM); starker Konsens]
Das Ziel der Kalorienzufuhr sollte 25 – 30 kcal/kg KG/Tag betragen.
[KKP; starker Konsens]
Bei Unverträglichkeit der hochmolekularen Standardsondennahrung kann eine fettreduzierte
bzw. niedermolekulare nasojejunale enterale Ernährung eingesetzt werden.
[C; starker Konsens]
Eine enterale Langzeiternährung kann über eine perkutane Gastrostomie (PEG-Sonde)
mit einer jejunalen Zusatzsonde oder über eine direkte perkutane Jejunostomie durchgeführt
werden.
[C (BM, QL); starker Konsens]
Kommentar: In prospektiven unkontrollierten Untersuchungen [36]
[37] bei Patienten mit chronischer Pankreatitis und unzureichender oraler Nahrungsaufnahme
findet sich kein Hinweis auf eine höhere Komplikationsrate bei Anlage einer perkutanen
endoskopischen Gastrostomie oder Jejunostomie.
Vergleichende Untersuchungen zur Art der Sondennahrung liegen nicht vor. Im Analogschluss
zur akuten Pankreatitis erscheint ein primärer Versuch mit hochmolekularer Sondennahrung
gerechtfertigt (vergleiche hierzu 3.3; Empfehlung 8).
3.5 Wie soll die parenterale Ernährung durchgeführt werden?
Die parenterale Ernährung kann gemäß den allgemeinen Standards durchgeführt werden.
[C; starker Konsens]
Kommentar: Eine parenterale Ernährung kann den Ernährungszustand verbessern und mangelernährungsbedingte
Komplikationen verhindern [30] (III).
Die Indikation zu einer parenteralen Ernährung bei Patienten mit chronischer Pankreatitis
ergibt sich ausschließlich über eine längerfristig (> 6 Tage) nicht ausreichende Möglichkeit
zur oralen oder enteralen Ernährung. Kontrollierte Studien liegen hierzu nicht vor.
3.6 Monitoring
Das Monitoring einer enteralen oder parenteralen Ernährung kann analog dem standardgemäßen
Vorgehen erfolgen (siehe hierzu [42]). Es ist allerdings besonders der Glukosestoffwechsel aufgrund des Risikos eines
pankreopriven Diabetes regelmäßig zu überprüfen und bei enteraler Ernährung zusätzlich
auf Zeichen einer Fettmalabsorption (Diarrhö, Fettstühle, Meteorismus) zu achten.
[C (BM, QL); starker Konsens]
Kommentar: Im Rahmen einer chronischen Pankreatitis kommt es häufiger zu Störungen des Glukosestoffwechsels
[43]. Neben dem Bild des klassischen pankreopriven Diabetes mit konsekutiver Insulintherapie
besteht auch ein erhöhtes Risiko für Hypoglykämien aufgrund mangelnder Glukagonfreisetzung.
Evidenztabelle 1
Ernährung bei milder akuter Pankreatitis.
Referenz
|
Evidenzgrad
|
Studientyp
|
Teilnehmer
|
Intervention
|
Zielgröße
|
Hauptergebnis
|
Jacobson et al. 2007 [10]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
|
121 Patienten mit milder akuter Pankreatitis
KG: n = 66
IG: n = 55
|
IG: fettreduzierte Kost: 1200 Kalorien, 35 g Fett/Tag; KG: klare Flüssigkeiten: 588 Kalorien, 2 g Fett/Tag
|
wiederkehrende Schmerzen, Notwendigkeit die Nahrungsaufnahme zu beenden, Krankenhausverweildauer
nach Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr, Notwendigkeit der Wiedereinlieferung innerhalb
von 28 Tagen nach Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr
|
Beendigung der Ernährung aufgrund von Schmerzen oder Übelkeit war in beiden Gruppen
ähnlich (6 % bei KG, 11 % bei IG; p = 0,51).
Durchschnittliche Krankenhausverweildauer nach Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr war
in beiden Gruppen identisch (1 Tag, IQR 1 – 2; p = 0,77).
Patienten der IG nahmen während ihrem ersten Essen und des ersten Studientags bedeutend
mehr Kalorien und Fett auf als Patienten der KG-Gruppe.
Keine Unterschiede zwischen den Gruppen bei der Wiedereinlieferung innerhalb von 28
Tagen nach Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr.
|
Moraes et al. 2010 [11]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
|
210 Patienten mit milder akuter Pankreatitis, pro Arm: n = 70
|
IG: feste Nahrung;
KG1: klare Flüssigkeiten;
KG2: weiche Nahrung
|
Schmerzen, Nahrungsaufnahme, Krankenhausverweildauer, Wiederauftreten von Schmerzen
7 Tage nach Entlassung
|
Keine Unterschiede zwischen den 3 Diäten hinsichtlich Wiederauftretens von Schmerzen
nach Nahrungsaufnahme.
Personen der IG nahmen an Studientag 1 und 2 signifikant mehr Kalorien und Fett auf
(p < 0,001).
Eine kürzere Krankenhausverweildauer wurde bei Patienten der IG ohne Wiederauftreten
von abdominalen Schmerzen beobachtet (Median – 1,5 Tage; p = 0,000).
|
Teich et al. 2010 [12]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
|
143 Patienten mit milder akuter Pankreatitis
KG: n = 47
IG: n = 69
|
IG: Patienten bestimmen den Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr selbst;
KG: Serum Lipase muss den Normalwert erreicht haben, bevor die Nahrungsaufnahme gestartet
wird
|
Schmerz- und Ernährungsprotokoll, durchschnittliche Zeit zwischen Entlassung und oraler
Nahrungsaufnahme, Länge der Krankenhausverweildauer, tägliche Bestimmung und Kontrolle
über 3 Tage nach der ersten Nahrungsaufnahme: Lipase, Amylase, Albumin, CRP, Blutzucker,
Leukozytenanzahl
|
durchschnittliche Zeit zwischen Entlassung und oraler Nahrungsaufnahme: IG 2 Tage
(IQR 1 – 3) vs. KG 3 Tage (IQR 2 – 4) (p < 0,005);
vor und nach der ersten Mahlzeit, durchschnittliche Δ VAS: IG + 3,14 mm (± 11,5 mm)
vs. KG + 2,85 mm (± 16,4) (p = 0,597);
Länge der Krankenhausverweildauer:
IG 7 Tage (Median; IQR 5 – 10,5) vs. KG 8 Tage (Median; IQR 5,75 – 12) (p = 0,315)
|
Sathiaraj et al. 2008 [13]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
|
101 Patienten mit milder akuter Pankreatitis
IG: n = 49
KG: n = 52
|
IG: weiche Nahrung;
KG: klare Flüssigkeiten
|
Häufigkeit von Schmerzen, Dauer des Krankenhausaufenthalts, Verträglichkeit der oralen
Nahrungsaufnahme
|
Deutlich kürzere Krankenausaufenthalte bei Patienten der IG: durchschnittlich 2 Tage
(p < 0,001).
Kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen in der Notwendigkeit die Diät zu beenden
aufgrund von Schmerzen.
Patienten der IG konsumierten deutlich mehr Kalorien und Fett am ersten Studientag
(p < 0,001).
|
CRP = C-reaktives Protein, IG = Interventionsgruppe, IQR = Interquartilbereich, KG = Kontrollgruppe,
VAS = visuelle Analogskala
Evidenztabelle 2
Enterale Ernährung bei akuter Pankreatitis.
Referenz
|
Evidenzgrad
|
Studientyp
|
Teilnehmer/Studien
|
Intervention
|
Zielgröße
|
Hauptergebnis
|
Bemerkungen
|
Marik et al. 2004 [14]
|
Ia
|
Metaanalyse
|
117 Studien gefunden; 6 RCT erfüllen alle Kriterien;
263 Patienten mit akuter Pankreatitis
IG: n = 125
KG: n = 138
|
IG: enterale Ernährung über eine nasojejunale Sonde;
KG: totale parenterale Ernährung
|
Anzahl Infektionen, nicht infektiöse Komplikationen, chirurgische Intervention, Länge
des Krankenhausaufenthalts, Krankenhausmortalität
|
EE ↔ TPE
Infektionen: RR 0,45 (95 %-KI 0,26 – 0,78)
p = 0,004
OP-Intervention: RR 0,48 (95 %-KI 0,22 – 1,0)
p = 0,05
Krankenhausaufenthalt:
– 2,9 Tage (– 1,6 – 4,3)
p > 0,001
Mortalität: RR 0,66 (95 %-KI 0,32 – 1,37)
p = 0,3
Komplikationen: RR 0,61 (95 %-KI 0,31 – 1,22)
p = 0,16
|
adäquat durchgeführte Metaanalyse
|
Petrov et al. 2008 [16]
|
Ia
|
Metaanalyse
|
11 RCT identifiziert; 430 Patienten mit akuter Pankreatitis
IG: n = 204
KG: n = 226
|
IG: enterale Ernährung über eine nasojejunale Sonde;
KG: totale parenterale Ernährung
|
infektiöse Komplikationen; Mortalität
|
EE ↔ TPE
Infektionen: RR 0,41 (95 %-KI 0,30 – 0,57)
p > 0,001
Mortalität: RR 0,60 (95 %-KI 0,32 – 1,14)
p = 0,12
|
adäquat durchgeführte Metaanalyse
|
Al-Omran et al. 2010 [17]
|
Ia
|
Metaanalyse
|
8 RCT identifiziert;
348 Patienten mit akuter Pankreatitis
IG: n = 164
KG: n = 184
|
IG: enterale Ernährung über eine nasojejunale Sonde;
KG: totale parenterale Ernährung
|
Mortalität, Multiorganversagen, systemische Infektionen, chirurgische Intervention,
lokale septische Komplikationen, lokale nicht septische Komplikationen, Länge des
Krankenhausaufenthalts, Subgruppe: Mortalität bei schwerer akuter Pankreatitis
|
EE ↔ TPE
Mortalität: RR 0,50 (95 %-KI 0,28 – 0,91)
MOF: RR 0,55 (95 %-KI 0,37 – 0,81)
Infektionen: RR 0,39 (95 %-KI 0,23 – 0,65)
OP: RR 0,44 (95 %-KI 0,29 – 0,67)
lokale septische Komplikation
RR 0,74 (95 %-KI 0,40 – 1,35)
lokale Komplikation: RR 0,70 (95 %-KI 0,43 – 1,13)
Krankenhausaufenthalt
– 2,37 Tage in EN vs. TPE (95 %-KI – 7,18 – 2,44)
Mortalität SAP: RR 0,18 (95 %-KI 0,06 – 0,58)
|
adäquat durchgeführte Metaanalyse nach Cochrane-Standard
|
Modena et al. 2006 [44]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
|
87 Patienten mit akuter Pankreatitis
IG: n = 44
KG: n = 43
|
IG: enterale Ernährung über eine nasojejunale Sonde (TEN bei Patienten [n = 44] mit
schwerer NAP in der ersten Behandlungswoche);
KG: totale parenterale Ernährung (TPN bei Patienten [n = 43] mit schwerer NAP in der
ersten Behandlungswoche
|
primär: infizierte Nekrose;
sekundär: Organversagen, chirurgische Intervention, Mortalität
|
primär:
Infizierte Nekrose: IG 20 % ↔ KG 74 %
p < 0,001
sekundär:
Organversagen: IG 31 % ↔ KG 79 %
chirurgische Intervention: IG 25 % ↔ KG 88 %
p < 0,001
Mortalität: IG 5 % ↔ KG 35 %
p < 0,001
|
langer Rekrutierungszeitraum von 5 Jahren; adäquat vergleichbare Patientengruppen
mit schwerer akuter Pankreatitis bei Einschluss
|
KI = Konfidenzintervall, EE = enterale Ernährung, IG = Interventionsgruppe, KG = Kontrollgruppe,
NAP = nekrotisierende akute Pankreatitis, RCT = randomisierte kontrollierte Studie,
RR = relatives Risiko, SAP = schwere akute Pankreatitis, TEN = totale enterale Ernährung,
TPE = totale parenterale Ernährung
Evidenztabelle 3
Durchführung der enteralen Ernährung bei akuter Pankreatitis.
Referenz
|
Evidenzgrad
|
Studientyp
|
Teilnehmer
|
Intervention
|
Zielgröße
|
Hauptergebnis
|
Bemerkungen
|
Petrov et al. 2009 [20]
|
Ia
|
Metaanalyse
|
20 RCT identifiziert; 1070 Patienten IG: n = 529
KG: n = 541
|
IG: enterale Ernährung: Semi-Elementardiät, hochmolekulare Diät oder angereichert
mit Ballaststoffen, Probiotika oder Immunonutritions;
KG: parenterale Ernährung
|
Toleranz und Sicherheit der enteralen Ernährung bei Patienten mit akuter Pankreatitis
(Nahrungsintoleranz, infektiöse Komplikationen, Mortalität)
|
keine der folgenden Interventionen wurde mit einem deutlichen Unterschied der Nahrungstoleranz
assoziiert; das Risiko für infektiöse Komplikationen und die Mortalität zeigten keinen
bedeutenden Unterschied in den verschiedenen Vergleichsgruppen
|
indirekte Metaanalyse, da unterschiedliche Vergleichsgruppen
|
Tiengou et al. 2006 [19]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
|
30 Patienten mit akuter Pankreatitis
IG: n = 15
KG: n = 15
|
IG: enterale Ernährung über eine nasojejunale Sonde: Semi-Elementardiät (35 kcal/kg
KG/d);
KG: enterale Ernährung über eine nasojejunale Sonde: hochmolekulare Diät
|
Gewichtsverlust, Dauer des Krankenhausaufenthalts, Infektionsrate
|
Dauer des Krankenhausaufenthalts:
bei der IG war der Aufenthalt kürzer (IG 23 ± 2 Tage vs. KG 27 ± 1 Tag, p = 0,006)
Gewichtsverlust:
Bei der IG war der Gewichtsverlust geringer (IG – 1,3 ± 1,1 kg vs. KG – 2,4 ± 0 kg,
p = 0,01)
Infektionsrate:
IG: 1 Patient vs. KG: 3 Patienten
|
eingeschränkte Aussagekraft bei geringer Fallzahl
|
Petrov et al. 2008a [23]
|
Ia
|
Metaanalyse
|
78 Patienten aus 3 RCT
IG: n = 40
KG: n = 38
|
IG: enterale Ernährung mit Immunonutritions
KG: standard enterale Ernährung
|
infektiöse Komplikationen, Mortalität im Krankenhaus, Dauer des Krankenhausaufenthalts
|
IG vs. KG:
keine deutliche Senkung des Risikos für infektiöse Komplikationen (RR 0,82; 95 %-KI
0,44 – 1,53 [p = 0,53]);
kein signifikanter Unterschied im Mortalitätsrisiko (RR 0,64; 95 %-KI 0,20 – 2,07
[p = 0,46]);
kein signifikanter Unterschied bei der Dauer des Krankenhausaufenthalts (p = 0,80)
|
|
Oláh et al. 2007 [46]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
(doppelblind)
|
70 Patienten mit schwerer akuter Pankreatitis
|
IG: nasojejunale Ernährung und jeweils 4 unterschiedliche Lactobacilli-Präparate mit
1010 CFU und zusätzlich Präbiotika (Inulin, beta-Glukan, resistente Stärke und Pektin)
KG: nasojejunale Ernährung und Präbiotika
|
Multiorganversagen, septische Komplikationen, Mortalität, SIRS
|
IG: geringere Inzidenz an MOF, septische Komplikationen und Mortalität, aber keine
signifikanten Unterschiede;
die Gesamtinzidenz von SIRS und MOF war signifikant unterschiedlich (IG 8 vs. KG 14;
p < 0,05);
die Zahl der Patienten mit wiederauftretenden Komplikationen war signifikant geringer
in der IG verglichen mit der KG (p < 0,05);
geringere Raten von spätem MOF (nach 48 Stunden) in IG (IG 3,0 % vs. KG 17,2 %)
|
|
Besselink et al. 2008 [22]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
|
296 Patienten mit prognostizierter starker akuter Pankreatitis
IG: n = 152
KG: n = 144
|
IG: Probiotikum-Misch-Präparat (Multispezies); enterale Einnahme täglich 2-mal für
28 Tage
KG: Placebo; enterale Einnahme täglich 2-mal für 28 Tage
|
infektiöse Komplikationen:
Entzündung des Pankreas, Nekrose, Bakteriämie, Pneumonie, Urosepsis, infizierte Aszites
während der Einnahme und 90 Tage danach; Mortalität
|
infektiöse Komplikationen:
IG: n = 46 (30 %) der Patienten vs. KG: n = 41 (28 %) (RR 1,06; 95 %-KI 0,75 – 1,51);
Mortalität:
IG: n = 24 (16 %) vs. KG n = 9 (6 %) (RR 2,53; 95 %-KI 1,22 – 5,25);
Darm-Ischämie:
IG: n = 9 Patienten (8 mit fatalen Folgen → Tod) vs. KG: keine (p = 0,004)
|
adäquate Fallzahl; Hauptkomplikation Darmischämie in der IG, ggf. durch Kombination
aus Prä- und Probiotika
|
Jiang et al. 2007 [26]
|
Ia
|
Metaanalyse
|
3 RTC;
131 Patienten mit starker akuten Pankreatitis
IG: n = 61
KG: n = 64, davon 38 mit NJEN und 26 mit TPN
|
IG: frühe enterale Ernährung über eine nasogastrale Sonde
KG: enterale Ernährung über eine NJEN oder TPE
|
Mortalität, Dauer des Krankenhausaufenthalts, MOF (Versagen von mind. 2 Organen),
Schmerzen verursacht durch Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr, Komplikationen systematischer
oder lokaler Infektionen
|
keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen bei Mortalität, Dauer des Krankenhausaufenthalts,
Rate der Komplikationen bei Infektionen, MOF, Einstufungsrate nach ICU, Schmerzen
verursacht durch Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr
|
|
Petrov et al. 2008 [25]
|
Ia
|
Metaanalyse
|
4 RCT;
92 Patienten mit starker akuter Pankreatitis
IG: n = 43
KG: n = 36
|
IG: enterale Ernährung über eine nasogastrale Sonde;
KG: enterale Ernährung über eine nasojejunale Sonde
|
Mortalität, Schmerzen verursacht durch Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr
|
IG vs. KG:
Mortalität: RR 0,77; 95 %-KI 0,37 – 1,62 (p = 0,50);
Intoleranz der Nahrungsaufnahme: RR 1,09; 95 %-KI 0,46 – 2,59 (p = 0,84)
|
|
Makola et al. 2006 [45]
|
III
|
Beobachtungsstudie
|
126 Patienten
|
enterale Ernährung via PEG-J und hochmolekulare Sondenkost
|
Anzeichen der Verbesserung im CT Severity Index, Dauer der enteralen Ernährung, Dauer
des Krankenhausaufenthaltes, Gewichtsveränderung, Serum-Albumin
|
Dauer der enteralen Ernährung: 18,9 (2,4 – 111,7) Wochen; Median CT Severity Index:
Senkung von 4 auf 2 (p < 0,001); Gewichtsveränderung:
untergewichtige Patienten → Zunahme von 9,8 Pfund; übergewichtige und adipöse Patienten
→ Abnahme von 7,2 und 28,8 Pfund; Serum-Albumin: Anstieg von 3 auf 3,8 g/dL (p < 0,001)
|
|
CFU = koloniebildende Einheit, KI = Konfidenzintervall, IG = Interventionsgruppe,
KG = Kontrollgruppe, MOF = Multiorganversagen, NJEN = enterale Ernährung mittels jejunaler
Sonde, PEG-J = perkutane endoskopische Gastrojejunostomie, RCT = randomisierte kontrollierte
Studie, RR = relatives Risiko, SIRS = systemisches inflammatorisches Response-Syndrom,
TPE = totale parenterale Ernährung
Evidenztabelle 4
Durchführung der parenteralen Ernährung bei akuter Pankreatitis.
Referenz
|
Evidenzgrad
|
Studientyp
|
Teilnehmer
|
Intervention
|
Zielgröße
|
Hauptergebnis
|
Bemerkungen
|
Siriwardena et al. 2007 [24]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
|
43 Patienten mit prognostizierter starker akuter Pankreatitis
IG: n = 22
KG: n = 21
|
IG: maximale konventionelle Therapie plus intravenöse antioxidative Therapie für 7
Tage;
KG: maximale konventionelle Therapie plus intravenös verabreichtes Placebo für 7 Tage
|
Organversagen
|
relative Serumlevel der Antioxidanzien stiegen in IG, während Marker für oxidativen
Stress abnahmen;
Organversagen:
IG vs. KG: 32 vs. 17 % (p = 0,33)
|
eingeschränkte Aussagekraft bei geringer Fallzahl
|
Bansal et al. 2011 [29]
|
Ib
|
randomisiert, kontrolliert
|
39 Patienten mit starker akuter Pankreatitis
IG: n = 19
KG: n = 20
|
IG: Standard-Behandlung + Antioxidanzien (Vitamin A, Vitamin E, Vitamin C) für einen
Zeitraum von 14 Tagen;
KG: Standardbehandlung
|
Organversagen am Tag 7, Dauer des Krankenhausaufenthalts, Multiorgandysfunktion am
7. Tag, Mortalität, Veränderungen der Marker für oxidativen Stress
|
kein signifikanter Unterschied zw. den beiden Gruppen bei Organversagen (p = 1,0),
Multiorgandysfunktion (p = 0,8), Dauer des Krankenhausaufenthalts (p = 0,29);
Mortalität: IG: alle überlebten; KG: 2 Patienten starben;
Veränderungen der Level von Malondialdehyd, Superoxiddismutase und reduzierte Glutathione
waren am 7. Tag in den beiden Gruppen nicht signifikant unterschiedlich
|
eingeschränkte Aussagekraft bei geringer Fallzahl
|
IG = Interventionsgruppe, KG = Kontrollgruppe
Evidenztabelle 5
Ernährung bei chronischer Pankreatitis.
Referenz
|
Evidenzgrad
|
Studientyp
|
Teilnehmer
|
Intervention
|
Zielgröße
|
Hauptergebnis
|
Stanga et al. 2005 [36]
|
III
|
Beobachtungsstudie
|
57 Patienten mit chronischer Pankreatitis
|
Erhalt der enteralen Ernährung durch PEG/J (n = 53); Erhalt der enteralen Ernährung
durch DPEJ (n = 4)
|
Gewichtsveränderung, abdominale Schmerzen, Grad der Mangelernährung
|
Gewichtsveränderung:
das durchschnittliche Gewicht stieg deutlich von 64,8 kg am Tag 1 auf 69,1 kg am Tag
180 an (p = 0,001);
abdominale Schmerzen:
Senkung von 96 auf 23 %;
Mangelernährung:
Senkung des Grades der Mangelernährung
|
Skipworth et al. 2011 [37]
|
III
|
Beobachtungsstudie
|
58 Patienten mit chronischer Pankreatitis
|
enterale Ernährung über eine nasojejunale Sonde
|
Gewichtsveränderung, schmerzlindernder Effekt, Toleranz und Komplikationen, Pankreas-Morphologie,
Bluttest
|
schmerzlindernder Effekt bei 46 Patienten (79,3 %); 12 Patienten (20,7 %) hatten wiederauftretende
Schmerzen in der Folgezeit;
Toleranz und Komplikationen: schwach und unregelmäßig;
Gewichtsveränderung: + 1 kg (– 24 bis + 27 kg; p = 0,454);
Bluttest: Natrium (von 134,8 auf 138,1 mEq/L; p < 0,001); Harnstoff (von 3,4 auf 5,1 mmol/L;
p < 0,001); Kreatinin (von 58,3 auf 60,3 μmol/L; p < 0,001); korrigiertes Kalzium
(von 2,24 auf 2,35 mmol/L; p = 0,018); Albumin (von 34,5 auf 38,7 g/L; p = 0,002);
CRP (von 73,0 auf 25,5 mg/L; p = 0,006); Hämoglobin (von 11,8 auf 12,4 g/dL; p = 0,036)
|
CRP = C-reaktives Protein, DPEJ = direkte perkutane endoskopische Jejunostomie, PEG/J = perkutane
endoskopische Gastrojejunostomie