Orthopädie und Unfallchirurgie - Mitteilungen und Nachrichten 2013; 02(05): 537-538
DOI: 10.1055/s-0033-1358407
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STRAHLENFREIE PERIRADIKULÄRE THERAPIE
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

PRT sichern – Orthopädische Schmerztherapie ausbauen

J. Stier
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Publication Date:
11 October 2013 (online)

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Epidural-perineurale Injektion nach Krämer.

Im Umgang mit der periradikulären Therapie (PRT) bestehen bei Krankenkassen und Patienten aktuell große Unklarheiten. Gemeinsam bieten BVOU und IGOST in Kooperation mit der DGOOC und der DGOU jetzt konkrete Hilfestellung für das Fachgebiet und seine Patienten. Dazu hat eine Arbeitsgruppe ihre Arbeit aufgenommen, bei der die Fäden zusammenlaufen und an die sich Orthopäden und Unfallchirurgen ab sofort wenden können.

Die Arbeitsgruppe Schmerztherapie in Orthopädie und Unfallchirurgie hat ein Knäuel an Problemen zu entwirren – dies ist eine der ersten Aufgaben für Dr. Stefan Heidl, Dr. Christian Baumgart für den BVOU in Kooperation mit Dr. Cordelia Schott, Präsidentin der IGOST (Interdisziplinäre Gesellschaft für orthopädische/unfallchirurgische und allgemeine Schmerztherapie e.V.).

FAKTENCHECK

  • Problem „Flaschenhals“: Seit dem 1. April ist es Pflicht, den Patienten über einen Arzt mit Zusatzbezeichnung Schmerztherapie bzw. über eine Schmerzambulanz einer CT-gestützten PRT zuzuführen, die an der Schmerztherapievereinbarung teilnehmen. Es gibt circa 1.500 Ärzte mit dieser Zusatzbezeichnung. Zudem dürfen diese im Rahmen der Vereinbarung GKV-seitig nicht mehr als 300 Patienten pro Quartal und Therapeut behandeln. Ein Orthopäde betreut im gleichen Zeitraum bis zu ca. 1.600 Patienten (Fachgruppendurchschnitt). Die PRT unter CT müssen gemäß Richtlinie (keine Leitlinie) in einem multimodalen Konzept eingebunden sein. KV-seitig ist multimodal nicht eindeutig definiert und die Honorierung nicht geklärt.

  • Off-Label-Use – zweierlei Maß: Beide Methoden, die CT- wie die nicht-CT-gestützte PRT, setzen für Injektionen an der Nervenwurzel in der Regel eine Mischung aus Lokalanästhetikum und Kortison ein. Dies unterliegt dem Off-Label-Use. Doch bei der CT-Methode tragen die Kassen zu ihren Lasten oftmals die Kosten, bei der klassischen Variante nicht.

  • Qualität der Injektionstechniken: Im Sinne der Strahlenhygiene zugunsten der Patienten schult alleine die IGOST als größte deutsche orthopädisch-unfallchirurgische Schmerzgesellschaft seit mehr als 15 Jahren in differenzierten Injektionskursen Fach- und Assistenzärzte in verschiedensten und bewährten Techniken, die der gebotenen Strahlenvermeidung Rechnung tragen.

Aktuell liegt der Fokus der Arbeitsgruppe auf dem Ausbau der PRT im Fachgebiet OU. Genauer: der nicht computertomografisch (CT)-gestützten, nicht strahlenbelastenden Anwendungsform der PRT. Diese etablierte, den Orthopäden/Unfallchirurgen im Rahmen ihrer Facharztausbildung vermittelte Behandlungsmethode ist seit dem 1. April 2013 notwendiger denn je für den spezifischen Rückenschmerzpatienten (siehe Kasten „Faktencheck“). Die radiologisch durchgeführte CT-gestützte PRT wird – politisch gewollt – durch eine Mengensteuerung zu einem Flaschenhals. Lange Wartezeiten – und damit auch lange Arbeitsausfalltage – für den schmerzgeplagten Patienten sind die Konsequenz. Die Vorteile der klassischen, konservativen Injektionstechnik bei PRT liegen auf der Hand: schnelle Hilfe für den Patienten mit der Folge geringerer Arbeitsausfalltage und in der Regel keine Strahlenbelastung. Die Arbeitsgruppe prägte dafür die Beschreibung: „Injektionen mittels anatomisch-palpatorischer Landmarken statt GPS – denn wer sich in der Großstadt auskennt, braucht keine Naviga­tion.“ Doch OU steht vor zwei Problemen:

  • Die strahlenbelastende CT-gesteuerte Methode wird durch die Kostenträger zunehmend beworben und den Patienten ein Maß an Sicherheit vermittelt, die nicht besteht. Vielmehr wird unnötig ionisierende Strahlung appliziert. Des Weiteren entstehen unnötig hohe Kosten.

  • Wie bei der CT-gestützten PRT schwebt auch über der nicht strahlenbelastenden PRT nach anatomischen Landmarken das Damoklesschwert des Off-Label-Use (Stichwort Kortison). Erschwert wird dies durch eine, vorsichtig formuliert, unklare Haltung der Krankenkassen im Umgang mit der Off-Label-Use Thematik.


AG SCHMERZTHERAPIE IN DER ORTHOPäDIE UND UNFALLCHIRURGIE

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Dr. Stefan Heidl, stellv. BVOU-Landesvorsitzender Westfalen-Lippe, Bezirksvorsitzender Münster, IGOST
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Dr. Christian Baumgart, Verwaltungs-stellenvorsitzender Münster des BVOU, Wissenschaftlicher Beirat IGOST
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Dr. Cordelia Schott, Präsidentin der IGOST




In Kooperation mit DGOOC und DGOU


E-Mail:bvou@bvou.net
und/oder post@igost.de

Die Arbeitsgruppe Heidl/Baumgart/Schott hat deshalb folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Off-Label-Use: Ein Leitfaden klärt auf, wie ohne Regressgefahr auch die PRT unter Einsatz von Kortison angewendet werden kann. Der Leitfaden wurde in Form eines Rundschreibens im Februar versandt und kann bei Bedarf nachbestellt werden: bvou@bvou.net.

  • Die Haftpflicht deckt in der Regel die Anwendung ab, wenn die aus dem Rundschreiben zu entnehmenden Empfehlungen eingehalten werden. Dies hat der BVOU in Bezug auf die von ihm über die Funk-Gruppe (Sparkassenversicherung) angebotene Versicherung abgeklärt.

  • Die Arbeitsgruppe klärt auf Wunsch in den Ländern vor Ort die Fragen rund um PRT.

  • Probleme der Patienten wie auch der Orthopäden/Unfallchirurgen im Kontakt mit den Krankenkassen sollen der Arbeitsgruppe gemeldet werden → bvou@bvou.net, post@igost.de. Die Arbeitsgruppe hat Lösungsvorschläge parat.

  • Die Aufklärungs-Kampagne für die breite Öffentlichkeit „Es geht auch ohne Strahlung“ soll Patienten informieren und wird in mehreren Medien publiziert.

RECHTSSICHERHEIT FÜr DIE VERGANGENHEIT ERREICHT

Die Abrechenbarkeit der Kombination eines Kortikoids mit einem Lokalanästhetikum bei der wirbelsäulennahen Applikation ist für die Vergangenheit gesichert. Diese Rechtssicherheit hat die AG Schmerztherapie bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erreicht. Erst zukünftige Fälle dürfen die Krankenkassen herausrechnen bzw. der Orthopäde/Unfallchirurg nicht mehr zu Lasten der GKV abrechnen. Grundsätzlich ist diese Kombination dem Off-Label-Use zuzuordnen. Seit dem Rundschreiben der KBV vom 18. Juni 2013 haben sich bereits neun Kassenärztliche Vereinigungen entschieden, der KBV-Empfehlung zu folgen. Insgesamt herrschen damit nach Ansicht der AG Schmerztherapie klare Verhältnisse für die Vergangenheit und die Zukunft.

Für die Arbeitsgruppe ist die PRT die Spitze des Eisberges. An diesem Beispiel wird exemplarisch deutlich, welchen Stellenwert unser Fach in der Behandlung spezifischer Rückenschmerzen traditionell hat. Die orthopädische Schmerztherapie ist ein Dauerthema und muss auch in der zukünftigen Weiterbildungsordnung der OU verankert, gestärkt und ausgebaut werden.

Joachim Stier